Moers. Vor der Handball-EM in Deutschland spricht Ex-Bundesliga-Trainer „HaDe“ Schmitz aus Moers über Erfolgsrezepte, Stars, Tennis und OSC.
Auch im Alter von 76 Jahren feiert Hans-Dieter Schmitz, den sie seit Jahrzehnten einfach nur „HaDe“ nennen, immer noch einen gewissen sportlichen Erfolg. Handball hat der ehemalige Rheinhauser Bundesligaspieler und -trainer zwar längst hinter sich gelassen. Im Tennis ist der Oldie allerdings neulich mit dem TV Schwafheim in die Niederrheinliga aufgestiegen. Zweithöchste Spielklasse bei den Herren 70. Sein ehemaliger OSC-Mitstreiter Reinhard van der Heusen, der dem finnischen Langläufer-Idol Paavo Nurmi ähnelt und deshalb dessen Nachname als Spitznamen trägt, hatte Schmitz vor mehr als einem Jahrzehnt zum Rückschlagspiel gebracht.
70er-Jahre-Training: Sprünge mit Bleiwesten auf harte Hallenböden
„Ich bin aber nur noch im Doppel aktiv“, betont der ehemalige Handball-Erfolgstrainer und liefert die Erklärung gleich hinterher: „Alles Altschäden vom Handball. Ich habe eine versteifte Wirbelsäule und eine künstliche Hüfte.“ Sprünge mit Bleiwesten auf harte Hallenböden fielen in den 70er-Jahren in der Trainingslehre noch nicht unter das Prädikat „No-Go“. Und manch Untergrund war damals auch nicht gerade vorteilhaft für die eigene Gesundheit.
Handball hat der gebürtige Rheinhauser Schmitz, der in Moers-Schwafheim wohnt, natürlich immer noch fest im Herzen. Die anstehende Europameisterschaft im eigenen Land wird der Ex-Coach intensiv verfolgen. Aber sicher nicht in der Düsseldorfer Fußball-Arena, wenn Deutschland dort am 10. Januar gegen die Schweiz die Titeljagd vor vermutlich mehr als 50.000 Zuschauern eröffnet. „Das ist aber eher ein Event, bei dem man ein Fernglas braucht. Und da geht es sicher auch nicht für alle Zuschauer nur um Handball“, fürchtet Schmitz.
Bundestrainer Alfred Gislason hat unter „HaDe“ Schmitz in Essen gespielt
Die Nationalmannschaft hat er trotzdem im Blick. Bundestrainer Alfred Gislason war schließlich unter „HaDe“ Schmitz bei TuSEM Essen Spieler: „Ein Kämpfer, der immer klar im Kopf war.“ Der Coach hat vor einigen Jahren beim Bergischen HC in 2,03-Meter-Kreisläufer Hendrik Pekeler (32) auch einen der besten Deckungsspieler der Welt herausgebracht. Pech für Deutschland, dass das Nordlicht aus Itzehoe wegen einer langwierigen Achillessehnenverletzung nicht rechtzeitig fit wird. „Ich habe ,Peke‘ entdeckt und gefördert. Mit der 18 war er noch ein Partylöwe, der sich aber unglaublich entwickelt hat“, betont Schmitz.
Weitere Leistungsträger werden Deutschland bei der EM fehlen. Der Duisburger Patrick Wiencek (34) etwa, Pekelers Teamkollege beim THW Kiel, hat seine Karriere in der Nationalmannschaft vor knapp zwei Jahren beendet. „Ich glaube nicht, dass die Mannschaft stark genug für den Halbfinaleinzug ist“, prophezeit „HaDe“ Schmitz. Der würde sich gern eines Besseren belehren lassen. Wie etwa 2016, als er die DHB-Auswahl beim Turnier in Krakau/Polen eine Woche lang hautnah begleitete und dabei spürte, wie das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson in einen Flow geriet. Bekanntlich endete das Turnier mit dem zweiten EM-Titel für Deutschland.
Große Erfolge in Essen und Dormagen mit Fraatz, Schwalb und Hecker
Titel und Erfolge hat „HaDe“ Schmitz in seiner Trainerkarriere ebenso gefeiert. Auch wenn er als Diplomsportlehrer am Willy-Brand-Berufskolleg in Rheinhausen, direkt links neben der Sporthalle an der Krefelder Straße gelegen, allein aus logistischen Gründen nie ein Engagement über die NRW-Landesgrenzen hinaus eingehen konnte: „Ich habe 40 Jahre lang immer Beruf und Handball verknüpft. Das würde so heute nicht mehr funktionieren.“ Was meist funktioniert hat, war bei Schmitz die frühe Erkenntnis, dass neben Technik und Taktik auch die Psyche der Spieler intakt sein sollte. Ein großes Vorbild war hier der einst in Mehrhoog am Niederrhein wohnende Weltmeister-Trainer von 1978, Vlado Stenzel: „Er hat dies alles schon sehr früh berücksichtigt und hat mich auch deshalb begeistert.“
Natürlich hatte Hans-Dieter Schmitz auch Typen in seinen Teams. In Essen waren es beispielsweise Torwart Stefan Hecker, Außenangreifer Jochen Fraatz, Abwehrkante Peter Krebs oder auch Rückraumschütze Martin Schwalb, mit denen er 1989 Bundesliga-Meister und Europapokalsieger wurde. Bei Bayer Dormagen, mit dem 1993 der sensationelle Sprung ins knapp verlorene Europokalfinale gegen Santander glückte, ragten etwa Keeper Andreas Thiel oder auch Christian Fitzek heraus. „Gerade in meiner Zeit in Essen kam es auch immer auf die Einstellung an. Die Spieler mussten einfach wollen. Wenn das vorhanden war, war auch klar, dass wir gewinnen würden“, sagt „HaDe“ Schmitz im Nachhinein.
