Am Niederrhein. 35 Jahre gab es den World Team Cup im Tennis in Düsseldorf. 1985 trieb es der legendäre John McEnroe im Rochusclub besonders wild.
Vielen Tennisfans ist ein Spruch im Gedächtnis geblieben, den der legendäre John McEnroe mal laut, mal leise, mal wütend, mal verzweifelt auf dem Court von sich gegeben hat. „You cannot be serious“, so hat der in Wiesbaden geborene, in New York aufgewachsene Sohn eines Rechtsanwalts seinen Lieblingsfeind immer dann gefragt, wenn sich die Welt scheinbar ungerecht gegen McEnroe verschworen zu haben schien. „Das ist doch jetzt nicht Dein Ernst, Kumpel!“, so geht frei übersetzt der Vorwurf, den Oberschiedsrichter gar nicht gern hören.
„You cannot be serious.“ Am 24. Mai 1987 hatte McEnroe das auch auf dem Center Court des Rochusclub Düsseldorf behauptet. Und er ging im Finale um die Mannschafts-Weltmeisterschaft beim World Team Cup einen Schritt weiter. Spötter würden behaupten: mehrere Schritte. Beim Stande von 5:7, 6:2, 1:2 und 0:40 ließ McEnroe seinen tschechischen Widersacher Miloslav Mecir auf dem Aschenplatz stehen, auch den verblüfften US-Oberschiedsrichter Richard Kaufman, McEnroes Intimfeind. Dazu die 8000 wütend pfeifenden Zuschauer auf den voll besetzten Rängen.
McEnroe wird auf dem Tennisplatz drei Meter groß
Angeblicher Fußfehler, ein Aufschlag gegen die Netzkante, ein Aus-Ball, der doch drin gewesen schien, dann eine vom Referee bestrafte angebliche Zeitverzögerung – zu viel für den Heißsporn aus dem New Yorker Ortsteil Queens. „Als McEnroe die Steintreppe am Center Court hoch und zur Kabine marschiert ist, sind die Leute zur Seite gesprungen. Es sah beinahe so aus, als würde sich das Wasser teilen. Dabei war John ein eher kleiner, dürrer Kerl, den die eigene Lederjacke zu erdrücken schien – der auf dem Tennisplatz allerdings drei Meter groß werden konnte“, erinnert sich Dietloff von Arnim.
Der aktuelle Vorsitzendes des Tennis-Verbandes Niederrhein war damals McEnroes persönlicher Betreuer während der Turnierwoche. „Der Von Arnim ist groß, der kann das doch gut machen – so hieß mein Aufnahmekriterium als junger Student“, erinnert sich der 1,93 Meter große von Arnim schmunzelnd.
Als der Ausraster nebst Spielabbruch erfolgte, saß der spätere Turnierleiter auf der Kopftribüne, musste sich erst einmal seinen Weg zu McEnroe und dessen Umkleide freikämpfen. Nachdem der Wüterich schon auf dem Platz einen Schläger brachial zertrümmert hatte, ging es in der Kabine weiter.
Zwei Stunden Sitzstreik im Rochusclub
„Da ging noch ein Schläger zu Bruch. Und er hat auf ein Spielzeugauto eingehackt, das Titelsponsor Peugeot ihm für seinen Sohn Kevin John geschenkt hatte“, schildert Dietloff von Arnim. Auch Turnierdirektor Horst Klosterkemper erinnert sich: „Ich kam in die Umkleide, als John das Auto grad gegen die Wand pfefferte. Wenige Minuten später hat er es dann, den Tränen nah, weil er auch auf sich selbst sauer war, versucht zu reparieren.“
Einer hätte McEnroe vielleicht zügig beruhigen können. Doch seine bessere Hälfte, die Hollywood-Schauspielerin Tatum O’Neil, der er beim Düsseldorfer Turnier 1985 noch täglich eine Baccara-Rose hatte aufs Hotelzimmer schicken lassen, war in den USA geblieben.
In der 87er-Turnierwoche hatte McEnroe schon zwei Tage vor dem Finale alle auf die Palme gebracht. Wegen Regen musste das Vorrundenspiel gegen Argentinien im Eisstadion an der Brehmstraße zu Ende gebracht werden. Dort lag immer ein Aschenspielfeld bereit, falls das Wetter Probleme bereitete. Doch McEnroe weigerte sich zwei Stunden per Sitzstreik, die Partie gegen Martin Jaite bei 6:4, 4:1 und 40:30 im Eisstadion fortzusetzen. Dann spielte er doch noch. Genau 2:22 Minuten, um zu gewinnen.
