Kamp-Lintfort. Meik Bodden hatte eine ganz andere Planung, als Trainer bei Fußball-Landesligist Fichte Lintfort zu werden, wie er im großen Interview verrät.

Die jüngere Lebensplanung von Meik Bodden sollte eigentlich eine andere sein. Der ehemalige Defensivspieler, der für den SV Sonsbeck, Fichte Lintfort, SV Neukirchen, SV Schwafheim und GSV Moers von der Kreisliga A bis zur Landesliga unterwegs war, wollte aus familiären Gründen zwei Jahre vom Amateurfußball pausieren. Der 33-Jährige wird in wenigen Wochen zum zweiten Mal Papa. Doch in den vergangenen Monaten kam alles anders. Seit dem 8. Juni steht Bodden zweimal pro Woche als Cheftrainer beim Landesligisten Fichte Lintfort auf dem Kunstrasen. Die erste Seniorenstation des Moerser Trainer-B-Lizenzinhabers ist gleich eine ambitionierte.

Herr Bodden, es kommt nicht oft vor, dass ein junger Trainer-Neuling gleich in der sechsthöchsten Spielklasse einsteigen kann...

Meik Bodden: Das ist einer außergewöhnlichen Situation mit dem Krankheitsausfall von Thorsten Schikofsky im April geschuldet, mit dem ich schon mehr als zehn Jahre eng verbunden bin. Ich war als sein Co-Trainer eingeplant, wir hatten die neue Mannschaft gemeinsam zusammengestellt. Erst als klar war, dass Thorsten wieder auf die Beine kommt, aber als Cheftrainer ausfallen wird, habe ich meine Zusage bei Fichte gegeben, unser gestartetes Projekt fortzuführen. Dass „Schiko“ neulich nach seiner Rehabilitation beim Training am Platz aufgetaucht ist, hat alle sehr gefreut.

Mit 33 sind Sie noch recht jung für einen Cheftrainer...

… aber ich habe im Amateurfußball schon alles mitgemacht: Kapitän, Bankdrücker, Pokalsiege, bittere Niederlagen, Aufstieg, Abstieg, zwischenzeitlich abgesägt. Ich kenne alle Gefühlslagen.

Und in Schwafheim als Trainer der A-Jugend auch alle Facetten des Fußballs an den Wurzeln.

In der Tat. Da habe ich aus gerade einmal sechs übrig gebliebenen Spielern und als Einzelkämpfer eine Mannschaft entwickelt, die am Ende in der Leistungsklasse auf Platz sechs gelandet ist und im Kreispokalfinale gegen Homberg stand. Für damalige Verhältnisse waren das durchaus Erfolge für die Jungs und für den Verein.

Zeit beim SV Schwafheim war intensiv

Welche gravierenden Unterschiede sehen Sie als Trainer zwischen Jugend- und Seniorenbereich?

Bei den Junioren gibt es viele Zusatzbaustellen: Freundin, Feiern, Ferien, Schule, Eltern, Zukunftssorgen. Da war ich auch immer sehr als Pädagoge über Fußball hinaus gefragt. Die Schwafheimer Zeit war intensiv und spannend. Als Landesliga-Trainer bei Fichte habe ich natürlich viel mehr personelle Rückendeckung, muss mich nicht um jedes noch so kleine Detail selber kümmern. Hier wollen alle ambitioniert Fußball spielen. Das erleichtert natürlich vieles.

Der neue Trainer Meik Bodden (rechts) bekommt Unterstützung von Co-Trainer Gökhan Erol, der die Landesliga-Mannschaft von Fichte Lintfort auch gut kennt.
Der neue Trainer Meik Bodden (rechts) bekommt Unterstützung von Co-Trainer Gökhan Erol, der die Landesliga-Mannschaft von Fichte Lintfort auch gut kennt. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Ist diese Ambition im Amateurfußball auf Landesliga-Ebene auch so etwas wie Ihre Triebfeder?

Das würde ich so sagen. Dass Thorsten Schikofsky wieder auf die Beine kommt, war der eine Punkt. Der zweite: Abteilungsleiter Norbert Lewing sowie die Kapitäne Marian Gbur und Leslie Rume haben sich in einem Acht-Augen-Gespräch für einen Verbleib als Cheftrainer meinerseits ausgesprochen. Das war für mich überraschend, aber auch ein enormer Vertrauensvorschuss. Fichte zählt wie auch der SV Sonsbeck im Kreis und am Niederrhein zu den besten Adressen, was Umfeld und Arbeitsbedingungen anbetrifft. Dass dann auch noch Gökhan Erol als mein Co-Trainer mit einem Masterabschluss in Sport an der Uni Bochum dazugestoßen ist, freut mich zusätzlich sehr.

Viele wollen bei Fichte Lintfort Mittelstürmer spielen

Zweimal hat die Corona-Pandemie einen möglichen Abstieg von Fichte in die Bezirksliga verhindert. Worauf wird es in der neuen Saison ankommen?

Dass die Gruppendynamik stimmt. Dass die Spieler nach ihren Stärken eingesetzt werden. Dass sie Spaß haben. Der Trainer muss sich den Möglichkeiten des Kaders anpassen und wird sicher nicht Stiefel XY stur durchziehen. Es wird auch Kompromisse geben müssen.

Inwiefern?

Ich habe meine Spieler, um sie besser kennenzulernen, kürzlich einen Steckbrief ausfüllen lassen. Bei Lieblingsposition haben viele „Mittelstürmer“ hingeschrieben. Den Wunsch kann ich als Trainer natürlich nicht allen erfüllen. (lacht)

Der neue Fichte-Trainer läuft den Kilometer in 4:30 Minuten

Das dürfte schwierig werden.

