Wesel. Simon und Ingeborg haben sich über das Weseler Projekt „Wunschgroßeltern“ kennengelernt. Was die „grüne Bratwurst“ damit zu tun hat.

Beim ersten Treffen von Simon und Ingeborg ging‘s um die Wurst, genauer gesagt, um die „grüne Bratwurst“. Für alle, die damit nicht so recht etwas anfangen können, trällert der Achtjährige gleich mal drauf los: „Mein Lieblingstier ist die Bratwurst, ist die Bratwurst, ist die Bratwurst... denn die ist so schön grün!“ Die 69-Jährige lacht. „Man merkt ja, dass er total aufgeweckt ist.“ Das fand sie sofort super und auch er erklärte ihr kurz darauf: „Du bist meine erste Wahl!“ Damit war es beschlossene Sache: Ingeborg ist Simons Wunschoma!

Auf genau solche Verbindungen hat Jennifer Sniegon, Koordinatorin von „Gesund leben im Quartier“, gehofft, als sie im vergangenen Jahr das Projekt „Wunschgroßeltern“ ins Leben gerufen hat. „Wir haben uns gefragt, was wir hier im Mehrgenerationenhaus Bogen machen können, um Generationen zusammenzuführen“, erzählt sie. Denn immer mehr Menschen ziehen weg, bauen sich an einem anderen Ort ihr eigenes Leben mit Kindern auf, sodass die Großeltern nicht mehr Teil des Alltags sind. So war es auch bei Simons Mutter Julia. „Meine Mama wohnt in Bielefeld und wir sehen uns nur alle zwei Monate.“

Mit der Wunschoma im Kaisergarten

Immerhin dauert die Fahrt von Wesel nach Bielefeld zwei Stunden, wobei sich das für Simon immer eher anfühlt wie „ein ganzer Schultag!“ Doch wie sie überhaupt auf das Projekt „Wunschgroßeltern“ aufmerksam geworden sind, darüber muss Julia kurz nachdenken... „Wir haben ein Plakat gesehen!“, hilft Simon ihr auf die Sprünge. Ach nee, oder war‘s doch ein Flyer, der bei der Ferienaktion im Mehrgenerationenhaus herumlag? Egal, auf jeden Fall stand für den Achtjährigen, der große Familien und viel Trubel mag, sofort fest: „Es ist doch gut, noch jemanden zu haben.“

Jennifer Sniegon vom Mehrgenerationenhaus Bogen koordiniert das Projekt „Wunschgroßeltern“ in Wesel.
Jennifer Sniegon vom Mehrgenerationenhaus Bogen koordiniert das Projekt „Wunschgroßeltern“ in Wesel. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Und auch Julia war von der Idee sofort angetan, dass ihr Sohn noch eine weitere Bezugsperson dazugewinnt. Zusammen können sie zum Spielplatz, in den Freizeitpark oder, wie erst vor wenigen Tagen, zum Kaisergarten. „Darf ich erzählen?“, fragt Simon aufgeregt. Klar! „Da bin ich mit dem Roller über die Brücke gefahren, das war eine ganz steile Sache! Danach musste ich erstmal auf Ingeborg warten.“ Die 69-Jährige nickt. „Ja, weil ich nicht so schnell hinterhergekommen bin.“ Solche Ausflüge können zwar auch mal anstrengend werden, das gibt sie zu, „aber sie sind doch auch immer schön.“

Win-Win-Situation für Klein und Groß

„Man fühlt sich wieder in die eigene Kindheit zurückversetzt“, sagt Ingeborg, die keine eigenen Enkelkinder und dafür nun eben einen absoluten Wunschenkel hat. „Und für die Kinder ist es ja auch schön, deshalb ist es eine Win-Win-Situation.“ Seit September treffen sie sich jedes zweite Wochenende, manchmal holt Ingeborg auch Simon von der Schule ab. Als er dort allerdings von seiner Wunschoma erzählte, haben ihm seine Freunde erst nicht geglaubt... „Deshalb bin ich zur Weihnachtsfeier mitgekommen und habe gesagt: ‚Guck mal, mich gibt‘s doch!‘“, erzählt sie. Da haben die anderen aber gestaunt!

Ingeborg, Simon und Julia sind eine „Wunschfamilie“ - gefunden haben sie sich über das Projekt „Wunschgroßeltern“ in Wesel.
Ingeborg, Simon und Julia sind eine „Wunschfamilie“ - gefunden haben sie sich über das Projekt „Wunschgroßeltern“ in Wesel. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Mittlerweile ist Ingeborg in der Schule richtig beliebt, „seit ich einmal Bonbon-Ketten mitgebracht habe“, sagt sie und lacht. Ja, so eine Wunschoma ist etwas Tolles, das findet nicht nur Simon, sondern können nun eben auch seine Freunde bestätigen. Während es bei ihnen vor allem darum geht, dass sie gemeinsam Zeit verbringen, können „Wunschgroßeltern“ aber auch noch andere Aufgaben übernehmen. „Für manche Familien sind sie eine Entlastung, wenn sie beispielsweise das Kind von der Schule abholen“, weiß Jennifer Sniegon. „Oder weil Omas und Opas manche Sachen besonders gut können.“

Wunschgroßeltern gesucht!

Oder, auch solche Fälle kennt die Koordinatorin: „Manche Familien haben schon gesagt, dass sie auch ins Seniorenzentrum kommen könnten, weil sie wiederum etwas den Älteren zurückgeben möchten.“ Der Austausch der Generationen funktioniert eben auf immer unterschiedliche, ganz individuelle Weise. Grundsätzlich können alle bei dem Projekt mitmachen, „wobei die meisten Wunschgroßeltern gerade in Rente sind und nach neuen Aufgaben suchen.“ Tatsächlich ist sie aktuell auf der „dringenden Suche“, wie sie sagt, nach potenziellen Wunschgroßeltern. „Bei uns melden sich jede Woche ein bis drei Familien.“

Wunschgroßeltern werden – oder finden

Als „Wunschgroßeltern“ können sich Einzelpersonen oder Paare ab 50 Jahren aus Wesel melden, die Kindern gerne Zeit schenken möchten. Beim Projekt mitmachen können Familien oder Alleinerziehende mit Kindern aus Wesel.

Das Kennenlernen der Wunschgroßeltern und Familien findet bei einem Spiel- und Bastelnachmittag statt. Ist das passende Gegenstück gefunden, können die Wunschfamilien selbst entscheiden, wie sie das Miteinander gestalten möchten.

Für Wunschgroßeltern findet jeden dritten Mittwoch im Monat um 10 Uhr ein Stammtisch im Mehrgenerationenhaus Bogen, Pastor-Janßen-Straße 7 in Wesel, statt.

Interessierte können sich bei Jennifer Sniegon melden unter 0281/9523852 oder per E-Mail an sniegon@skfwesel.de. Weitere Informationen sind online zu finden unter www.skf.wesel

Simon und Ingeborg sind zumindest glücklich, dass es bei ihnen sofort geklappt hat, als es um Wurst ging. Ist das eigentlich auch sein Lieblingstier, wie es im Lied heißt? Er schüttelt den Kopf. „Meerschweinchen!“ Das sind auch seine Haustiere, die er Ingeborg gleich beim zweiten Treffen gezeigt hat... und die noch etwas toller sind als die „grüne Bratwurst“.