Am Niederrhein. Wölfin Gloria wird vorerst nicht zum Abschuss freigegeben. Den Antrag eines Hünxer Schäfers wollen die Behörden ablehnen.
Kein Abschuss, keine Vergrämung – auch davon, dass Wölfin „Gloria“ mit Sendern ausgestattet werden müsste, ist keine Rede: Der Kreis Wesel als zuständige Behörde will die Anträge zur Niederrhein-Wölfin abschlägig bescheiden. „Wir kommen zu der vorläufigen Einschätzung, dass eine Entnahme der Wölfin unter den gegebenen Umständen nicht zu rechtfertigen ist“, stellte Landrat Dr. Ansgar Müller (SPD) fest.
Stattdessen heißt die Devise: mehr Herdenschutz, noch besserer Herdenschutz. Im Gespräch mit dem Hünxer Schäfer Kurt Opriel, der die Anträge auf Vergrämung oder Entnahme gestellt hatte, soll geklärt werden, ob der Kreis in diesem konkreten Fall beim nächtlichen Aufstallen der Tiere helfen kann. Opriels Herde war mehrfach von der Wölfin heimgesucht wurden, zuletzt im Dezember 2019. Den Antrag auf Besenderung hatte das Gahlener Bürgerforum gestellt.
Weitere Wölfe in NRW erwartet
Insgesamt mehr als 30 Attacken auf Schafherden und Wildtiergehege gehen nachweislich auf das Konto von „Gloria“, die seit Sommer 2018 Wälder und Wiesen rund um Schermbeck durchstreift. Unter den drei, wahrscheinlich aber mittlerweile vier sesshaften Wölfen in NRW hat sie damit mit Abstand die meisten Nutztiere gerissen. Wölfe stehen unter strengem Naturschutz. Ein Abschuss ist nur unter ganz bestimmten Bedingungen möglich..
https://www.nrz.de/region/niederrhein/experten-bestaetigen-fuer-2020-erste-wolfssichtungen-in-nrw-id228544907.htmlDas Landesumweltamt (Lanuv) hatte jeden Angriff untersucht. „Die ganz überwiegende Mehrzahl der Nutztierrisse fand nachweislich auf Weiden statt, an denen der Herdenschutz nicht den konkreten Empfehlungen des Bundesamtes für Naturschutz entsprach“, stellte Lanuv-Präsident Thomas Delschen fest. Dies sei auch durch die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für das Thema Wolf (DBBW) bestätigt worden.
Monatelang war es ruhig gewesen um „Gloria“
Ob drei am ersten März-Wochenende in einem Gehege an der Gahlener Straße getötete Damwildtiere ebenfalls von „Gloria“ gerissen wurden, wird aktuell untersucht. Zuvor war es monatelang ruhig gewesen um die Wölfin. Fachleute in den Behörden werten das als Indiz, dass Zäune und Schutzhunde zunehmend Wirkung zeigen – auch wenn noch längst nicht jede Herde ausreichend geschützt sei. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) wies darauf hin, dass mit weiteren Wölfen in NRW gerechnet werden muss: „Ziel unserer Naturschutzpolitik ist zu lernen, mit dem Wolf zu leben und unsere Weidetierhaltung dafür bestmöglich vorzubereiten.“
Die Behörden betonen, dass die Einschätzung zu Gloria „vorläufig“ sei. Der Kreis Wesel hatte sich eng mit Lanuv und Ministerium abgestimmt. Bevor die Anträge nun tatsächlich abgelehnt werden, will man Schäfer Opriel auch mal Gelegenheit geben, Stellung zu beziehen. Auf Nachfrage der Redaktion zeigte sich Opriel nicht überrascht, dass seine Anträge abgelehnt werden sollen. Er will die Mitteilung des Kreis nun genau prüfen und über sein weiteres Vorgehen entscheiden. Opriel hatte stets betont, dass der Herdenschutz bei ihm den Vorgaben entspreche.
Weseler Schäfer sitzt auf 60.000 Euro Schaden
Deutliche Worte kommen von den rheinischen Bauern: „Die Situation am Niederrhein bereitet uns große Sorge“, erklärte Verbandssprecherin Andrea Hornfischer. Im Lichte des erst kürzlich geänderten Bundesnaturschutzgesetzes, dem Bundestag und Bundesrat ausdrücklich zugestimmt haben, stelle sich die Frage, wann eine Entnahme überhaupt möglich sei. „Den leidgeprüften Tierhaltern vor Ort ist jedenfalls zu wünschen, dass sie möglichst bald wieder ohne Angst und Einschränkungen ihre Tiere halten können“, meinte Hornfischer.
Der Weseler Schäfer Maik Dünow, der nach eigenen Angaben 2018 mehr als 40 Tiere durch die Wölfin verloren hatte, kritisierte Behörden und Ministerium deutlich. Er sitze auf einem Schaden von 60.000 Euro und habe bisher keinen Euro Entschädigung gesehen, klagte Dünow gegenüber der Redaktion. Und weiter: „Ich habe mir auch 18 Herdenschutzhunde zulegen müssen und jeden Monat 1000 Euro Futterkosten, die mir ebenfalls nicht ersetzt werden.“
Nabu fordert Weidetierprämie auch in NRW
Der Weseler Schäfer sieht die Öffentlichkeit nicht richtig informiert, wenn in offiziellen Presseerklärungen immer wieder erklärt werde, dass Zäune und Hunde für den Herdenschutz zu 100 Prozent erstattet werden. „Ich höre immer, dass die Förderrichtlinie auf mich nicht passt“, klagte Dünow. Auf Nachfrage der Redaktion ist aus den Behörden zu hören, dass Dünow ein besonderer Fall sei. Der von der EU vorgegebene Förderdeckel von 20.000 Euro sei bei ihm schon anderweitig ausgereizt. Man arbeite gegenüber Brüssel aber intensiv daran, dass diese Deckelung falle.
Beim Naturschutzbund (Nabu) hat man Verständnis für die Sorgen der Schäfer. „Die Weidetierhaltung muss dringend unterstützt werden, um die zusätzlichen Anforderungen an einen wolfssicheren Herdenschutz bewältigen zu können“, meinte Nabu-Fachmann Thomas Pusch. Der Verband fordert u. a., dass NRW Schäfern eine Weidetierprämie zahlt, wie es sie mittlerweile drei deutschen Bundesländern und 22 EU-Staaten gibt. Ein Abschuss von Wölfin Gloria war beim Nabu immer nur als allerletztes Mittel gesehen worden, die sich abzeichnende Entscheidung der Behörden begrüßen die Naturschützer deshalb.