In der Tat. Warum das Beispiel? Jeder soll wissen, woran er ist. Deswegen rede ich sicher mit einigen auch über die Mittelstürmer-Problematik. Und natürlich müssen bei uns auch Spieler auf die Bank.

Könnte das zum Problem für einige im Kader werden?

Ich habe es jedenfalls früher gehasst, nicht zur ersten Elf zu gehören. Es darf aber nie Neid dabei hochkommen, dass ein anderer spielt. Spieler sollen auf den Trainer sauer sein, weil der ja aufstellt, nicht auf den Mitspieler. Untereinander muss Wir-Gefühl herrschen. In einer Saison sind immer mehr als elf Fußballer gefragt, um Erfolg zu haben. Wer das nicht versteht, muss zum Tennis oder einer anderen Individualsportart wechseln.

Fichte Lintforts neuer Trainer Meik Bodden leitet an der Franzstraße die Übungseinheiten.
Fichte Lintforts neuer Trainer Meik Bodden leitet an der Franzstraße die Übungseinheiten. © FUNKE Foto Services | Ulla Michels

Spielen Sie mit dem Gedanken, sich selber auf die Bank zu setzen, wenn Not am Mann ist?

Das wäre nur eine letzte Option. Ich schaffe den Lauf-Kilometer zwar noch in 4:30 Minuten und bin topfit. Als Spieler fand ich es aber selber nie gut, wenn der Trainer sich als spielender Teil der Mannschaft empfand, gerade auch im Training. Meine Aufgabe ist es doch, im Training zu beobachten und zu beurteilen, wer sonntags auf den Platz soll.

Vorbilder sind Thorsten Schikofsky und Julian Nagelsmann

Haben Sie als Trainer Vorbilder?

Ja, im Amateurfußball ganz klar Thorsten Schikofsky, weil er neben seinen Qualitäten als Fußballfachmann immer auch ein offenes Ohr für die Spieler hat und viel Empathie in die Aufgaben legt. Das findet man nicht oft.

Wer imponiert Ihnen bei den Fußballprofis?

Julian Nagelsmann. Aber nicht, weil wir zufällig auch gleich alt sind.

Was zeichnet ihn aus?

Er verliert vor einem Jahr mit Timo Werner und Patrick Schick zwei Spieler, die zusammen 38 Bundesliga-Tore erzielt hatten – dann erfindet Nagelsmann die Leipziger wieder neu und führt sie in der Bundesliga auf Platz zwei. Er hat auf die Gegebenheiten reagiert, die Abwehr stabilisiert und viel mehr Zu-Null-Spiele geschafft. Dazu hat er im Spiel immer auch einen Plan B.

Bei Fichte Lintfort stechen fünf bis sechs Spieler heraus

Können Sie davon etwas auf Ihre Aufgabe bei Fichte übertragen?

Ob ich immer einen Plan B im Spiel habe, wird sich zeigen. Fußballerisch werden wir Pläne im Spiel gegen den Ball und mit dem Ball entwickeln. Erst einmal geht es gegen den Ball, deshalb haben wir mit Kleve und Homberg am Anfang zwei starke Testgegner, die uns da fordern werden. Offensiv ist mir wichtig, Eins-gegen-eins-Situationen und Abschlüsse zu suchen.

Emre Terzi, hier im Dress des FSV Duisburg im Test gegen den Ex-Zweitligisten DSC Wanne-Eickel, muss bei Fichte Lintfort erst einmal eine Sperre absitzen.
Emre Terzi, hier im Dress des FSV Duisburg im Test gegen den Ex-Zweitligisten DSC Wanne-Eickel, muss bei Fichte Lintfort erst einmal eine Sperre absitzen. © FUNKE Foto Services | Olaf Ziegler

Was ist drin für Fichte in der neuen Saison?

Ich werde hier sicher keine Kampfansage hinlegen. Ziel sollte es sein, den Klassenerhalt zu schaffen. So früh wie möglich.

Lintforter wollen sich auf der Außenbahn verbessern

Wird sich die Mannschaft personell noch verändert?

Wir haben 24 Spieler im Kader, das sollte reichen. Fünf bis sechs Leute stechen heraus, dahinter gibt es eine hohe Dichte an Spielern, die immer zur ersten Elf gehören können.

Sehen Sie aktuell schon Schwachstellen?

Wir werden an den Außenbahnpositionen arbeiten müssen, da sehe ich uns ein wenig reduziert. Nils Hermsen ist nicht mehr da, dafür haben wir offensiv Gabriel Derikx zurück, von dem ich mir viel verspreche. Das gilt auch für Emre Terzi. Der wird uns aber in den ersten vier Pflichtspielen wegen einer Roten Karte beim FSV Duisburg aus der alten Saison ausfallen.

Testspiele beim 1. FC Kleve und gegen den VfB Homberg

Übrigens: Mit zwei starken Gegnern aus der Oberliga und der Regionalliga startet Fichte Lintfort in die Testspiele. Am 4. Juli (15 Uhr) geht es zum 1. FC Kleve an den Bresserberg, am 10. Juli (16 Uhr) kommt der VfB Homberg an die Franzstraße.

Die weiteren Tests in der Übersicht: 18. Juli: Fichte-Tag auf der Platzanlage; 22. Juli, 20 Uhr: Viktoria Alpen - Fichte; 24. Juli, 15.30 Uhr: VfL Rheinhausen – Fichte; 28. Juli, 19.30 Uhr: Fichte – SF Broekhuysen; 1. August: noch offen; 8. August, 15 Uhr: VfB Speldorf – Fichte; 15. August, 15.30 Uhr: Fichte - Arminia Klosterhardt.