Hünxe. Im Otto-Pankok-Museum in Hünxe ist eine neue Schau gestartet. Gezeigt werden Porträts des Künstlers, die Sinti in einer Armutssiedlung zeigen.

„Otto Pankok hat sich immer für Menschen interessiert, die am Rande der Gesellschaft stehen.“ Mit diesem Satz bringt Leiterin und Kuratorin Dagmar Schmengler die Inhalte der neuen Ausstellung im Otto-Pankok-Museum in Hünxe ziemlich genau auf den Punkt. Die kürzlich eröffnete Schau „Mein Bild. Dein Bild. Valérie Leray, Ceija Stojka, Otto Pankok“ widmet sich vertiefend der Porträtkunst des berühmtem Künstlers und präsentiert die wohl beliebtesten und wichtigsten Motive in seinem Werk: die Porträts der Düsseldorfer Sinti, die vor allem in den 1930er-Jahren entstanden sind.

Es ist eine Ausstellung, die angesichts der vielen Menschen auf der Welt, die unter Verfolgung, Rassismus oder Antisemitismus leiden, auf schreckliche Weise in die aktuelle Zeit passt: Die Nationalsozialisten gingen bei der Verfolgung der Sinti, Roma und Juden bekanntlich maximal radikal dabei vor, die Individualität der Verfolgten mithilfe rassistischer Stereotype und Hetze zu brechen.

Otto-Pankok-Museum in Hünxe zeigt die Sinti als Charaktere

Demgegenüber bilden Otto Pankoks Porträts einen bemerkenswerten Kontrast ab: Sie zeigen Bilder von Menschen mit einem eigenen Charakter. „Durch die Zeichnungen und durch die persönlichen Beschreibungen von Otto Pankok lernen wir die Sinti und Sintizze kennen“, sagt Dagmar Schmengler. „Wir haben uns entschieden mehrere Protagonistinnen und Protagonisten zu zeigen, die einem in der Ausstellung immer wieder begegnen.“ Pankok holte diese an den Rand gedrängten Menschen bewusst in das Aufmerksamkeitsfeld der Betrachter. Die schlimme Realität hinter den schwarz-weißen Bildnissen: Viele der Modelle wurden später Opfer des Holocausts, so dass einige seiner Bilder die letzten Darstellungen zeigen, die es von diesen Menschen gibt.

Es ist die zweite Ausstellung, die seit der Neueröffnung des Pankok-Museums im Mai in Hünxe zu sehen ist. Die sehr einfühlsamen Sinti-Porträts zeigen Bewohnerinnen und Bewohner des Düsseldorfer Heinefeldes, dabei handelt es sich um eine der größten Stadtrandsiedlungen in der Weimarer Republik, heute würde man sie wohl als Slum bezeichnen. Unter einfachen und widrigen Bedingungen lebten dort Menschen, die nicht zur etablierten Stadtgesellschaft gehörten: Arbeits- und Obdachlose, Überlebenskünstler – und vor allem Sinti. Sie lebten in kleinen Häuschen und Hütten, Wohnwagen oder Bretterbuden. Die „wilde Siedlung“ war geprägt von Armut und schlimmen hygienischen Zuständen.

Die Skulptur der Sinti Ehra ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen.
Die Skulptur der Sinti Ehra ist ebenfalls in der Ausstellung zu sehen. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Mitten im Heinefeld im Düsseldorfer Stadtteil Unterrath mietete sich Otto Pankok 1931 ein winziges Atelier, um in Ruhe malen und zeichnen zu können. Hier traf er auf einige Sinti-Familien, die dort lebten und dem Maler ebenso offen und neugierig begegneten wie er ihnen. So wurde Pankok zum Maler der Sinti, ihrem „Molari“, wie sie ihn auf Romanes nannten. Die Sintizze und Sinti wiederum wurden zu Porträtierten – und zu Freunden des engagierten Künstlers.

Otto-Pankok zeigte seine Sinti-Bilder schon 1932 in Düsseldorf

Pankoks Bilder, von denen nun eine Auswahl in Hünxe zu sehen ist, entstanden bis in die beginnende NS-Diktatur hinein und dann wieder nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie dokumentieren das beschwerliche Leben auf dem Heinefeld. Sie zeigen Armut und soziale Not, aber auch Momente der Freude und des gegenseitigen Vertrauens. Immer wieder wurden die Porträts der Menschen aus verschiedenen Generationen in Museen und Galerien gezeigt. Die erste Ausstellung fand schon im Januar 1932 in der Düsseldorfer Kunsthalle statt.

Pankok, der nach 1933 selbst als „entarteter Künstler“ und „Kulturbolschewist“ vom nationalsozialistischen Regime diffamiert und in die innere Emigration getrieben wurde, blieb mit seinen Freunden in Kontakt. Nach 1945 kümmerte er sich mit Nachdruck um deren Wiedergutmachung und stritt leidenschaftlich mit den Behörden. Er wollte, dass die Menschen als rassistisch Verfolgte des Naziregimes anerkannt wurden. In Düsseldorf gibt es heute eine Mahn- und Gedenkstätte für die Sinti.

In der Ausstellung im Otto-Pankok-Museum sind auch Kinderzeichnungen von einigen Sinti zu sehen.
In der Ausstellung im Otto-Pankok-Museum sind auch Kinderzeichnungen von einigen Sinti zu sehen. © FUNKE Foto Services | Erwin Pottgiesser

Die Ausstellung in Hünxe konzentriert sich auf fünf Protagonisten, die auf dem Heinefeld lebten: Ringela und Fisili und Raklo, Ehra oder Gaisa. Ihre Lebensgeschichte wird in erklärenden Texten skizziert. Wer waren die Sinti und Sintizze auf Pankoks Bildern, die dem Künstler vor allem mit deren Romanes-Namen geläufig waren? Wie lauteten deren amtliche Namen und was geschah mit ihnen? Wer von den Männern, Frauen oder Kindern hat den Völkermord an den deutschen Sinti und den europäischen Roma überlebt? Und auf welche Weise starben diejenigen, die verschleppt, zur Zwangsarbeit eingesetzt und ermordet wurden? Antworten auf diese Fragen soll die Schau sichtbar machen.

Hintergrund: So lange ist die Ausstellung im Otto-Pankok-Museum zu sehen

Die aktuelle Ausstellung im Otto-Pankok-Museum ist bis zum 30. Dezember 2023 zu sehen. Ergänzt werden die Arbeiten des Malers durch Werke der österreichischen Holocaust-Überlebenden und Romni Ceija Stojka (1933 bis 2013) sowie durch Fotografien von Valérie Leray, der Enkelin eines inhaftierten Sinto/Manouch in Frankreich. Es ist eine Gegenüberstellung: Die Bilder dieser beiden Künstlerinnen zeigen die Geschehnisse aus der Sicht der Betroffenen als Narrative. Außerdem sind in der Ausstellung auch Kinderzeichnungen von einigen Sinti zu sehen.

Im Februar 2024 werden Teile dieser Ausstellung im Staatlichen Museum Memorial Rivesaltes im Süden Frankreichs zu sehen sein. Einige der Düsseldorfer Modelle von Otto Pankok wurden im Zuge ihrer Deportation in Frankreich interniert und gelangten etwa in das Lager Alliers: An sie soll im Zuge aktuell erfolgter wissenschaftlicher Aufarbeitung erinnert werden. Im Winter hat das Museum mittwochs bis sonntags von 12 bis 17 Uhr geöffnet.