Duisburg. Es war eine lange Erfolgsgeschichte: Die Halle an der Krefelder Straße feiert Jubiläum. Doch der einstige Glanz ist verflogen. Was nun zu tun ist.
1974 wurde Deutschland im Münchener Olympiastadion Fußball-Weltmeister. Helmut Schmidt war Bundeskanzler, Muhammad Ali nach dem „Rumble in the Jungle“ in Zaire Schwergewichtsweltmeister im Boxen. Die schwedische Popgruppe ABBA gewann in Brighton mit „Waterloo“ den Eurovision Song Contest und startete eine Weltkarriere. Diese bunte, spannende Zeit riss auch eine damals noch eigenständige Stadt wie Rheinhausen mit, die kurz vor der Eingemeindung zu Duisburg stand. Gleich drei Großprojekte wurden umgesetzt, die noch heute in der Stadt ihresgleichen suchen: der Bau des Freibads am Toeppersee, der Bau der Rheinhausenhalle für die Bühnenkunst - und natürlich der Bau der großen Sporthalle an der Krefelder Straße mit rund 1500 Sitzplätzen. Letztere feiert am 19. Dezember ihr 50-jähriges Bestehen.
Sporthalle Krefelder Straße: Ruderbecken im Erdgeschoss
Dass der Glanz früherer Tage längst verflogen ist, daran erinnert nicht nur ein renovierungsbedürftiges Dach. Oder etwa das seit langem ungenutzte Ruderbecken im Erdgeschoss. Bundesligaspiele, Deutsche Meisterschaften, Weltmeister als Protagonisten, das alles liegt schon lange zurück. Und doch denkt Günter Ruddies lieber an jene großen Tage als an die Gegenwart, wenn er auf einem der roten Schalensitze auf der Tribüne platznimmt. Der 65-Jährige ist quasi mit der Sporthalle erwachsen geworden: als letzter ernannter Beamter der Stadt Rheinhausen. „Mitte der 70er-Jahre war der OSC mit den Männern und den Frauen gleichzeitig in der Handball-Bundesliga aktiv. Ich weiß nicht, ob das ein anderer Verein auch geschafft hat“, hebt Ruddies hervor. Der arbeitet seit 2008 für Duisburg Sport, ist dort Bereichsleiter für die Sportstättenvergabe und für die Förderung von Sportstätten. Für den OSC hat Ruddies in der 70ern erfolgreich Juniorenhandball gespielt, stand im Finale um die Deutsche Meisterschaft. Dazu war er beim Verein streckenweise auch Pressesprecher.
Ruddies war natürlich auch bei der Halleneinweihung im Bundesliga-Heimspiel gegen den VfL Bad Schwartau (18:17) am 12. Januar 1975 dabei. „Das war die Hölle, nicht nur wegen der Stimmung“, erinnert sich der Rheinhauser, „die Halle war auch bei anderen Spielen total überfüllt. Treppen oder Ausgänge waren kaum noch zu erkennen. Nach heutigen Sicherheitsauflagen hätte in dieser Form kein Match ausgetragen werden dürfen.“
Blauer Dunst in der Sporthalle in Rheinhausen
Passiert ist damals zum Glück nie etwas. Lässt man einmal die Geruchsbelästigung außen vor. In der Handball-Halbzeit strömten die Zuschauer ins große Foyer. Der immense Zigarettenqualm zog von dort durch die drei Tribünenaufgänge in die Halle und sorgte für blauen Dunst. „Damals“, bemerkt Günter Ruddies schmunzelnd, „hat das aber niemanden wirklich gestört.“ Eine später eingezogene Trennwand dämmte die Qualmentwicklung vom Foyer in die Halle etwas ein.
Einer der ehemaligen OSC-Bundesliga-Handballer hatte die Sporthalle sogar als Arbeitsstätte. Hans-Dieter „HaDe“ Schmitz arbeitete schon während seiner Zeit als Bundesliga-Trainer und -Manager an der Rheinhauser Berufsschule direkt links neben der Halle. „Der Umzug von der alten Halle in Rheinkamp zurück in die Heimat war im Januar 1975 für uns nach dem Erstliga-Aufstieg eine Riesensache. Das hat uns fast tausend Zuschauer pro Heimspiel mehr und eine deutlich lautere Stimmung beschert - und uns einen Aufschwung gegeben“, erinnert sich Schmitz, der heute in Schwafheim wohnt: „Hinter den Trainerbänken standen die Fans in Dreierreihen. Auch hinter den Tornetzen waren Zuschauer. Bisweilen waren mehrere hundert Leute mehr in der Halle als zugelassen“, erinnert sich der einstige OSC-Kapitän.
Weltmeister Gerd Rosendahl spielte für den OSC Rheinhausen
Seine Mannschaft hatte allerdings auf einiges zu bieten. Den Siebenmeter-Vollstrecker Heinz Ratschen etwa, Nationalspieler und Weltmeister Gerd Rosendahl auf Rechtsaußen. Oder den technisch starken Rückraumwerfer Slobodan Koprivica, der als Rechtshänder nicht auf der linken, sondern in der Regel auf der rechten Seite zu finden war.
