Oberhausen. Matthias Steinkamp gilt beim Kunstturnteam Oberhausen als „Mister Zuverlässig“. Ans Aufhören denkt der Sport- und Philosophielehrer noch nicht.

16 Meisterschaften in der Bundesliga und stolze 112 Wettkämpfe hat Matthias Steinkamp auf dem Buckel. Wie viele Übungen das für den Kunstturner in seinem ganzen Leben waren, ist eine schwer vorstellbare Zahl. Mit 31 Jahren ist er der Routinier im KTTO und kann sich eine Zeit ohne das Turnen nur schwer vorstellen. Die ist durch höhere Gewalt verordnet worden, aktuell ist Training in kleinen Gruppen möglich. Auch wenn der Start der Dritten Liga im September nicht abgesagt ist: Wann wieder vor Zuschauern geturnt werden kann, ist weiter unklar.

Steinkamp, klassischer Sechskämpfer, entdeckte seine Liebe für das Turnen mit sechs Jahren. Dabei testete er viel aus, doch als er beim Fußball als Torwart die Hütchentore zusammenstellte, damit ergebnisorientiert Tore verhinderte und sich das Geschehen anschließend von der hochgekletterten Sprossenwand aus anschaute, wurde deutlich, dass es Fußball wohl nicht werden würde. „Ich hatte eine turnverrückte Lehrerin“, erklärt er seinen ersten Kontakt zum Sport. Es folgte die Anmeldung beim Verein in Holsterhausen, der Sprung ins Leistungszentrum nach Mülheim und schließlich zum TC Sterkrade ins Kunstturnteam Oberhausen.

„Das hat mir viel gegeben“

Matthias Steinkamp und das KTTO verpassten in der vergangenen Wettkampf-Saison denkbar knapp die sofortige Rückkehr in die 2. Bundesliga. Doch der Traum vom Aufstieg lebt weiter.
Matthias Steinkamp und das KTTO verpassten in der vergangenen Wettkampf-Saison denkbar knapp die sofortige Rückkehr in die 2. Bundesliga. Doch der Traum vom Aufstieg lebt weiter. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Dort ist er nicht wegzudenken, zweiter Vorsitzender des Gesamtvereins, ehrenamtlich tätig und wenn gerade kein Training und kein Ligabetrieb ist, als angesehener Kampfrichter unterwegs. „Das hat mir viel gegeben“, gibt er zu. Struktur, Werte, Spaß, Freundschaften und eine Taschengeldverbesserung waren die großen Fünf in jungen Jahren. „Es ist schon auch ein Pflichtgefühl, dem Sport etwas zurückzugeben.“ Dazu gehört die Leidenschaft, mit der auch er gefördert wurde. „Meine Mutter war alleinerziehend, da war nie viel Geld da.“ Dass Cheftrainer Siegfried Ingendorn auch mal Prämien für das Lernen neuer Elemente aus seinem privaten Geldbeutel ausrief, war damals eine tolle Möglichkeit, das Taschengeld aufzubessern.

Auch der Respekt vor Leistung hat ihn geprägt. So wie der Vergleich mit seinem Dauerkonkurrenten und langjährigem Teampartner in Sterkrade, André Sauerborn. „Viele haben irgendwann mit dem Turnen aufgehört. André war von Beginn an sowas wie mein ärgster Konkurrent“, lacht Steinkamp. Sauerborn hörte als frisch gebackener Vater auf, Steinkamp will sich noch Zeit lassen. „Mit einem Kind wird es schwierig. Aber ich hoffe, dass ich selbst dann noch, mit etwas weniger Training, mein Level halten und weiter turnen kann.“

Turnwissen an die nächste Generation weitergeben

Denn für den Sport- und Philosophielehrer ist eines klar: „Die Abläufe der Übungen kann ich im Schlaf. Bei neuen Elementen sind noch Fehler drin, aber das ist mittlerweile fast wie Fahrradfahren. Einiges verlernt man nicht.“ Zum Problem würden eher die Kraft und Ausdauer werden. „Wenn das fehlt, passieren Fehler und Verletzungen“, weiß er und die können Folgen haben. Wegen seiner Schulter turnt Steinkamp kaum noch am Barren, auch die Ringe sind auf dem Niveau der 2. Bundesliga schwierig. Dennoch war er auch im vergangenen Jahr wieder der am meisten eingesetzte Sportler des KTTO.

