Wesel. Olha Sobkovych kuratiert eine Ausstellung im Weseler Wasserturm. Das Thema: zeitgenössische ukrainische Kunst in Kriegszeiten.

Olha Sobkovych (38) stammt aus Charkiw in der Ukraine. Sie hat in Kiew in Kunstgeschichte promoviert und war dort zehn Jahre lang Kuratorin an einem der bedeutendsten Museen des Landes, dem Nationalen Museum für Kunst. Nach Beginn des russischen Angriffskrieges am 22. Februar 2022 entschied sie, sich bei der Siemens-Stiftung um eine Förderung für eine Mitarbeit am Otto-Pankok-Museum in Hünxe zu bewerben. Es geht dabei um die Mitwirkung an einer Ausstellung von Bildern Otto Pankoks und einiger ukrainischer Künstler, die im Februar 1924 ihre Pforten öffnen wird. Durch Zufall stieß die umtriebige Kunsthistorikerin dann auf den sich gerade gründenden Verein Kunst im Turm Wesel. Der war noch auf der Suche nach einem Ausstellungs-Highlight, mit dem er erstmals an die Öffentlichkeit treten könnte. Die Idee zu „Slawa Ukrajini! Kunst in Zeiten des Krieges“ war geboren. Die von der in ihrer Heimat bestens vernetzten Olha Sobkovych kuratierte Ausstellung ist bis Ende Januar im Wasserturm in der Weseler Innenstadt zu sehen.

Frau Subkovych, Sie haben bereits mit der Ausstellung im Otto-Pankok-Museum gut zu tun. Was reizte Sie am Angebot von „Kunst im Turm Wesel“, nun auch noch ehrenamtlich eine weitere Ausstellung zu betreuen?

Ich kann hier mein Land unterstützen, indem ich den Deutschen die ukrainische Kultur zeige, dass wir sehr schöne Kunst haben und sehr gute Kunstschulen, dass wir sehenswerte Werke schaffen.

Was ist da im Wasserturm gerade zu sehen?

Es handelt sich um zeitgenössische ukrainische Kunst in Kriegszeiten. Ich zeige verschiedene Arten von Kunst – Skulpturen, Grafik, Videokunst. Außerdem sind verschiedene Seiten des Krieges zu sehen. Einige positive, aber auch tragische und dramatische.

Ein Mitarbeiter des Vereins „Kunst im Turm“ hängt ein Bild von Zserhii Zakharov in der Ausstellung „Slawa Ukrajini! Ukrainische Kunst in Zeiten des Krieges“ im Wasserturm in Wesel.
Ein Mitarbeiter des Vereins „Kunst im Turm“ hängt ein Bild von Zserhii Zakharov in der Ausstellung „Slawa Ukrajini! Ukrainische Kunst in Zeiten des Krieges“ im Wasserturm in Wesel. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

In welchem Zeitraum entstanden die ausgestellten Werke?

Sie entstanden im Zeitraum von 2014 bis heute. 2014 besetzte die russische Föderation Teile der Ukraine und begann den Krieg im Osten des Landes.

Wie schlägt sich der Krieg in der ukrainischen Kunstszene nieder?

Viele ukrainische Künstlerinnen und Künstler dokumentieren diesen Krieg. Sie schaffen Kunstwerke, die sich auf militärische Ereignisse beziehen. Diese dokumentarische Seite der Kunst ist wichtig. Außerdem bewahrt die Kunst die ukrainische Kultur und unsere Identität, wenn sie zeitgenössische Kunst mit ukrainischen Traditionen kombiniert, mit Folklore oder byzantinischer Kunst. Das zeigt auch, dass die ukrainische Kultur sehr alt und mit Europa verbunden ist.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Werke der neunzehn Künstlerinnen und Künstler ausgewählt?

Ich habe Künstlerinnen und Künstler aus verschiedenen Regionen ausgewählt. Und ich habe Künstler einbezogen, die Erfahrungen mit der militärischen Auseinandersetzung gemacht haben, beispielsweise in Donezk. Ein Künstler aus Kramartorsk etwa war in Donezk in russischer Gefangenschaft. Ich zeige mehrheitlich Künstlerinnen und Künstler, die in der Ukraine geblieben sind.

Der Wasserturm ist eine sehr spezielle Location. Es ist gar nicht so einfach, dort zu hängen, denn er ist rund. Wie haben Sie das bewältigt? War es vielleicht sogar ein Vorteil?

Ich mag diesen Ort sehr. Es ist ein sehr interessanter Raum, denn er ist nicht wie eine traditionelle Galerie. Und es war interessant, mit diesem Raum zu arbeiten. Man kann ein Thema im Erdgeschoss zeigen und ein völlig anderes im ersten Stock. Gleichzeitig kann man auch die Etagen zueinander in Beziehung setzen. Außerdem ist es ein technisches Denkmal, und es ist cool, eine Verbindung zwischen Kunst und einem Industrie-Gebäude herzustellen.

Sie sind nun zehn Monate in Deutschland und sind in Ihrer Freizeit landauf, landab in Museen unterwegs. Wie unterscheidet sich die deutsche Kunstszene von der ukrainischen?

Ich komme aus der Kunstszene, und ich spreche auch hier die meiste Zeit mit Leuten, die wie ich ständig in Museen auf der ganzen Welt unterwegs sind. Ich mag deutsche Museen, denn es gibt sehr gute Sammlungen, der Aufbau der Ausstellungen ist ebenfalls gut. Ich mag auch, wie in Deutschland ein Dialog zwischen älterer und zeitgenössischer Kunst geführt wird. Wir haben auch gute Sammlungen, aber nach dem zweiten Weltkrieg wurden viele Kunstwerke von Russland gestohlen. Wir bemühen uns, sie zurückzubekommen, aber leider ohne Erfolg.

Ausstellung im Weseler Wasserturm

Die Ausstellung „Slawa Ukrajini! Ukrainische Kunst in Zeiten des Krieges“ ist bis zum 26. Januar 2024 im Weseler Wasserturm, Brandstraße 44, zu sehen.

Näheres über die Öffnungszeiten findet sich unter https://www.kunstimturm-wesel.de

Sie haben bislang in Kiew gearbeitet, einer selbst im Krieg noch pulsierenden Großstadt. Am Niederrhein ist es eher ruhig. Wie gefällt es ihnen hier?

Ich mag kleine Städte genauso gern wie große. Außerdem arbeite ich auch hier mit Kunst, und ich kann neue Erfahrungen machen, und darüber bin ich glücklich.

Ein Blick in die nahe Zukunft: Worum geht es bei der Ausstellung im Otto-Pankok-Museum?

Wir kombinieren deutsche und ukrainische Kunst. Es ist ein Dialog zwischen Otto Pankok und ukrainischen Künstlern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sie haben alle Kriegserfahrung und sie arbeiten zu religiösen Themen, aber auch über Leidenschaft. Obendrein stellen wir auch einen Dialog her zwischen Otto Pankok und zeitgenössischer ukrainischer Kunst.

Und wie sehen ihre persönlichen Pläne aus? Werden Sie bis zum Ende des Krieges in Deutschland bleiben?

Ich weiß es noch nicht. Auf jeden Fall möchte ich dazu beitragen, ukrainische Kunst in Europa bekannt zu machen.