An Rhein und Ruhr. Das Land NRW mausert sich zum Tourismusstandort. Die Zahl der Übernachtungen liegt 2023 über dem Vor-Corona-Niveau. Was das Gastgewerbe sorgt.
Rekordzahlen
- 54 Millionen Übernachtungen 2023, mehr als vor Corona
- Starker Zuwachs in NRW bei inländischen Gästen
- Gastgewerbe hat Sorgen – Liquiditätssorgen bei jedem vierten Betrieb
- Digitalisierung als Chance – mehr Service für Kunden
Der Tourismus in Nordrhein-Westfalen boomt: Wie Wirtschaftsstaatssekretärin Silke Krebs berichtet, wird die Zahl der Übernachtungen im Land 2023 das Vor-Corona-Niveau nicht nur erreichen, sondern sogar deutlich übertreffen. „Wir erwarten insgesamt 54 Millionen Übernachtungen in diesem Jahr, 2019 waren es noch 53,3 Millionen“, berichtet Krebs von der Trendfortschreibung der bisherigen Zahlen für dieses Jahr. „NRW ist auf Erfolgskurs“, merkt sie an. „So viele Übernachtungen gab es noch nie!“
Touristen kehren nach den Lockdowns zurück
Bei den schon gesichert vorliegenden Zahlen aus den ersten drei Quartalen 2023 zeigt sich: Die Touristen kehren nach Pandemie-Jahren mit Lockdowns und Reisebeschränkungen in Scharen zurück nach Nordrhein-Westfalen. Für den Zeitraum von Januar bis September lagen die Übernachtungszahlungen im Jahresvergleich 15 Prozent über denen aus 2022 und 1,4 Prozent über denen von 2019.
„Da sind wir dem Bundesschnitt voraus“, betont Staatssekretärin Krebs. So lagen die Übernachtungszahlen in Deutschland insgesamt noch knapp 1,2 Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019. „Besonders stark war der August, dort konnten wir 5,2 Millionen Übernachtungen in unserem Land verzeichnen.“
NRW wird zum Ganzjahresziel für Touristinnen und Touristen
Krebs sieht Nordrhein-Westfalen auf dem besten Wege dahin, ein Ganzjahresziel für verschiedene Touristengruppen zu werden. „Sowohl die Übernachtungszahlen in den größeren Städten ziehen an als auch die in Regionen wie dem Münsterland oder dem Niederrhein.“
Es sei schön zu sehen, dass die Gastbranche nach harten Jahren (Pandemie, steigende Energie- und Lebensmittelpreise) nun diese Zahlen vermelden könne. Städtetrips seien gefragt, aber auch längere Familienurlaube. „Zudem kehren die Geschäftsreisenden zurück nach NRW.“
Inländische Touristen sorgen für enorme Zuwächse
Woher die enormen Zuwächse bei den Übernachtungen stammen? „Es sind vor allem inländische Touristen, die verstärkt NRW für sich entdecken“, erklärt Heike Döll-König, Geschäftsführerin des Branchenverbands Tourismus NRW. Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2019 kamen zwischen Januar und Juni 2023 knapp 34 Prozent mehr deutsche Übernachtungsgäste ins Land.
„Bei internationalen Übernachtungsgästen liegen wir noch unter dem Niveau von 2019“, so Döll-König. Zwischen Januar und September 2023 gab es verglichen mit dem gleichen Zeitraum 2019 ein Minus von 5,6 Prozent. Verglichen mit dem gleichen Zeitraum 2022 gab es ein Plus von 30 Prozent. „Der Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2022 zeigt, dass hier die ‚Aufholjagd‘ läuft.“
IHK: Geschäfte laufen nicht überall gut
Trotz der Rekordzahlen bei den Übernachtungen spricht die Hauptgeschäftsführerin der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, Petra Pigerl-Radtke, eher reserviert von einer „zufriedenstellenden Situation“ im Gastgewerbe. „Die aktuelle Konjunkturumfrage der Branche in NRW belegt, dass sie sich allmählich von der Krise erholt“, so Pigerl-Radtke, die Themenverantwortliche für den Tourismus in der IHK NRW ist.
