Hünxe. „Mein Bild. Dein Bild“ im Pankok-Museum in Hünxe zeigt, wie Widerstand durch Kunst geht. Zu sehen sind u.a. Sinti-Portraits.

Darüber besteht kein Zweifel: Shoah, Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus dürfen sich nicht wiederholen, nie wieder! Die neue Ausstellung „Mein Bild. Dein Bild – Otto Pankok, Ceija Stojka, Valérie Leray“ im kürzlich modernisiert wiedereröffneten Pankok-Museum – Haus Esselt in Hünxe arbeitet genau dafür, zeigt ergreifende Kunst von Betroffenen und Opfern des Nationalsozialismus. Mit einfühlsamen Sinti- und Roma-Portraits des Nazi-verfemten Otto Pankok (1893-1966) neben verstörenden Tusche-Zeichnungen nackter Frauenköper vor SS-Schergen der österreichischen Holocaust-Überlebenden und Romni Ceija Stoika (1933-2013) und stumm-beredten Internierungslager-Fotografien von Valérie Leray (*1975), der Enkelin eines im Konzentrationslager bei Orléans inhaftierten, französischen Sinto/Manouch, findet sich ein unmissverständliches Zeichen wider Hetze und Rassismus, pro Toleranz und Diversität gesetzt.

Ceija Stojka, o. T., 2011, Tusche auf Papier, 40 x 50 cm, Sammlung Kai Dikhas, Foto: Diego Castellano Cano, © Ceija Stojka Estate & Stiftung Kai Dikhas.
Ceija Stojka, o. T., 2011, Tusche auf Papier, 40 x 50 cm, Sammlung Kai Dikhas, Foto: Diego Castellano Cano, © Ceija Stojka Estate & Stiftung Kai Dikhas. © NRZ

Zu sehen ist wie Widerstand durch Kunst geht. Und dass Kunst als Erinnerungskultur funktioniert. Wie kaum ein anderer deutscher Künstler hat Otto Pankok die Conditio humana zusammen mit seiner Frau Hulda und Tochter Eva gelebt: auf dem 1950 erworbenen Alterswohnsitz Haus Esselt in Hünxe-Drevenack, dem heutigen Pankok-Museum, auf dem Düsseldorfer Heinefeld der 1920er/30er Jahre, wo er in einer der größten Stadtrandsiedlungen der Weimarer Republik in einem Hühnerstall malte, seinen berühmten Zyklus „Zigeuner“ in die Welt schickte. Seither gilt der von den Sinti:zze liebevoll „molari“ (Maler) genannte Otto Pankok als wichtigster künstlerischer Chronist des Verfolgungsschicksals der Sinti und Roma, der sich auch nach `45, inzwischen Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie, leidenschaftlich für eine Wiedergutmachung und ihre Anerkennung als rassistisch Verfolgte des Naziregimes einsetzte.

Das Schweigen brechen

Otto Pankok, Aus Auschwitz zurück, 1948, Kohle auf Papier, 99 x 119 cm, Otto Pankok Stiftung, © Otto Pankok Stiftung.
Otto Pankok, Aus Auschwitz zurück, 1948, Kohle auf Papier, 99 x 119 cm, Otto Pankok Stiftung, © Otto Pankok Stiftung. © NRZ

Was ihn antrieb? Das Schweigen, das Wegsehen brechen, Ausgrenzung und Vorurteil beenden, das Fremde im Eigenen, das Eigene im Fremden entdecken. Otto Pankoks Werkzeug dazu? Ist eine Kunst, die sich der Würde des Menschen verschrieb: expressiv, ausdrucksstark, empathisch, jede Linie so wenig abstrakt, wie das Modell, das sie einfing. Unvordenkliche Individualportraits von Ringela und Gaisa, von Dinili und Papelon, der Großmutter Fisili, dem frechen Ausreißer Raklo und der trotzigen Ehra kamen heraus, erzählen vom Leben am Rande der Gesellschaft. So lebendig, dass Ehra 1997 als Skulptur Ehra. Mädchen mit Ball am alten Rheinhafen am Standort des ehemaligen Düsseldorfer Zigeunerlagers Höherweg zur Gedenkstätte wurde – herzensschwer, wider die Ewiggestrigen, für ein gesamtgesellschaftlich zu stemmendes Miteinander.

Vom Niederrhein nach Frankreich

Die Ausstellung wird 2024 in modifizierter Weise im Staatlichen Museum Memorial Rivesaltes in Südfrankreich gezeigt. Im Pankok-Museum in Hünxe ist Mein Bild. Dein Bild bis zum 30. Dezember zu sehen.

Das Pankok-Museum – Haus Esselt, Otto-Pankok-Weg 4 in Hünxe ist im Winter mittwochs bis sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet, montags und dienstags bleibt es geschlossen.

Weitere Infos: 02856754 oder online www.pankokmuseum.eu

Den Finger in die Wunde eigener Vorurteile legen, das vor allem gibt der an der Schnittstelle von Vergangenheit und Gegenwart sensibilisierende Ausstellungsparcours im Pankok-Museum zu leisten auf, in einer Zeit, in der mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und der Hamas auf Israel Krieg in Europa und dem Nahen Osten herrscht. Nicht von ungefähr hatte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ 2020/2021 die Kampagne „Vorsicht Rassismus!“ aufgelegt, um auf den Alltagsrassismus in der deutschen Zivilgesellschaft aufmerksam zu machen. Die Hünxener Ausstellung „Mein Bild. Dein Bild“ setzt dies mit den Mitteln der Kunst fort, ist Brennglas und Seismograph zugleich – eine lehrende Kunstgeschichte für ein Esperanto der Menschlichkeit.