Dortmund. Beim Erfolg über Sturm Graz bestätigt Borussia Dortmund die Eindrücke des Leipzig-Sieges. Die Gründe dafür sind verschieden.
Emre Can sprach noch eine Mahnung aus an Alexander Meyer. Es wäre noch ein Platz frei im silbernen Mercedes-Bulli, der Borussia Dortmunds Profis zu ihren Privatwagen bringt. Meyer könnte ihn haben. Doch der BVB-Torwart war eingeteilt worden, um in der Mixed Zone unter der Osttribüne einige Fragen zu beantworten. Kurz darauf rief Can: „Alex, kein Platz mehr.“ Pech gehabt.
Die Dortmunder Spieler, sie wollten am späten Dienstagabend nur schnell ins Bett, was nicht am Ergebnis der vorausgegangenen Champions-League-Partie lag. Dieses nämlich stellte ja alle in Schwarz und Gelb zufrieden, durch das 1:0 (0:0) über Sturm Graz nistet sich der BVB an der Tabellenspitze der Königsklasse ein. Der Wunsch nach Erholung beruhte eher auf den kräftezehrenden vergangenen Wochen. Siegtorschütze Donyell Malen, der sein Team in der 85. Minute mit seinem Treffer erlöste, verschwand als einer der ersten im Bus. Marcel Sabitzer schleppte sich dazu. Nico Schlotterbeck, Cole Campbell und Maximilian Beier kamen zu spät und mussten noch ein wenig auf den Treppenstufen in der Kälte ausharren. Trainer Nuri Sahin gönnte sich derweil eine Dönertasche und machte sich auf den Weg in den beheizten Pressekonferenz-Raum.
BVB-Personalsorgen sind weiterhin groß
Dort angekommen, schüttelte der 36-Jährige den Kopf. Nein, eine Pause könne er seinen Spielern nicht geben. „Die Jungs sind am Anschlag. Als Trainer willst du immer coachen von außen. Aber heute habe ich mir gedacht, dass es besser wäre, wenn ich ruhig bleibe.“ Warum? „Weil ich gesehen habe, wie Julian Brandt durchatmet, wie Serhou Guirassy pumpt.“ Seine Mannschaft sei am Limit, doch: „Einmal müssen wir noch.“ Sahin formulierte eine Durchhalteparole vor dem Bundesliga-Auswärtsspiel am Samstag bei Mainz 05 (15.30 Uhr/Sky). Im Anschluss steht die nächste Länderspiel-Maßnahme an.
Dortmunds Spieler schleppen sich mit den letzten Körnern durch den November, auch gegen Graz fehlten wieder diverse Stammspieler. Sahin machte zumindest Hoffnung, dass die beiden Außenverteidiger Julian Ryerson und Yan Couto in Mainz wieder zum Kader zählen könnten. Auch eine Rückkehr von Abwehrspieler Waldemar Anton ist nicht ausgeschlossen. Aber: Was der BVB schon am Samstag gegen RB Leipzig (2:1) zeigte und drei Tage später in der Königsklasse bestätigte, zeigte, macht Mut. „Die Mannschaft“, sagte Sportdirektor Sebastian Kehl, „hat es mit diesem Personal hervorragend gemacht. Warum sollte es am Samstag in Mainz nicht noch mal klappen? Wir brauchen eine Willensleistung.“
BVB belohnt sich gegen Sturm Graz für dominante Vorstellung
Wie gegen Graz. Natürlich fehlte gegen den Tabellenführer der österreichischen Liga in der zweiten Halbzeit die Kraft. Es hätte auch gut und gerne ein torloses Remis werden können, da der BVB vor der Pause ziemlich schlampig mit seinen Torchancen umgegangen war, insbesondere im letzten Spieldrittel fehlte die Genauigkeit im Passspiel. Am Ende belohnten sich die Dortmunder jedoch mit Malens spätem Tor für eine konzentrierte, die meiste Zeit dominante Vorstellung.
Wie gegen Leipzig. Der wankende Champions-League-Finalist der vergangenen Saison hat sich mit seinem Rumpfkader gefangen. Die Gründe dafür sind verschieden. Zum einen steht die neuformierte Abwehr stabiler. Kapitän Can ist in neuer Rolle als Innenverteidiger sicherer, Ramy Bensebaini erlebt seine stärkste Zeit seit seinem Wechsel ins Ruhrgebiet, Pascal Groß bringt als Rechtsverteidiger eine weitere spielerische Komponente in die Viererkette. Kobel-Vertreter Meyer hilft mit seiner gute Technik mit dem Ball am Fuß. Alles wirkt präziser, kontrollierter.
BVB mit verbessertem Defensivverhalten
„Die Abstimmung, das Defensivverhalten ist gut. Als Mittelfeldspieler weiß ich, dass das Verteidigen vorne anfängt. Und das klappt richtig gut“, lobte Sportdirektor Sebastian Kehl. Innenverteidiger Schlotterbeck meinte: „Die Jungs machen vorne eine super Arbeit gegen den Ball, da ist es für uns einfach, hinten die letzten Situationen zu verteidigen.“ Den größten Fortschritt aber machte der BVB mit Felix Nmecha vor der Abwehr. Einfache Ballverluste müsse er noch reduzieren, findet Kehl, „ansonsten gibt es an Felix‘ Spiel in den vergangenen Wochen nichts zu makeln.“
Und dann war da noch Matchwinner Malen, wegen schwacher Leistung beim Pokal-Aus in Wolfsburg gegen Leipzig trotz Personalnot von Sahin nicht berücksichtigt. Der Trainer führte danach ein Gespräch mit dem 25-Jährigen, offensichtlich mit Erfolg – nicht nur wegen des Tores. „Als er in der 94. Minute den Ball im eigenen Sechzehner klärt: Das ist der Donny, den ich sehen will“, schwärmte Sahin. Am Samstag muss Malen nachlegen. Noch einmal.