„Es ist hart, älter zu werden“
Der Spielabbruch im Finale zog eine eher milde Strafe nach sich: 5000 US-Dollar, keine drohende Sperre für Paris und Wimbledon. Hilfreich: Turnierarzt Dr. Hartmut Krahl hatte beim Patienten einen „sehr labilen körperlichen Zustand“ diagnostiziert. McEnroe verwies auf Pein im Rücken und der linken Wade. „Es ist hart, älter zu werden“, erklärte der damals 28-Jährige kleinlaut. Turnierdirektor Klosterkemper, der noch heute einen sehr guten Draht zu McEnroe hat, zeigte Verständnis: „John war paralysiert und hat sich so über den Schiedsrichter geärgert, dass sein ganzer Körper total verkrampft war.“
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Seinem US-Team kostete die egoistische Eskapade 1987 den Finalsieg gegen Tschechien. Am Ende jubelte besonders Miloslav Mecir. Der Tscheche war zwei Jahre zuvor an gleicher Stelle als tragischer Held aufgetreten. Beim Finaleinzel gegen Jimmy Connors führte Mecir im Entscheidungssatz schon 4:0, ehe der US-Amerikaner, bekanntermaßen auf dem Tennisplatz mit allen zur Verfügung stehenden Wassern gewaschen, zur Aufholjagd blies und seinen Widersacher in ein kaum für möglich gehaltenes psychologisches Tal stürzte.
Aufschlag von unten bei Miloslav Mecir
Bei 5:3 und 15:15 war Mecir nur drei Punkte vom Sieg entfernt. Doch sein Nervenkostüm kollabierte. Nach fünf Service-Fehlern in Serie versuchte es der Tscheche kraftlos mit dem Aufschlag von unten. Connors traute, ebenso wie 8000 Zuschauer, seinen Sinnen nicht – schaffte kalt das Break und brachte die Partie noch nach Hause.
Lag es wirklich am Druck oder doch an der Hitze? Mecir war nach dem Einzel den Tränen nah: „Das ist das Schlimmste, was mir je auf einem Tennisplatz passiert ist.“ Weil das abschließende Doppel für die Tschechen in die Binsen ging, war Ivan Lendls sportlicher Triumph über John McEnroe im Spitzeneinzel an diesem Samstag nichts wert.
Tschechien siegt gegen die USA
Zwei Jahre später allerdings drehten die Tschechen ohne den großen Lendl, der bekanntlich 1992 nach dem Ende des Kalten Krieges zum US-Amerikaner wurde und zuletzt im Sommer 2016 bei einem großen Charity-Turnier des Deutschen Roten Kreuzes mit Organisator Horst Klosterkemper an der Spitze zuletzt im Rochusclub Düsseldorf spielte, den Spieß um. Diesmal mit einem erstaunlich nervenstarken Miloslav Mecir. Und gegen einen Tennis-Wüterich namens John McEnroe.
Zahlen und Namen zum World Team Cup
Dauerbrenner: Die meisten Spiele beim World Team Cup bestritt der Schwede Thomas Edberg, der dabei 30 Siege verbuchte und 22 Niederlagen kassierte. Er war wie Anders Järryd und Jonas Björkman bei zehn Turnieren dabei. Deutscher Dauerbrenner war Nicolas Kiefer mit neun WM-Einsätzen im Rochusclub.
Topspieler: Als Nummer eins der ATP-Weltrangliste traten 19 Spieler im Rochusclub an, darunter Jimmy Connors, John McEnroe, Pete Sampras, Andre Agassi, Andy Roddick (alle USA), Björn Borg, Mats Wilander, Stefan Edberg (alle Schweden), Ivan Lendl (Tschechien) und Boris Becker.
Zuschauerrekord: Am besten besucht war das Turnier im Mai 1999, als 77.800 Zuschauer in sieben Tagen in Grafenberg gezählt worden waren.
Rekordsieger: Der Tscheche Tomas Smid hält mit 31 Erfolgen in Einzel und Doppel die Bestmarke beim World Team Cup – bei zehn Niederlagen.
Preisgeld: Von 2002 bis 2004 lag die Ausschüttung für erfolgreiche Spieler bei stattlichen 2,1 Millionen Euro.