Dinslaken. Das Vinzenz-Hospital Dinslaken meldet eine bedrohliche Entwicklung: Zu viele Akut-Erkrankte hätten keine medizinische Versorgung aufgesucht.

Derzeit werden die Krankenhäuser mit Problemen konfrontiert, die nur indirekt etwas mit der Corona-Pandemie zu tun haben – so auch das St. Vinzenz-Hospital. Hatte man anfangs, um das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, alle Kräfte in die Intensivstationen gesteckt, die Bettenkapazitäten dort für alle Fälle aufgestockt, vorab geplante Operationen verschoben, sehen sich die Ärzte im Krankenhaus nun mit Krankheitssymptomen konfrontiert, „die ich in solchen Stadien selten gesehen habe“, berichtet Dr. Klaus Peitgen, Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie.

Patienten blieben daheim - aus Angst, sich anzustecken

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Kollateralprobleme, mit denen in diesem Umfang wohl niemand der Ärzte gerechnet hat. Auch im Vinzenz-Hospital seien Operationen verschoben worden, doch immer wieder sei kommuniziert worden, dass natürlich Krebspatienten und andere Akutfälle durchaus behandelt und operiert würden. Genau dafür habe man ja ebenfalls Kapazitäten frei gehalten. Doch die Patienten blieben im hohen Maße aus – aus Angst, sich im Krankenhaus oder in den Praxen mit dem Corona-Virus anzustecken. Denn auch die Hausärzte verzeichneten wesentlich weniger Patienten als je zuvor.

„Es war für uns schwierig, Patienten zu überzeugen, ins Krankenhaus zu gehen und sich dort behandeln zu lassen“, erzählt Dr. Martin Höffkes. Er habe manchmal recht drastisch seinen Patienten klarmachen müssen, dass ambulant nichts mehr ginge und er sein Leben riskiere, ließe er sich nicht stationär im Krankenhaus behandeln.

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„Diese Drohungen waren nicht besonders gut, die schüren ja letztendlich nur noch mehr Ängste, aber es ging oft nicht anders“, so Höffkes. Immerhin gab es in den vergangenen Wochen 20 bis 30 schwere Krankheitsfälle, die hätten vermieden werden können, wenn sie nicht verschleppt worden wären.

Trotz Blinddarmdurchbruch nicht zum Arzt

Auch die Zentrale Notaufnahme sowie die Kassenärztlichen Vereinigung verzeichneten in den vergangenen Wochen wenig Patienten, so Sebastian Bolten, Leiter der ZNA. Nicht nur sie sowie Chirurgie und Internistische Abteilung waren betroffen, auch die Kinderärzte und Gynäkologen sorgen sich um verschleppte Krankheiten.

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„Die Hemmschwelle, sich in ärztliche Behandlung zu begeben, ist nach wie vor hoch, eine Vorsorge findet kaum statt, aber das kann schwere Langzeitfolgen mit sich bringen“, erklärt Dr. Wilfried Chevreux, Chefarzt der Inneren Medizin. „Wir haben Patienten gesehen mit Blindarmdurchbrüchen, die bereits eine Bauchfellentzündung bekommen hatten und dennoch nicht zum Arzt gingen“, ergänzt Dr. Peitgen. „Schwer kranke Patienten, denen wir noch vor Wochen besser hätten helfen können, sehen wir heute oft. Das war früher gerade einmal im Jahr“, so Peitgen.

Auch Krebspatienten, ja sogar Menschen mit Herzinfarkten seien nicht zur Behandlung gekommen – aus Angst. Dabei sei die Chance, sich im Krankenhaus oder in der Arztpraxis mit dem Corona-Virus zu infizieren, mehr als gering. „Die Intensivabteilungen wurden sofort abgeschottet, kein Patient kommt mit den dortigen Erkrankten sowie den Pflegern in Kontakt. Es gibt Sicherheitskontrollen am Eingang“, zählt Chevreux auf. Wer sich hingegen zu spät behandeln lasse, riskiere irreparable Schäden.

„Nicht nur Covid-19 kann tödlich sein“

„Es gibt keinen Grund, nicht zum Arzt zu gehen. Bitte hören Sie auf Ihren Körper, gehen Sie zur notwendigen Vorsorge, gehen Sie zum Arzt“, appelliert Dr. Martin Höffkes an erkrankte Menschen. „Es kann Ihr Leben retten. Nicht nur Covid-19 kann tödlich sein.“