Dortmund. Borussia Dortmund wollte auf die eigenen Talente setzen, doch der Plan hakte. Das sind die Gründe – und die Chancen für Wätjen und Co.

Tom Rothe sieht es ganz pragmatisch. „Das ist auch irgendwo Fußball“, sagt der 20-Jährige, und meint damit folgenden unglücklichen Verlauf der Dinge: Im Sommer war er zu Union Berlin gewechselt, um als Ersatz für Robin Gosens die linke Abwehrseite zu bearbeiten, sollte es den Nationalspieler zurück nach Italien ziehen. Tatsächlich trat dieses Szenario kurz vor Ablauf der Transferfrist ein. Rothe wurde zum Stammspieler unter Bo Svensson. Der Trainer aber musste kurz vor Weihnachten gehen, und beim Debüt von dessen Nachfolger Steffen Baumgart sah Rothe die Rote Karte. Der Platz in der Startelf war futsch, weil Robert Skov in Rothes Abwesenheit überzeugte. „Warum sollte ein Trainer dann wechseln?“, fragt Rothe.

All dies führt dazu, dass Rothe am Samstagabend (18.30 Uhr/Sky) gegen seinen Ausbildungsklub Borussia Dortmund das Dortmunder Stadion wohl nur von der Reservebank bestaunen wird. Dennoch beweist der Fall Rothe, dass der BVB noch immer sehr gute Erstliga-Spieler produziert. Bei anderen Klubs kommen zudem Ansgar Knauff, Nnamdi Collins (beide Eintracht Frankfurt), Hendry Blank (RB Salzburg) und Soumaila Coulibaly (Stade Brest) auf ihre Minuten. Doch es zeigt eben auch, was derzeit nicht so gut funktioniert: Der sofortige Sprung in den Profibereich in Dortmund scheint zu groß.

BVB: Tom Rothe hätte die Chance auf Einsätzzeit gehabt

Rothe war hinter Ramy Bensebaini eigentlich fest für den Profikader eingeplant. Die Verantwortlichen unter dem neuen Sportchef Lars Ricken, zuvor Leiter des Nachwuchsleistungzentrum, wollten wieder mehr auf den eigenen Stall setzen. Doch die Aussicht auf mehr Spielzeit in Berlin-Köpenick war für Rothe zu verlockend – und der BVB wollte gegen eine Ablöse von fünf Millionen Euro samt Rückkaufoption seinem Eigengewächs keine Steine in den Weg legen.

1. FC Union Berlin - Bor. Mönchengladbach
Ex-BVB-Talent Tom Rothe steht nun bei Union Berlin unter Vertrag. © DPA Images | Andreas Gora

Tatsächlich spielte Bensebaini eine ordentliche Hinrunde, im Hinblick auf Dortmunds Verletzungssorgen aber wäre Rothe auf seine Minuten gekommen – nicht umsonst hat sich der BVB im Winter ja auf dieser Position mit Daniel Svensson verstärkt. Denn der 20-Jährige, der vor zwei Jahren bei den schwarz-gelben Profis debütierte, ist weiter als die meisten anderen Talente, die sich in Dortmund auf der Schwelle zur ersten Mannschaft bewegen. Rothe hat ja in Holstein Kiels Aufstiegssaison eine tragende Rolle gespielt.

BVB: Kabar, Wätjen, Campbell und Mané haben nun Profiverträge

Almugera Kabar (18), der Rothes Kaderplatz beim BVB eingenommen hat, Kjell Wätjen (19), Cole Campbell (19) und Filippo Mané (19) waren im Sommer hochgelobt worden, haben inzwischen Profiverträge unterschrieben, kommen aber derzeit nicht für höhere Aufgaben infrage. Dabei wäre ein Heimspiel gegen Union ein sicheres Umfeld, um punktuell ein Talent ins kalte Wasser zu schubsen. Was aber ist beim BVB derzeit sicher? Die fragile sportliche Lage und die skurrile Verletztensituation im Herbst haben verhindert, dass die jungen Spieler Minuten sammeln. „Im Moment sieht es so aus, dass wir wirklich die 20 Plätze schon gut abgedeckt haben, sodass es eher sein wird, dass die Jungs unten spielen werden“, sagt Trainer Niko Kovac.

Rot-Weiss Essen - Borussia Dortmund U23
Überwiegend bei der U23 im Einsatz: BVB-Eigengewächs Kjell Wätjen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Tillmann

Trainieren dürfen sie zwar mit den Profis, spielen aber überwiegend bei U23 und U19. „Das Spiel an sich, die 90 Minuten, der Rhythmus, die Belastung, die Läufe braucht jeder einzelne junge Spieler“, meint Kovac, macht aber Hoffnung auf mehr: „Wenn die Jungs gute Leistungen bringen, wenn das Benehmen richtig gut ist, dann werden sie auch hier oben Chancen haben.“ Wann das sein wird, ist offen. Dahinter hat der Klub ein, zwei Jahre Leerlauf. Um zu den U19-Spielern Mathis Albert (15), Ousmane Diallo (17) oder Mussa Kaba (16) aber eine Prognose abzugeben, ist es ohnehin zu früh. Ab kommendem Jahr wird Justin Lerma, 16, aus Ecuador ins Ruhrgebiet ziehen – noch so eine Wette auf die Zukunft.

BVB: Julien Duranville bildet eine Ausnahme

Die Ausnahme bildet Julien Duranville. Der 18-Jährige hat aber nicht die Jugendteams des BVB durchlaufen, sondern wurde bereits für eine Millionensumme von RSC Anderlecht eingekauft. Wiederkehrende Muskelprobleme machten die Entscheidung zwischen Spielpraxis und behutsamen Aufbau bisher zum Vabanquespiel. „Man sieht, dass wir viel von ihm halten, dass wir seine Qualitäten kennen“, meint Kovac. „Er ist schnell, dribbelstark, er kann viele Situationen gut auflegen und vorbereiten. Deswegen werden wir weiter mit ihm arbeiten.“ Möglicherweise rotiert er im Heimspiel gegen Union in die Startelf.

Zu ihm sagte der BVB-Trainer folgenden Satz: „Unterm Strich steht die Leistung, es geht nicht um das Alter, sondern nur um Qualität.“ Er gilt auch für alle anderen.

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