Wesel. Im Hotel Tannenhäuschen in Wesel gibt es seit einem Jahr die Vier-Tage-Woche. Der Hoteldirektor zieht nun Bilanz – nicht alles läuft reibungslos.
Offene Stellen im Hotel- und Gastrogewerbe zu besetzen, stellte in der Nach-Corona-Zeit ein schier unlösbares Problem dar. Um für Fachkräfte attraktiv zu sein und sich von Mitbewerbern abzusetzen, startete Dirk Salzsieder, Hoteldirektor vom Tannenhäuschen in Wesel, im vergangenen Jahr mit dem neuen Arbeitszeitmodell, der Vier-Tage-Woche. Nach einem Jahr zieht er Bilanz.
Laut Tarif arbeiten Vollzeitkräfte 40 Stunden pro Woche an fünf Tagen. In der Hotellerie und Gastronomie muss auch am Sonntag Personal bereitstehen. Mit Einführung der Vier-Tage-Woche arbeiten nun die meisten Angestellten im Tannenhäuschen 156 Stunden im Monat an vier Tagen, dann aber neun Stunden pro Tag. Bezahlt werden sie für 169 Stunden im Monat, was einer Lohnsteigerung gleichkommt. Stufenweise führte Dirk Salzsieder die Vier-Tage-Woche in allen Abteilungen bis Januar 2023 ein.
Hotel Tannenhäuschen in Wesel: Vier-Tage-Woche bringt Umstellungen mit sich
„Man muss sich dann aber auch eingestehen, dass eine Vier-Tage-Woche nicht überall umsetzbar ist. Beispielsweise in der Haustechnik. Wir haben gelernt, dass wir flexibel reagieren müssen“, sagt er im Gespräch mit der Redaktion. So habe sich gezeigt, dass im Bereich Housekeeping, also dem Zimmerservice, neun Stunden zu putzen oftmals zu anstrengend sei.
„Wir hatten den Bereich Housekeeping erst extern vergeben, doch nach 14 Tagen musste der Dienstleister sich eingestehen, diese Aufgabe nicht stemmen zu können“, erzählt der Hoteldirektor. Es sei dann gelungen, zehn Mitarbeiterinnen dieser Firma selbst einzustellen, dank eines höheren Stundenlohns und flexibler Arbeitszeitmodelle, also der Möglichkeit, vier oder fünf Tage in der Woche zu arbeiten.
Um die Vier-Tage-Woche umsetzen zu können, müssen Prozesse vereinfacht werden, betont der Hotelchef. Denn Urlaubszeiten und Krankenfälle müssen ins Kalkül genommen werden. „Da setzen wir auf Digitalisierung. Beispielsweise bei Telefongesprächen. Wenn sich zwei Personen an der Rezeption um Gäste kümmern, kann es am Telefon zu Wartezeiten führen, was künftige Gäste unter Umständen verärgert“, weiß Salzsieder. Er hat jetzt ein Start-up-Unternehmen, das mit Künstlicher Intelligenz arbeitet, beauftragt, die Telefonie zu übernehmen, etwa die Hälfte der Anrufe können so abgefangen beziehungsweise auf die Internetseite umgeleitet werden.
Auch beim Einkauf lassen sich Vorgänge optimieren. „Bei uns wird täglich frisch gekocht. Aber man kann beispielsweise vorgeschnittene Ware einkaufen“, nennt der Direktor ein Beispiel, das Zeit einspart. Chefkoch und Gastronomieleiter Mattias Teuber unterstützt ihn mit kreativen Ideen, auch was den Personaleinsatz in der Küche betrifft.
Für Eileen Vogt, Mitarbeiterin an der Rezeption, war die Vier-Tage-Woche ein wichtiges Kriterium, als sie sich im Februar im Tannenhäuschen bewarb. „Ich habe immer zwei aufeinander folgende Tage in der Woche und einen weiteren Tag frei, zweimal hatte ich sogar sechs Tage am Stück frei“, berichtet sie. „Es können aus einem Neun-Stunden-Tag bei hohem Gästeaufkommen auch mal zehn Stunden werden, aber das machen die drei freien Tage wieder wett.“ Ihre Kollegin im Front Office, Sophie Lehmann, hat ein eigenes Pferd. „Es ist sehr gut, für mein Hobby mehr Zeit zu haben.“
Zirka 100 Mitarbeiter werden aktuell im Tannenhäuschen beschäftigt. Die Steigerung der Lohnkosten machen allen Betrieben in der Branche zu schaffen. „Mit unserem Mindestlohn von 12,94 Euro, was dem Manteltarifvertrag NRW entspricht, liegen wir gut“, weiß Dirk Salzsieder. Da das große Thema des Wellnesshotels „Achtsamkeit“ ist, die Gäste im Haus erfahren sollen, wie heilsam es ist, etwas für sich selbst zu tun, soll auch das Personal Achtsamkeit erfahren – wie jetzt mit dem Angebot der Vier-Tage-Woche.