Nein, es war 1978 kein wirklicher Skandal. Aber doch schon mutig. Wenn man weiß, dass es im Tennis-Vorzeigeverein Rochusclub doch eigentlich politisch überaus korrekt zugeht. Doch vor 35 Jahren, als Horst Klosterkemper den World Team Cup aus der Taufe gehoben hatte, setzte man im großen Klubhaus-Saal am Rolander Weg ein optisches Zeichen. Das Sponsorenbild der Sonnenmilchmarke Ambre Solaire aus dem Hause L’Oreal zeigte ein splitternacktes Mädel am Sandstrand. Ob der damalige Klubwirt so seinen Umsatz gesteigert hat, weiß Klosterkemper nicht mehr so genau. „Das Foto war aber ziemlich gewagt“, sagt der einstige Turnierdirektor, der am Mittwoch 75 Jahre alt wird. Diesen „großen“ Geburtstag feiert er „irgendwo auf der Erdkugel“, mehr verrät er nicht – und schmunzelt.

Ort, Alter, Gäste – Klosterkemper hängt’s nicht an die große Glocke. Vielleicht möchte er aber auch am liebsten das Rad der Zeit zurückdrehen. Zumindest ein wenig. Sein erstes Turnier als Organisator ist genau 40 Jahre her. Damals, 1973, ging es mit Unterstützung von Bayer Leverkusen um den Agfacolor-Cup. Ein Turnier der Grand-Prix-Serie, dem Vorläufer der ATP-Serie. Damals machte Horst Klosterkemper erstmals Bekanntschaft mit Ion Tiriac. Der Lizenzinhaber des aktuellen Rochusclub-ATP-Turniers war damals als Spieler schon „ein gerissener Hund“. Ilie Nastase, den zur Weltspitze zählenden, streitbaren Rumänen, gab es nur in Kombination mit dem bullige Schnäuzer-Träger Tiriac, der später auch mal Boris Becker erfolgreich managen sollte. Damals zog Tiriac bei Klosterkemper sein erstes Managergehalt. Mittlerweile soll sein geschätztes Vermögen bei 800 Millionen Euro liegen.

Friedrichs gibt den ZDF-Segen

Der Grand Prix, meistens im Juli und auch mit Damenkonkurrenz ausgetragen, reichte Klosterkemper nach fünf Turnieren nicht mehr aus. „Die Idee war damals etwas einmaliges im Tennis – ein Länderturnier über die gesamte Woche.“ Als erster und vermutlich wichtigster Befürworter outete sich damals ZDF-Sportchef Hanns-Joachim Friedrichs, der das Sportstudio moderierte. „Er war gerade aus den USA zurückgekehrt, fand die Idee toll und versprach mir zwei Stunden live im ZDF täglich. Dazu Halbfinals und Endspiel unbegrenzt – wenn wir ein Weltklassefeld hinkriegen. Das war ein Segen vom Himmel“, erinnert sich Klosterkemper.

In den 70-er Jahren gab es nur drei TV-Programme. Und die sendeten meist auch erst ab dem Nachmittag. „Wir hatten in der Anfangszeit die Hälfte des Fernsehmarktes für uns“, so Klosterkemper stolz. Mit Top-10-Cracks wie den Spaniern Manuel Orantes und José Higueras, den Australiern John Newcombe und Phil Dent oder dem US-Amerikaner Roscoe Tanner schoss auch der Bekanntheitsgrad des Rochusclubs und Düsseldorfs steil nach oben.

Was natürlich auch eine Frage von Moneten war. Zweiter Baustein des World-Team-Cup-Plans war deshalb ein potenter Hauptsponsor. Der damalige ATP-Berater Donald Dell – der Rechswissenschaftler der Elite-Universität Yale kümmerte sich auch ums Marketing des einstiges US-Aufschlagriesen Arthur Ashe – kannte den französischen Tennispräsidenten gut. Und der wiederum hatte einen Draht zu L’Oreal. Das Haus legte fürs erste World-Team-Cup-Turnier 250 000 US-Dollar hin, zeichnete einen Fünfjahresvertrag.

