An Rhein und Ruhr. Die Rheinische Landeskirche muss weiter sparen: Inflation und Energiekosten treiben die Ausgaben nach oben, die Steuereinnahmen hingegen sinken.
Die Rheinische Landeskirche muss im laufenden Jahr mit deutlich weniger Kirchensteuer auskommen als erwartet. Statt 764 Millionen Euro Einnahmen aus der Kirchensteuer werden es nur rund 719 Millionen sein – ein so nicht erwarteter Rückgang um rund sechs Prozent. Ein Minus in ähnlicher Größenordnung zeichnet sich auch für 2024 ab.
Angesichts der angespannten Haushaltslage müssten alle Beteiligten überlegen, in welchen Bereichen gekürzt werden könne. „Sie müssen jetzt kürzen oder sie müssen an Rücklagen gehen und nur dadurch kriegen sie überhaupt ihre Ausgaben gedeckt“, so der Finanzchef der Evangelischen Kirche im Rheinland, Henning Boecker. Wegen der hohen Inflation sowie gestiegener Personal- und Energiekosten werde „ein echtes Loch“ entstehen.
Weniger Mitglieder, höhere Kosten
Der Rückgang der Finanzkraft treffe alle kirchlichen Ebenen, die auch gestiegene Ausgaben etwa durch höhere Energiekosten zu spüren bekämen. Hauptgrund für den Einnahmerückgang ist laut Boecker die wirtschaftliche Entwicklung, die sich stärker auswirke als der Mitgliederrückgang. Trotz hoher Austrittszahlen habe die Kirche bisher immer noch ein Wachstum bei den Steuereinnahmen verzeichnet. Erst ab 2025, wenn sich die Wirtschaft erhole, sei eventuell mit einer finanziellen Entspannung zu rechnen.
Die Frage, wo gespart wird, müssen in der Rheinischen Landeskirche die Gemeinden in aller Regel selbst lösen. Anders als in vielen anderen Landeskirchen gehen die Steuereinnahmen zunächst an die Gemeinden vor Ort, von dort werden 20 Prozent an die Landeskirche abgeführt für übergeordnete Aufgaben in Seelsorge und Verwaltung. Zudem gibt es einen gewissen finanziellen Ausgleich zwischen Gemeinden mit eher einkommensschwachen Einwohnern und jenen mit wohlhabenderen evangelischen Christen.
Mehr Kirchengebäude aufgeben?
Die Landeskirche rechnet damit, dass sich das Defizit vor allem in Diskussionen um Erhalt, Sanierung und Aufgabe von Gebäuden niederschlägt. Bereits in der Vergangenheit hatte Präses Thorsten Latzel betont, dass die Landeskirche sich einsetzen wolle für möglichst energieeffiziente Gebäude. Zudem sei eine Hauptfrage, wie Gemeinden und andere kirchliche Orte auch mit weniger finanziellen und personellen Möglichkeiten attraktiv gestaltet werden können, so die Kirchenleitung.
Wegen der sinkenden Mitgliederzahlen wird die Evangelische Kirche im Rheinland zudem die strengen Regeln für Gottesdienste, Taufen und das Abendmahl liberalisieren. „Wir stärken die Reformprozesse auf allen kirchlichen Ebenen“, sagte Präses Latzel. Konkret sollen etwa die Regeln für Gottesdienste und Amtshandlungen wie Taufen, Trauungen und Abendmahl gelockert werden.
Es gehe darum, den Gemeinden vor Ort mehr Freiheit zu geben und zeitgemäße Lösungen zu erlauben, die der Lebensrealität entsprechen, sagte der leitende Jurist der Landeskirche, Vizepräsident Johann Weusmann. Er erwartet bei der Synode lebhafte Diskussion über dieses „sensible Thema“. So sollen Hochzeiten außerhalb der Wohnortgemeinde einfacher werden.
Aber auch das Gremienwesen einschließlich der Synodenstruktur soll auf den Prüfstand kommen. Zu den Liberalisierungen gehört unter anderem, dass auch Kinder evangelisch getauft werden, deren Eltern nicht der evangelischen Kirche angehören, „wenn die christliche Erziehung gewährleistet ist“, sagte Vizepräsident Johann Weusmann.
Bisher gilt die Regel, dass eine Taufe zu verweigern ist, wenn beide Eltern nicht der evangelischen Kirche angehören. Dies gelte auch, wenn die Eltern aus der Kirche ausgetreten seien und werde keinesfalls mit Erwartungen an einen Wiedereintritt oder eine wie auch immer geartete Sonderzahlung verknüpft, so der Sprecher der Rheinischen Landeskirche, Daniel Meier.
Ausgetretene dürfen ihre Kinder taufen lassen
Dies sei aber durchaus kontrovers diskutiert worden. Im vergangenen Jahr hatte es beispielsweise vehemente Kritik an der Hochzeit von Bundesfinanzminister Christian Lindner mit der Journalistin France Lehfeldt gegeben. Beide sind aus der Kirche ausgetreten, feierten aber dennoch auf Sylt eine medial groß inszenierte, evangelische, kirchliche Trauung. Unter anderem Theologin Margot Käßmann hatte seinerzeit kritisiert, dass so kirchliche Räume, „in denen Christen Gott die Ehre geben, zu billigen Eventlocations“ werden.
Zudem können Kirchengemeinden künftig neue Gottesdienstzeiten und -formate festlegen, ohne sich vorher eine Genehmigung durch den Kreissynodalvorstand holen zu müssen. Am Abendmahl dürfen künftig alle Getauften teilnehmen. Bislang dürfen das Abendmahl nur konfirmierte Personen empfangen – hier fällt die Altersgrenze. Es liege im Ermessen des jeweiligen Pfarrers oder der Pfarrerin, das altersgemäß zu vermitteln – und bei Minderjährigen Traubensaft statt Wein zu reichen.
Entscheidungen fallen im Januar
Die Entscheidungen zum sogenannten „Lebensordnungsgesetz“ sollen auf der Synode der Landeskirche gefällt werden, die vom 14. bis zum 19. Januar in Düsseldorf ausgerichtet wird. An einem „Workshoptag“ geht es dort unter anderem um religiöse Bildung in Familien, Nachwuchsgewinnung, Mitgliederbindung, Glauben im Alltag, neue Gemeindeformen und eine andere Gestaltung von Presbyterien.
Die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland ist das oberste Leitungsgremium der mit mehr als 2,2 Millionen Mitgliedern zweitgrößten Landeskirche in Deutschland. Die Zahlen sind rückläufig. Die Synode hat derzeit 198 stimmberechtigte Mitglieder aus den 37 Kirchenkreisen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und im Saarland.