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Sein Fachwissen aus eigenen Erfahrungen und dem Studium in Bochum hilft dabei. „Ich weiß, was Spaß macht und ich weiß, was weh tut. Das macht auch den Sportunterricht in der Schule einfacher.“ Dass man „beim Herrn Steinkamp einen Salto macht“, spricht sich auch in der Schülerschaft rum. Daher bringt er vielen Kindern Turnen nahe, weiß aber auch, dass nicht jeder geeignet ist.

„Eine Wertschätzung und zwar auch durch Geld ist wichtig“

„In vielen Sportarten kannst du mit zwölf Jahren noch anfangen, das geht im Turnen nicht.“ Für seine Schüler von der fünften Klasse bis zum Abitur ist der Zug also eigentlich schon abgefahren, doch Begeisterung hilft dem Sport als Ganzem. „Das Geld ist immer knapp. Es ist natürlich immer etwas Besonderes, wenn jemand so viel Leidenschaft hat, dass er soviel in den Sport investiert, aber eine Wertschätzung und zwar auch durch Geld ist wichtig.“ Viele seien damit insbesondere nach der Schule zu einer Entscheidung gezwungen, die nicht immer zu Gunsten des Sports ausfällt.

Hier schlägt sich die Brücke zu seinem zweiten Steckenpferd, der Philosophie. „Ich musste für meine Zulassung in Bochum neben Sport noch ein zweites Fach haben und Philosophie hat mir in der Schule immer sehr gefallen.“ Aus seiner Taufe macht er sich nicht viel, „die haben mir da nie die Fragen so beantworten können wie in der Philosophie.“

„Jeder kann ein Turner sein, wenn er talentiert ist und Lust hat“

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Unethische Entscheidungen auf höchster Verbandsebene stehen Bannern und Aktionen der Fans beispielsweise im Fußball gegenüber. Für die Schule gehen ihm die Ideen jedenfalls nicht aus. „Neben all dem Schlechten wird wegen Corona auch vieles diskutiert. Viele Sachen sind auf einmal möglich und beschäftigen die Leute.“

Obwohl die Philosophie oft mit schwierigen Schachtelsätzen und komplizierten Gedankenkonstruktionen und das Kunstturnen mit viel Aufwand, Disziplin und Einsatz verbunden ist, sieht Steinkamp keinen elitären Charakter bei beidem. „Jeder ist ein Philosoph wenn er sich Gedanken macht und jeder kann ein Turner sein, wenn er talentiert ist und Lust hat. Jeder ist willkommen, da ist nichts Elitäres.“

„Dafür ist ein Verein da“

Steinkamps Lebensweg selbst dient als gutes Beispiel dafür. „Dafür ist ein Verein ja auch da, man bekommt sein Investment zurück. Man bekommt Anerkennung, Taschengeld und auch eine Menge Kontakte, wenn es dann später beispielsweise um eine Ausbildung geht. Man hilft sich und das macht es bei uns auch so super genial“, kommt er ins Schwärmen.

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Es ist kaum vorstellbar, dass sich der Mannschaftskapitän des KTTO in nächster Zeit von den Geräten zurückzieht. „Meine Frau war Vize-Weltmeisterin im Rollkunstlauf, sie hat das nötige Verständnis“, lacht er. Sie hat die Schuhe an den Nagel gehangen, gemeinsam machen beide auch im Urlaub viel Sport. Aktuell ist viel angesagt oder eben kleine Touren auf dem Hollandrad. Nach der Notbetreuung in der Schule wird auch hier das Pensum wieder hochgefahren, so kommt bei Steinkamp keine Langeweile auf.

Auf den „normalen“ Alltag freut er sich trotzdem wieder. Dass Wettkämpfe als Großveranstaltungen vielleicht zunächst ohne Zuschauer auskommen müssen, wäre ein Schlag. Doch bisher ist für ihn keine Saison ausgefallen, freiwillig wird so schnell keine dazu kommen.