Voerde. Sabine Friemond hat einen neuen Krimi geschrieben. In „Hitzewelle“ gibt‘s einen mysteriösen Mordfall, der bis zur Mehrumer Gilde führt.
Draußen ist es gerade bitterkalt, aber drinnen, in der Buchhandlung Lesezeit, wird es einem gleich muckelig warm. Und das liegt nicht nur an der aufgedrehten Heizung... „Hitzewelle“ heißt der neue Krimi von Sabine Friemond, die neben der Freude am Verkauf von Büchern längst auch die Leidenschaft fürs Schreiben von Geschichten für sich entdeckt hat. In ihrem fünften Werk wird es regional, mysteriös, spannend... und eben auch ganz schön heiß.
Frau Friemond, kommen beim Lesen von „Hitzewelle“ tatsächlich warme Gedanken auf?
Auf jeden Fall! Die Geschichte spielt in Mehrum während eines heißen Sommers und die Hitze lähmt jeden Gedanken. Das spiegelt sich auch im Fall wider. Sobald die Ermittler einen Stein aufdecken, finden sie immer mehr Verdächtige und das ist ziemlich anstrengend. Aber am Ende deutet sich auch ein befreiendes Gewitter an...
Alles beginnt mit einem erhängten Ehepaar... ganz schön grausig! Sind Sie manchmal selbst von sich überrascht, auf welche Ideen Sie kommen?
Nein (lacht). Ich möchte mich bewusst vom Cosy Crime, also von Kuschelkrimis, abgrenzen. Wobei, das muss ich auch sagen, Regionalkrimis natürlich immer etwas cosy sind. Ich spiele nicht, wie beispielsweise Sebastian Fitzek, mit super grausigen Details. Der Tod durchs Erhängen ist aber schon allgegenwärtig, nur die allzu schlimmen Details lasse ich eben aus. So fällt der Nachbarin bei ihrer Morgenzigarette auf, dass es viel zu ruhig ist. Ihr Blick fällt aufs Haus nebenan, wo der Nachbar nicht wie sonst hektisch die Blumen gießt. Daraufhin öffnet sie langsam die Tür... und dann geht das Kopfkino los.
Wovon lassen Sie sich inspirieren?
Von allem. Ich könnte auch aus Ihnen, wie Sie hier vor mir sitzen, eine Geschichte machen(lacht).
Oh oh...
Nee, aber wirklich: Ich versuche mir anzutrainieren, dass ich alles sofort aufschreibe oder – weil man ja nicht immer Stift und Zettel zur Hand hat – meinem Mann eine Sprachnotiz zu schicken. Dann muss ich nur schnell hinterherschieben, dass es nicht der Einkaufszettel ist, sondern eine Buchidee... Zum Beispiel war mal eine alte Dame im Laden, die einen schönen Krimi kaufen wollte. Ich habe ihr dann nette Regionalkrimis gezeigt, woraufhin sie nur abwinkte. Das sei doch alles langweilig und ob Sebastian Fitzek nicht mal wieder etwas Neues geschrieben hätte. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet! Diese alte Dame kommt irgendwann auch mal in einem meiner Bücher vor...
Tauchen manche Menschen aus dem echten Leben auch schon jetzt als Charaktere in den fiktiven Geschichten auf?
Ja, weil bestimmte Charaktere einfach spannend für die Ermittlungen sind. Pastoralreferent Markus Gehling beispielsweise gibt‘s wirklich und in meinen Büchern ist er mit der Pastorin Christin Erlenbeck befreundet. Solange er nicht sagt, dass es ihm langsam reicht, wird er auch weiterhin mitspielen.
Wieso haben Sie sich ausgerechnet eine Pastorin als Protagonistin ausgesucht?
Weil sie einen guten Spagat schafft zwischen dem, was die Leute ihr anvertrauen, und dem, was ihr moralischer Kompass besagt. Dadurch kann sie Informationen verknüpfen, die beispielsweise die Polizei nie zusammenbringen würde. Außerdem handelt sie bedächtig und ist sehr empathisch.
In „Hitzewelle“ führen die Spuren zur Mehrumer Gilde. Was hat es damit auf sich?