Vor Heimspielen ging das Team stets für eine Nacht nach Rheurdt ins Trainingslager-Hotel. „Da gab es einen Friseur im Haus, zu dem ist Linksaußen Uwe Laaser immer gegangen, um bei Heimspielen auch optisch gut auszusehen“, erinnert sich „HaDe“ Schmitz schmunzelnd an seinen vor einigen Jahren verstorbenen Mitspieler. Aus der 70er-Jahre-Mannschaft hat Schmitz noch Kontakt zu Hans-Peter Halfmann, der in Geldern ein Unternehmen für Kabelverlegung hat, und zu Reinhard van der Heusen. Den nannten alle nur „Nurmi“, in Anspielung an den legendären finnischen Langstreckler. Van der Heusen ist heute selbstständig, baut Seniorenheime, will sich aber nach seinem letzten Auftrag nun auch zur Ruhe setzen.
Auch die Badminton-Asse von OSC und Turnerbund glänzen
Die Sporthalle steht allerdings nicht nur für Handball, für den OSC, für Welthandballer Daniel Stephan, Olympiasieger Aleksander Rymanov, den Nachbarn VfL Rheinhausen oder für die vielen Triumphe im Nachwuchsbereich mit diversen Deutschen Meisterschaften. Auch die Rheinhauser Badminton-Asse des OSC und des Turnerbund sorgten vor allem in den 80er-Jahren für Glanz. Beispielsweise mit dem Bundesliga-Start, mit Deutschen Meisterschaften oder auch den German Open.
Nicht minder prominent waren die Fechter in den 80er-Jahren vertreten. Bei der Deutschen Meisterschaft in Rheinhausen kämpften im Herrenflorett unter anderem der heutige IOC-Präsident Dr. Thomas Bach sowie Olympia-Gold-Gewinner Matthias Behr auf der Planche. Die Ringer des AKS Rheinhausen, seit vielen Jahren schon ohne aktive Mannschaft, starteten bisweilen in der 2. Bundesliga. Mit dem sechsmaligen Deutschen Meister Bodo Wieland etwa. Auch der ehemalige Weltklasseringer Heinz Eickelbaum ging für den AKS auf die Matte. Die Hallenfußball-Stadtmeisterschaft wird seit der Demontage der Hamborner Rhein-Ruhr-Halle einmal im Jahr in Rheinhausen über mehrere Tage hinweg ausgetragen. Es gab auch schon Tanzturniere auf dem Parkett, das durch die Harzbenutzung bei Handballspielen einer ständigen Reinigung bedarf. Unter der Woche wird die Halle ausgiebig für den Schulsport genutzt. Berufsschule und Hauptschule liegen in direkter Nähe.
In der Sporthalle: 21 Bahnen für die Sportschützen
Im Untergeschoss der Halle wird scharf geschossen. Gleich 21 Bahnen stehen hier für die Sportschützen mit ihren Pistolen und Luftgewehren zur Verfügung. Ende der 80er-Jahre traf sich auch mal die Belegschaftsversammlung von Krupp in der Sporthalle. Der faktische und auch sehr emotionale Arbeitskampf damals um die Zukunft des Stahlstandorts Rheinhausen, selbst auch in einem Schimanski-Tatort als Thema aufgegriffen, machte vor dem Sport nicht halt. Und war doch fast fünf Jahre später, nämlich im August 1993, mit vielen Arbeitsplätzen verloren.
Im Dezember 1997 galt das nach dem Götzen-Aus auch für den Handball-Bundesliga-Sport in Rheinhausen. Der OSC musste wegen Zahlungsunfähigkeit mitten in der Saison abrupt und tränenreich aufgeben. Sportlicher Glanz flammte danach nur noch punktuell auf. 2010 schafften es die Handballer letztmalig in die Zweite Liga. Doch die monetäre Basis reichte nicht, die sportliche ebenso wenig, um mehr als eine Saison im Bundesliga-Unterhaus zu überleben. Nach einigen Teamumbenennungen, Fusionen, Irrungen und Wirrungen spielt der OSC heute wieder als OSC - in der viertklassigen Regionalliga und zuletzt oft vor kaum 150 Zuschauern.
„Für die Handball-Bundesliga bräuchte Rheinhausen fünf Millionen Euro“
„Natürlich hofft man immer irgendwie darauf, dass die erfolgreichen Zeiten noch einmal wiederkommen“, sagt Günter Ruddies. Wohl wissend, dass es über den Wunschtraum vieler Handballfreunde in Rheinhausen, in Duisburg und am Niederrhein nicht hinausgehen wird. Ex-Bundesliga-Kapitän „HaDe“ hatte es in einem früheren Gespräch mit der Redaktion schon einmal auf den Punkt gebracht: „Für die Handball-Bundesliga bräuchte Rheinhausen fünf Millionen Euro.“ Doch erst einmal müsste das marode Dach der Jubiläumshalle repariert werden.