OSC Rheinhausen: In den 70ern immerhin fünf Jahre in der Bundesliga
Diese Selbstverständlichkeit hatte es beim OSC Rheinhausen im Hallenhandball nie gegeben. Auch nicht in den bemerkenswerten 70er-Jahren, als das Team in den fünf Bundesliga-Saisons meist gegen den Abstieg spielte, immerhin 1976 aber auch einmal im Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft gegen den TV Großwallstadt stand. Damals war auch „HaDe“ Schmitz dabei. Als Spielführer und Kontaktmann zum Vorstand.
Ein wenig schlägt sein Herz immer noch für den OSC. „Auch wenn man sich schon von Verein und Stadt entfernt, wenn man 35 Jahre woanders ist und arbeitet“, gibt der gebürtige Rheinhauser zu. Dabei hatte er in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder enge Bande mit dem OSC geknüpft. Etwa als Trainer in der Saison 2015/16, als Rheinhausen mit Hamborn 07 gemeinsame Sache machen mussten, weil mal wieder in finanzielle Not zu groß geworden war. „Das war eine Schwachsinnsfusion“, sagt Schmitz heute, „aus zwei Nicht-Schwimmern kann man keinen Meisterschwimmer machen.“ Nach der Saison mit einer zwischenzeitlich möglichen Insolvenz musste der Coach seiner Frau versprechen, dass nun Schluss sei mit Handball in verantwortlicher Position. Zumal „HaDe“ und seine Frau damals zeitgleich in Pension gingen.
Sportleiter des OSC Rheinhausen bei der Insolvenz im Dezember 1997
Etwas anders stellte sich die Situation noch im Dezember 1997 dar. Also vor fast genau 26 Jahren. Hans-Dieter Schmitz war Sportleiter beim damaligen Handball-Bundesligisten OSC, hatte eine starke Truppe mit Spielmacher Nedelko Jovanovic und Kapitän Nils Lehmann beisammen. Auf der Bank saß der russische Weltmeister-Kreisläufer Alexander Rymanow als Cheftrainer. Als bei Hauptsponsor Götzen finanziell die Lichter ausgingen, sorgte das unweigerlich auch bei den Handballern von der Krefelder Straße für Zahlungsunfähigkeit.
„Götzen hat damals über 60 Prozent unseres Etats bestritten. Wir standen aus den Vorjahren mit mehr als einer Million Mark in der Kreide und mussten mit Götzens Hilfe abbezahlen. In Rheinhausen war die Wirtschaftskraft einfach nicht da, um das ohne Götzen alles irgendwie zu retten“, betont der einstige Sportleiter, der das Amt vom späteren Duisburger Kabarettisten Wolfgang Trepper übernommen hatte. Viel besser steht es um die Finanzkraft im linksrheinischen Duisburg heute auch nicht. Eher das Gegenteil ist der Fall. Schmitz: „Für die Bundesliga braucht Rheinhausen gut fünf Millionen Euro pro Saison, um nicht abzusteigen. Wo sollen die herkommen?“
Daumendrücken für die HSG Krefeld und den TuS Lintfort
Handball im Fernsehen lässt sich HaDe Schmitz weiterhin nicht entgehen. Über die Plattform Dyn Sport gibt es Bundesliga und Europacup in Hülle und Fülle. Aber auch live vor Ort ist der 76-Jährige anzutreffen. Etwa bei der HSG Krefeld Niederrhein in der Glockenspitzhalle in Krefeld. Dem Team um den Moerser Geschäftsmann Simon Krivec und Trainer Mark Schmetz, den „HaDe“ Schmitz in Essen noch gecoacht hat, drückt der Handball-Senior die Daumen für den Zweitliga-Aufstieg. Ebenso allerdings bewundert er die beharrliche Zweitliga-Tauglichkeit des TuS Lintfort mit dem Frauenteam, trainiert von Bettina Grenz-Klein, gemanagt von ihrem Mann Ulrich Klein. „Beide Vereine bekommen meine große Anerkennung“, sagt „HaDe“ Schmitz.
Verqualmte Hallen und Becherwürfe in Kroatien
Wenn er die Zeit zurückdrehen könnte, würde er nichts anders machen wollen. „Ich habe durch Handball Europa kennengelernt, viele Menschen getroffen, auch Persönlichkeiten, habe Nationalspieler rausgebracht, meinen Horizont immer erweitert“, zählt Schmitz zufrieden auf. Vielleicht würde er nächtliche Rückfahrten aus Flensburg lassen, um wieder zeitig morgens am Berufskolleg zu sein. Verqualmte Hallen und Becherwürfe in Kroatien waren für einen Gasttrainer garantiert auch nicht immer angenehm. Dafür beeindruckte Schmitz die fanatische Begeisterung spanischer Handballfans: „Dort war es immer unglaublich schwer zu gewinnen - zumal sich auch die Schiedsrichter oft haben beeindrucken lassen. Heute sind die Referees international objektiver.“
Langeweile kennt der Handballer im Ruhestand nicht. Im belgischen De Haan an der Nordseeküste hat er ein Ferienhaus. Die Tochter wohnt aus beruflichen Gründen in Västeras nahe der schwedischen Hauptstadt Stockholm. „Da fahren wir auch des Öfteren vorbei.“ Ausgiebige See-Spaziergänge in Schwafheim wie zu Handball-Hochzeiten braucht Hans-Dieter Schmitz heutzutage übrigens nicht mehr: „Damals war das allerdings meine Entspannung zum Überleben.“