Vor drei Jahren hat mich jemand gefragt, ob ich die Mehrumer Sterbegilde kenne. Wobei, den Namen gibt‘s schon lange nicht mehr, aber eben immer noch die Mehrumer Gilde. Das wusste ich bis dahin aber auch alles nicht. Deshalb habe ich angefangen zu forschen und tatsächlich steckt dahinter eine spannende Geschichte: Die Ursprünge der Gilde liegen im Dunkeln. Früher gab es einige Geheimbünde und Bruderschaften, die Gilde könnte daraus entstanden sein, auf jeden Fall lag ihr Hauptaugenmerk dann immer auf konkrete Hilfe und Verbesserung der Lebensumstände. Als sich beispielsweise im 16./17. Jahrhundert der Rhein verlagert hat und die Bauern nicht mehr zu ihren Kühen auf den Feldern kamen, hat die Gilde für sie extra ein Milchschiff eingerichtet. Oder aber, wenn einer gestorben ist und die Familie in Not war, hat sie die Beerdigung und den Leichenschmaus bezahlt. Heute ist der zentrale Punkt der Mehrumer Gilde aber eher die Heimatpflege.
Immer wieder springen Sie in den Zeiten. Wieso lässt Sie die Vergangenheit nie so ganz los?
Weil ich das so spannend finde! Die Landschaft bei uns ist ja traumhaft schön, aber früher ging hier mal richtig die Post ab. Auf den mittlerweile so idyllischen Höfen waren Zwangsarbeiter stationiert und überall sind Panzer durchgerollt. Das muss man sich schon bewusst machen und jetzt gibt‘s noch die Generation, die als Kinder all das erlebt hat. Deshalb spreche ich auch immer wieder mit Zeitzeugen, damit die Vergangenheit nicht in Vergessenheit gerät.
Nun sind Sie nicht nur Autorin, sondern auch Buchhändlerin. Empfehlen Sie manchmal auch Ihre eigenen Bücher?
Ich biete meine Bücher nie zuerst an, sondern nur, wenn ich merke, dass es auch wirklich passt. Aber auch dann verrate ich nicht, dass sie von mir sind. Nur, wenn die Kunden fragen, wie die Bücher denn sind, sage ich, dass ich befangen bin.
Wann passiert der nächste, natürlich nur fiktive, Mord in Voerde?
Gerade erst habe ich ganz konkret mit den ersten Recherchen angefangen und langsam wächst die Geschichte. Ich habe ja noch einige Stadtteile, die noch nicht in meinen Büchern vorgekommen sind: Stockum, Ork, Emmelsum oder auch Holthausen und Löhnen... Aber ich muss noch gucken, wo ich die Geschichte ansiedeln werde.
Alle Infos zum Regionalkrimi „Hitzewelle“
Nach „Hochbahn“, „Teufelskuhle“, „Tendering“ und „Brandmal“ hat Sabine Friemond nun den fünften Band rund um Pastorin Christin Erlenbeck geschrieben: „Hitzewelle“ spielt wie schon die Bücher zuvor in Voerde, dieses Mal aber in Mehrum: Die Nachbarin findet die Leichen eines alten Ehepaares. Zunächst geraten die drei Kinder der Toten in den Fokus der Ermittlungen, doch dann deuten einige Spuren auf die „Mehrumer Gilde“, eine jahrhundertealte Gemeinschaft, der fast alle Bewohnerinnen und Bewohner des Ortes angehören...
Sabine Friemond: Hitzewelle, 357 Seiten, KBV, 15 Euro.
Falls nach der „Hitzewelle“ doch noch jemand Lust auf Winterstimmung hat – welches Buch würden Sie empfehlen?
Ich mag selbst auch Krimis und habe gerade „Schneefieber“ von Giles Kristian gelesen. Darin geht‘s um einen Vater und eine Tochter, die zusammen eine Schneewanderung durch Norwegen machen. Als sie für eine Nacht in der Hütte eines Ehepaares unterkommen, tauchen plötzlich fremde Männer auf und bringen das Paar um. Vater und Tochter müssen vor den Mördern fliehen... Eine spannende Geschichte! Beim Lesen wurde mir nur so kalt, dass mir mein Mann immer wieder die Hände massieren musste (lacht).