Duisburg/Xanten. Sie lernten sich in einer schweren Zeit kennen: Denise pflegte Rebeccas todkranke Mutter. Wie ihre Liebesgeschichte anderen Mut machen kann.

Rebeccas Mutter nickte heftig mit dem Kopf, Tränen liefen ihr über die Wangen. „Darf ich deine Tochter fragen, ob sie mich heiraten möchte?“, hatte Denise sie im Krankenhaus gefragt – und sich keine schönere Antwort vorstellen können. „Sprechen konnte sie zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr. Aber so wusste ich, dass sie sich für uns freuen würde“, erinnert sich Denise. Einen Tag später starb Rebeccas Mutter.

Heute, vier Jahre später, feiern Denise (35) und Rebecca (39) ihren dritten Hochzeitstag. Ihre Geschichte zeigt, dass man die Liebe seines Lebens finden kann, wenn man gar nicht danach sucht, dass es sich lohnt, um eine Beziehung zu kämpfen – und dass homosexuelle Paare in Deutschland noch immer vor Herausforderungen stehen.

Duisburger Paar lernt sich während der Corona-Pandemie kennen

Im Frühjahr 2020 zwangen die Corona-Schutzmaßnahmen viele Menschen dazu, ihr Leben umzustellen. Doch für Rebecca änderte sich trotz Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln kaum etwas. Sie war sowieso schon die meiste Zeit allein zuhause in Duisburg, um ihre schwerkranke Mutter zu pflegen. „Aber irgendwann wollte und musste ich wieder arbeiten gehen“, erzählt die Ergotherapeutin. Deshalb kam der ambulante Pflegedienst. Und mit ihm Denise.

In unserer Serie „So liebt das Ruhrgebiet“ stellen wir Menschen an Rhein und Ruhr vor, die eine besondere Liebesgeschichte haben, uns bewegen, inspirieren und Vorbild sein können. Weitere Texte finden Sie hier:

Für Denise war es Liebe auf den ersten Blick. „Als ich Rebecca in die Augen geguckt habe, wusste ich: Das ist meine Frau, um die muss ich kämpfen.“ Sie versuchte, Rebecca von der Krankheit ihrer Mutter abzulenken – organisierte etwa ein Picknick im Duisburger Landschaftspark, plante eine Kanu-Tour auf dem Rhein.

„Ich war total leer zu der Zeit und eigentlich gar nicht bereit dafür, mich zu verlieben. Aber Denise hat nicht locker gelassen. Sie war wie ein kleiner Engel, der mir gezeigt hat, dass das Leben auch schön sein kann“, sagt Rebecca.

Duisburgerin über Freundin: „Sollen wir die Denise behalten, Mama?“

Jeden Tag verliebte sie sich ein bisschen mehr in Denise. Und jeden Tag ging es ihrer Mutter ein bisschen schlechter. „Wir wussten, dass wir nicht mehr viel Zeit haben. Also habe ich die Mama gefragt: Sollen wir die Denise behalten? Da hat sie gelacht und genickt“, erzählt Rebecca.

Auch Denise war die Zustimmung ihrer Schwiegermutter wichtig. Am Sterbebett erzählte sie von ihrem Plan, Rebecca einen Heiratsantrag zu machen. „Wir hatten so eine enge Beziehung. Ich habe mich so über ihre Reaktion gefreut“, sagt Denise. „Aber schon am Tag danach ist sie dann gestorben.“

Bei einem ihrer ersten Dates haben Denise und Rebecca im Landschaftspark Duisburg-Nord gepicknickt.
Bei einem ihrer ersten Dates haben Denise und Rebecca im Landschaftspark Duisburg-Nord gepicknickt. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Denise blieb an Rebeccas Seite, holte sie aus dem „tiefen Loch“ raus. Sie brachte sie dazu, wieder Freundinnen zu treffen und an den Proben ihrer Musical-Gruppe teilzunehmen. Als Rebecca Monate später wieder auf der Bühne stand, saß Denise stolz im Publikum, jubelte ihr zu.

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„Als der Schlussapplaus zu Ende war, ging niemand aus dem Saal. Und plötzlich spielte das Orchester ,Perfect‘ von Ed Sheeran. Da sah ich Denise von der Seite auf die Bühne kommen“, erinnert sich Rebecca. Denise stand zitternd vor ihr. Eigentlich wollte sie selbst singen. Aber sie war so aufgeregt, dass sie gestottert und die Wörter verdreht hat. „Zum Glück hat Rebecca trotzdem ja gesagt“, sagt Denise und lacht.

Homosexuelle Paare dürfen in Deutschland seit sieben Jahren heiraten

Seit sieben Jahren dürfen homosexuelle Paare in Deutschland heiraten. Für Denise und Rebecca bedeutet die Ehe vor allem eines: Sicherheit. Ihnen war es wichtig, ihre Beziehung nach der schweren Zeit zu besiegeln. „Ich habe beide Elternteile verloren. Denise hat ihr Leben lang im Heim gelebt. Wir haben ineinander die Familie gefunden, nach der wir uns immer gesehnt haben“, sagt Rebecca.

Mittlerweile leben sie zusammen mit ihrer französischen Bulldogge in Xanten. Das Einzige, was ihnen für ihre Vorstellung einer perfekten Familie jetzt noch fehlt, sind eigene Kinder. „Das ist unser größter Wunsch“, sagt Rebecca. Dabei stehen die beiden allerdings vor einer großen Hürde: Während sich die Krankenkassen bei heterosexuellen Paaren an den Kosten einer Kinderwunschbehandlung beteiligen, sind lesbische Paare auf sich allein gestellt.

Lesbisches Paar aus Duisburg erlebt im Alltag Diskriminierung

Nur eine Herausforderung von vielen, denen sich queere Paare im Alltag stellen müssen. „Man stößt immer wieder an Punkte, wo man merkt, dass wir noch nicht so weit sind“, kritisiert Rebecca. Das spüren sie auch im Alltag: Wenn die beiden ihr nächstes Reiseziel planen, müssen sie darauf achten, ob Homosexualität dort erlaubt ist. Wenn sie im Park Hand in Hand spazieren gehen, werden sie schief angeguckt.

„Als wir mal beim Karneval in Duisburg waren, hat uns ein Mann auf dem Bahnhofsvorplatz blöd angemacht. Er hat uns hinterhergerufen: ‚Ihr habt keine Zukunft‘! Für manche ist es schon Provokation genug, wenn wir nur Händchen halten“, sagt Denise.

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Sie habe sich aufgrund der Vorurteile und Anfeindungen lange nicht getraut, sich zu outen. Erst seitdem sie 23 Jahre alt ist, steht sie offen dazu, dass sie Frauen liebt. „Am Anfang hatte ich Probleme mit den Reaktionen, jetzt interessiert es mich nicht mehr.“

Rebecca gehen die Kommentare und Blicke hingegen noch immer nahe. Sie lebt schon lange offen bisexuell, aber Denise ist die erste Frau, mit der sie eine Beziehung führt. „Es sollte doch eigentlich keine Rolle spielen. Ich verliebe mich in den Menschen, nicht in das Geschlecht. Es muss einfach insgesamt passen“, sagt sie. Mit Denise passt es.

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