Henkel gegen L’Oreal

Der Haken? „L’Oreal war Konkurrent von Henkel“, so Klosterkemper, der damals für das Düsseldorfer Unternehmen arbeitete, „die Firma L’Oreal sollte im Zuge des Turniers deshalb nicht genannt werden.“ Rochusclub-Präsident Albrecht Woeste, heute im Fortuna-Aufsichtsrat tätig, schickte Klosterkemper vorsorglich ins Büro des damaligen Unternehmensoberhaupts Dr. Henkel. Es ging um das neue Produkt Ambre Solaire, das sich niemand in der Drogerie auszusprechen traute. Man nahm schlicht Nivea. Weil Sonnenmilch nicht zum Portfolio der Henkels zählte, gab der Chef schließlich seinen Segen.

L’Oreal baute den Bekanntheitsgrad über den World Team Cup binnen acht Jahren von sieben auf 70 Prozent aus, hatte damit seinen Deutschland-Auftrag erfüllt. Den Ausstieg aus dem WM-Vertrag koppelten die Franzosen daran, gleich einen Nachfolger mitzubringen: Monsieur Eric Peugeot. Ein Tennisexperte, der zwölf Jahre in Roland Garros geschiedsrichtert hatte. Aber auch ein Mann, dessen immense Lebenserfahrung kaum ein anderer vorweisen konnte. Als Teenager war Peugeot von einer Mafia-Bande entführt worden, aber gegen ein Lösegeld freigekommen.

13 Jahre hielt die Allianz mit dem freundlichen Franzosen, der bei seinen Besuchen stets auch ein Match auf Court sechs spielte. Horst Klosterkemper zog es kurz nach dem Ausstieg Peugeots nach Monaco. Drei Wochen vor Weihnachten 2002 bot ATP-Boss Mark Miles die Europa-Stelle in Monte Carlo an – ein vorgezogenes Geschenk. Und eine überaus reizvolle Aufgabe nach vielen hauptberuflichen Messe-Jahren. Tennis lief lange nur nebenher. Ehrenamtlich.

Im meist sonnigen, aber auch leicht disneyhaft-künstlichen Fürstentum gab’s gutes Honorar. Dafür verstaubte jedoch das Racket. „Mein Vorgänger hatte fast nur gespielt. Diesen Vorwurf wollte ich mir nicht anhören. Ich saß über hundert Tage im Jahr im Flugzeug, war nicht einmal die Hälfte der Zeit im Büro“, erinnert sich Klosterkemper. 42 ATP-Turniere in 16 Ländern Europas sind nun mal kein Kinderspiel. Und Klosterkemper war schon immer ein Mann der Tat, des Vor-Ort-Seins, der Basis.

Rudern, Basketball, oder . . ?

In den Schoß fiel dem langen Blonden mit dem stets freundlichen Lächeln das alles nicht. Als die Eltern vor 60 Jahren nach Düsseldorf zogen, hieß seine Schokoladensportart Rudern. Nach zwei Jahren beim WSV an den Riemen musste eine Grundsatzentscheidung her. „Ich wurde immer größer und länger. Da hieß es dann: Basketball oder Tennis?“ Beim nahen TC Oberkassel war die Warteliste aber so lang, dass ein Freund den damals 16-Jährigen für den Rochusclub begeisterte. Auch wenn der Rolander Weg in Grafenberg lockere 30 Fahrradminuten vom Elternhaus entfernt lag.

Eine Grundsatzlehre aus den vergangenen Tennis-Jahrzehnten hat Klosterkemper für sich gezogen: „Im Sport ticken nach festgelegten Regeln alle gleich. So etwas würde ich mir auch für die Gesellschaft wünschen. Über Religion, Hautfarbe oder die Nationalität hinweg.“