Die realen Umsätze im Gastgewerbe bleiben weiterhin im Minus. In den ersten neun Monaten 2023 lagen sie in den Beherbergungsbetrieben verglichen mit dem gleichen Zeitraum 2019 laut Statistischem Landesamt (IT.NRW) um zwölf Prozent niedriger. In der Gastronomie fiel das Minus mit 15 Prozent noch größer aus.
Demnach bestünden enorme Herausforderungen. Steigende Preise für Nahrungsmittel und Energie sowie der Personalmangel (Pigerl-Radtke: „Es geht explizit nicht nur um Fachkräfte, sondern Personal insgesamt.“) und steigende Lohnkosten hinterlassen Spuren.
Drei Viertel der Unternehmen klagen über höhere Kosten, ein Viertel geht davon aus, Stellen abbauen zu müssen, da diese sowieso nicht besetzt werden könnten. „Jeder dritte Betrieb im Gastgewerbe geht davon aus, dass sich seine Situation verschlechtern wird“, zitiert sie aus der Konjunkturumfrage. „In etwa jeder vierte Betrieb befürchtet zudem Liquiditätsengpässe.“
Digitalisierung als großes Thema mit vielen Chancen
Die Digitalisierung könne ein wichtiger Hebel sein, dem Kostendruck entgegenzuwirken, aber auch mehr Service für Kundinnen und Kunden anzubieten. Dabei gebe es aber fast schon so etwas wie eine Klassengesellschaft. „Wir erleben hier zwei unterschiedliche Geschwindigkeiten“, merkt Heike Döll-König an.
Während viele Betriebe schon sehr weit seien, würden andere noch an den Grundlagen arbeiten. Die Tourismusorganisationen im Land gehen davon aus, dass nicht einmal jeder zweite touristische Betrieb in Nordrhein-Westfalen online buchbar ist. Gerade Kleinstbetrieben fehle es eigenen Angaben zufolge an zeitlichen Freiräumen und klaren Rollen für die Digitalisierung.
Dabei böten sich viele Chancen. „Die Kundinnen und Kunden wollen möglichst einfach abfragen, wie Öffnungszeiten aussehen oder schon eine spezielle Essensbestellung mit Wünschen aufgeben.“ Mehrwert könnte es zudem bieten, die aktuelle Witterung abzubilden.
Wirtschaftsstaatssekretärin Silke Krebs weist auf Fördermöglichkeiten hin. „Speziell für das Gastgewerbe gibt es das Projekt der Digitalcoaches. Sie bieten gerade den kleinen und mittleren Betrieben Hilfe, um aus der Vielzahl an digitalen Lösungen und Anwendungen individuell Maßnahmen für sich zu identifizieren. Damit sollen Unternehmerinnen und Unternehmer motiviert und unterstützt werden, ihre Geschäftsmodelle zukunftsfest zu machen.“
Datenprojekt soll mit mehreren Millionen Euro gefördert werden
Um die digitale Transformation im nordrhein-westfälischen Tourismus voranzutreiben, hat Tourismus NRW gemeinsam mit seinen regionalen Partnern unter dem Titel „Tourismus Data Intelligence Initiative NRW“ ein Projekt zur EFRE-Förderung eingereicht. Im Juni hatte ein Gutachtergremium das Projekt bereits zur Förderung empfohlen. Mit dem Projektstart rechne der Verband Anfang 2024.
Insgesamt haben die Projektpartner Fördergelder in Höhe von 3,6 Millionen Euro vom Land und der EU beantragt. Das Projekt soll dabei helfen, die hiesige Tourismusbranche zukunftsfest zu machen. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz sei im Tourismus unter anderem bei Chat- oder Telefonbots zur Beantwortung von Anfragen, dem Vorschlagen passgenauer Angebote, in Servicerobotern, bei der zielgruppengenauen Texterstellung sowie in der Automatisierung von Verwaltungsaufgaben denkbar.