Essen. Fans von Rot-Weiss Essen sind nicht erfolgsverwöhnt. Dennoch ist die RWE-Anhängerschaft groß und treu. Ein Erklärungsversuch unseres Kolumnisten.
von Helmut „Happo“ Tautges
Letzte Tage stellte mir jemand die Frage: „Happo, warum bist Du eigentlich RWE-Fan und zwar immer noch?“ Gute Frage, aber schwerer zu beantworten, als ich zunächst dachte. Jedenfalls schwerer, als ‚Was ist ein Falchion?‘ Googeln verboten!
Keine Sorge, ich langweile euch nicht mit meiner persönlichen Geschichte, vielleicht nur so viel, bei mir spielte nicht Reiner Calmund, sondern reiner Zufall die entscheidende Rolle. Aufgrund eines Wohnungswechsels kam ich in eine neue Schule, fand dank der Flatscherei auf dem Schulhof, ziemlich schnell Anschluss. Mit meinen neuen Mitspielern verstand ich mich auf Anhieb prächtig und wie sich etwas später herausstellte, waren das alles Jungs, die auf Rot-Weiss Essen standen.
So dauerte es nur wenige Wochen, bis ich zum ersten Mal das Georg Melches Stadion betrat, die Stufen zur Westkurve hoch marschierte und dann, ja dann, dann war es geschehen. Vorher nahm mich unser neuer Nachbar bereits zweimal mit ins Westfalenstadion. Da wars zwar ebenfalls verdammt voll, doch irgendwie hat es nicht gezündet bei mir. Vielleicht, weil ich dort in Begleitung eines Erwachsenen war und bei RWE mit Kumpels?
Rot-Weiss Essen: „Fehlgeleitete“ wurden Schalke-Fans
Übrigens, es kann doch kein Zufall sein, dass die mir nicht ganz so sympathischen neuen Klassenkameraden, überwiegend mit dem FC Schalke 04 liebäugelten. Dass ich heute zahlreiche farblich Fehlgeleitete zu meinen Freunden und Bekannten zähle, liegt wohl an meiner unendlichen Geduld, Fußballregeln und taktische Varianten, mit einfachen Worten zu erklären.
Mittlerweile hechelt Rot-Weiss Essen dem großen Erfolg hinterher. Zahlreiche Klubs spielen längst in anderen Sphären, füllen Stadien mit 60.000 und mehr Zuschauern, holten internationale Titel. RWE war praktisch 14 Jahre von der Landkarte verschwunden und mischt aktuell mit mehr und weniger Erfolg in Liga drei mit. Sportliche Gründe allein scheiden also aus, weshalb der gemeine Fan trotzdem dem Verein treu bleibt. Der Spruch „Einmal Rot-Weiss, immer Rot-Weiss“, hat zwar seine Berechtigung, erklärt allerdings nicht, warum das so ist.
Rot-Weiss Essen: Junge RWE-Fans tanzen aus der Reihe
Obwohl der ganz große Fußball in Essen eher nicht geboten wird, bekennen sich doch ungewöhnlich viele junge Menschen zu dem Traditionsclub von der Hafenstraße. Sie tanzen aus der Reihe, tragen kein Barcelona-, Real-, Bayern-, oder PSG -Trikots auf den Schulhöfen oder Trainingsplätzen. Sie bekennen sich zu einem Drittligisten!
Ein Underdog zu sein, hat auch was. Früh übt sich, mit Niederlagen und Rückschlägen klar zu kommen. Zusammenhalten, In guten wie in schlechten Zeiten. Für Hardcore-Fans unstrittig, anders als in vielen, vielen Ehen. Verzeihen fällt beim Fußball halt leichter. Ein Sieg nach langer Durststrecke lässt die Liebe zum Verein immer wieder neu entfachen. Wenn´s drauf ankommt, ist der Fan zur Stelle, egal wie oft es das endgültig letzte Mal war, sich dieses Gewurschtel anzutun.
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Als RWE-Fan bist Du gestählt durch lange Erfolgslosigkeit, umso intensiver können erfolgreiche Phasen genossen werden. Auch wenn häufig behauptet wird, die RWE-Fans wären als Kind zu oft gegen die Schleuse geschwommen, jedem ist klar, auch Rot-Weiss Essen muss mit der Zeit gehen, so viel Geld generieren, wie nur eben möglich, allein, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Familiäre bleibt auf der Strecke. In der Hinsicht ist RWE ein Verein wie jeder andere.
Siege von Rot-Weiss Essen sind etwas Besonderes
Sollte in Saarbrücken überraschenderweise und entgegen sämtlicher Wettquoten doch ein Sieg herausspringen, dann dürfte der Jubel bis in den Ruhrpott zu hören sein. Solche Momente sind halt was Besonderes, egal wie nebensächlich sie für die Allgemeinheit auch sein mögen.
In diesem Sinne, bleibt gesund,
der Happo