Dinslaken. Nach vier Jahren im Mehrgenerationenhaus Gepardin steht fest: Das Konzept des gemeinschaftlichen Wohnens geht auf. Was dahinter steckt.
Im Gemeinschaftsraum ist schon alles vorbereitet. Die belegten Brötchenhälften liegen hübsch drapiert auf den Tellern, die beiden Kaffeekannen sind ordentlich gefüllt… „Greifen Sie zu!“ Hier, im Mehrgenerationenhaus Gepardin, sollen sich alle wohlfühlen – Gäste, aber natürlich vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner selbst. 26 Menschen leben aktuell in dem Haus mit 18 Wohnungen, wobei, sind es wirklich 26? Marianne Lauhof muss mal eben nachrechnen: „22 Erwachsene und dann noch die Kinder...“ Doch, es müssten 26 sein! Der Jüngste ist sechs, die Älteste ist um die 70 Jahre alt. Und genau das ist auch schon das Besondere des Wohnprojekts, wie sie betont: „Hier leben Menschen unterschiedlichen Alters und verschiedener Kulturen zusammen.“
Damit ist Gepardin, was für „Gemeinsam partnerschaftlich leben und wohnen in Dinslaken“ steht, einmalig in der Stadt. Und manchmal können die Gründungsmitglieder – zu denen unter anderem Marianne Lauhof oder auch Marlies Simon gehören – selbst noch nicht glauben, auch vier Jahre nach ihrem Einzug nicht, dass sich ihre anfängliche Idee so schnell in ein funktionierendes Modell verwandelt hat… Wenn sie erzählen sollen, wie sie vorher gewohnt haben, dann ähneln sich ihre Geschichten. Beide lebten in Häusern, die nach dem Auszug der Kinder viel zu groß für sie geworden waren, beide waren begeistert von einem Ausflug nach Bonn, bei dem sie das Wohnprojekt „Wahlverwandtschaft“ kennengelernt hatten. „Das war so anregend, dass ich mir so etwas auch für mich gewünscht habe“, erzählt Marianne Lauhof.
Knifflige Frage
Einziges Problem: In Dinslaken gab es ein solches Projekt nicht. Einzige Lösung: Sie mussten es selbst in die Hand nehmen. Also gründeten mehrere Gleichgesinnte 2016 einen Verein und schrieben ein Konzept. „Wir wussten ja, was wir wollten“, sagt Marianne Lauhof. „Eine generationenübergreifende Wohnform mit 18 bis 30 Wohneinheiten, also relativ klein.“ Außerdem, das war ihnen wichtig, sollte es Gemeinschaftsräume und einen Gemeinschaftsgarten geben. Mit ihren Plänen wandten sie sich an die Stadt und die Wohnbau… um erstmal auf viel Skepsis zu stoßen. „Niemand kannte so etwas, aber wir haben sie mit unserem Konzept überzeugt.“ Und dass die Wohnbau ihnen dann auch noch so schnell das Mietobjekt an der Helenenstraße, das sich gerade im Bau befand, zur Verfügung stellte, war ein Glücksfall.
Nun ging’s nur noch darum, wer überhaupt alles einziehen sollte. Eine ganz schön knifflige Frage… „Für die wir uns von der Wohnbundberatung NRW haben beraten lassen“, erzählt Marianne Lauhof. Regelmäßig lud die „Kerngruppe“, die aus sieben Leuten bestand, Interessierte ein und das waren viele, sehr viele. „Die meisten konnten sich gar nicht vorstellen, was ein Mehrgenerationenhaus ist.“ Deshalb mussten sie erstmal erklären: Dass es zwar um aktive Nachbarschaft geht, aber nicht um individuelle Pflege. „Wir sind keine Senioreneinrichtung!“ Dass sie zwar echte Gemeinschaft leben wollen, aber jeder seine eigene Wohnung hat. „Das Verhältnis von Nähe und Distanz muss ausgewogen sein.“ Dass zwar vieles auf Freiwilligkeit beruht, aber es auch einige Pflichten gibt. „Zu den monatlichen Treffen müssen alle kommen.“
Gemeinsame Aktionen
Was bei den Treffen besprochen wird? „Da gibt’s immer eine dicke Tagesordnung“, antwortet Marianne Lauhof. Der gemeinsame Alltag in einem großen Haus organisiert sich schließlich nicht von allein. „Wobei viele Aufgaben feststehen“, sagt Barbara Kiebart. „Das Hausputzen ist zum Beispiel nicht so meins“, wirft Gerda Schäfer ein und lacht. Macht aber nix! Dafür erledigt sie dann eben anderes. Langweilig wird’s zumindest nie, das liegt auch an den vielen Aktivitäten, die sie regelmäßig planen. Sei es der Ausflug ins Museum, das Treffen der Kreativgruppe oder auch nur das Frühstücken am Samstag… Aber, das betont Marlies Simon: „Es gibt keinen Zwang! Das war vorher meine Befürchtung. Aber nur die, die Lust haben, machen mit.“
Dass ihr Konzept aufgeht, zeigt sich unter anderem an der – nicht vorhandenen – Fluktuation im Haus. Nur eine Familie haben sie bislang „verloren“, wie Marianne Lauhof es formuliert, aber das auch nur, weil sie jobbedingt in eine andere Stadt ziehen musste. Dafür lebt nun eine ukrainische Familie bei ihnen. „Das ist manchmal eine Herausforderung“, gibt sie zu. Kulturell und sprachlich bedingt, doch auch mit ihnen klappt das Zusammenleben immer besser, „weil gerade Marlies den Kontakt zur Familie hält.“ Ja, sie sind langsam zu einer richtigen Gemeinschaft zusammengewachsen – die übrigens auch zusammen Weihnachten feiert. Diejenigen, die Heiligabend nicht mit der Familie zusammen sein können oder möchten, treffen sich im Gemeinschaftsraum, um gemeinsam zu kochen, zu wichteln, zu plaudern. Ganz gemütlich.
>>> Mehrgenerationenhaus Gepardin in Dinslaken
Aktuell sind keine Wohnungen im Mehrgenerationenhaus Gepardin in Dinslaken frei. Dennoch finden regelmäßig Treffen für Interessierte statt, die sich potenziell eine solche Wohnform vorstellen können. Weitere Informationen gibt’s online unter www.gepardin.de