An Rhein und Ruhr. Der Qualitätsbericht des VRR legt Mängel schonungslos offen. Warum Lothar Ebbers (Pro Bahn) von „Verspätungslotterie“ spricht und was er fordert.
Züge an Rhein und Ruhr waren im vergangenen Jahr so unpünktlich wie noch nie. Wie der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) in seinem Qualitätsbericht für den Schienenpersonennahverkehr ausführt, war das Verspätungsniveau noch nie derart hoch wie im Jahr 2022. Fast jede fünfte (genau 18,7 Prozent) aller Regionalbahnfahrten war verspätet, bei den langlaufenden Regionalexpresslinien war es mehr als jede vierte Fahrt. Im Schnitt war jede zehnte Fahrt mit einem RE mit über elf Minuten sogar hochverspätet.
Lothar Ebbers vom Fahrgastverband Pro Bahn spricht von einer „Verspätungslotterie“. Pendlerinnen und Pendler, die in der Region mit dem Zug unterwegs sind, könnten sich nicht sicher sein, ihr Ziel pünktlich zu erreichen. „So gewinnt man keine neue Kunden“, ist er überzeugt. Auch im aktuellen Jahr sieht Ebbers, etwa ausgelöst durch die Baustelle im Kreuz Kaiserberg und daraus resultierenden Streckensperrungen, keine Verbesserungen. „Wir erleben ein einmaliges Niveau bei Verspätungen und Fahrtausfällen.“
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Besonders von Verspätungen betroffen sind nach Angaben des VRR die Linien, die sich Trassen mit Güter- sowie Fernverkehren teilen, in hochbelasteten Korridoren verkehren und durch enge Knotenpunkte wie Köln, Düsseldorf, Essen oder über eingleisige Strecken fahren müssen. Das sind allen voran RB 34 (Mönchengladbach-Dalheim), RE 1 (Aachen-Hamm), RE 2 (Düsseldorf-Osnabrück), RE 5 (Wesel-Koblenz), RE 7 (Rheine-Krefeld) und RE 49 (Wesel-Wuppertal). Bei diesen sechs Linien verkehren über 35 Prozent der Fahrten signifikant zu spät, Fahrgäste verpassen so regelmäßig ihre Anschlusszüge, vermeldet der Verkehrsverbund.
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Die durchschnittliche Verspätung stieg über alle Linien im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr 2021 um 43 Sekunden: Sie betrug im Berichtsjahr zwei Minuten und 36 Sekunden. Gerade in den Monaten Juni, August und im Herbst verkehrten die Linien am unpünktlichsten.
„Wir sehen eine Kombination vor allem aus Personalmangel und den Folgen von Baustellen“, erklärt Ebbers. Der Verkehrsexperte sieht zwar Anstrengungen bei den Bahnunternehmen, mehr Personal einzustellen, nicht immer seien die Maßnahmen aber nachhaltig. „Die Deutsche Bahn verzeichnet zwar Rekordzahlen bei neuen Auszubildenden, aber die Abgangsquote ist eben auch enorm.“ Die Arbeitsbedingungen, hier führt Ebbes relativ hohe Krankenstände als Indiz an, würden viele Beschäftigte dazu bringen, nach einer gewissen Zeit die Branche zu wechseln.
Auf eine der unpünktlichsten Linien, den RE 49 (auch Wupper-Lippe-Express genannt), wirft Lothar Ebbers ein besonderes Augenmerk. „Diese Linie, die Wesel und Dinslaken über Oberhausen mit Mülheim, Essen und Wuppertal verbindet, hat einen hohen Wert.“ Ohne Umstieg, etwa in Oberhausen, gelangen Pendler aus Richtung Niederrhein ins Ruhrgebiet oder ins Bergische.
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Jedoch summierten sich die Verspätungen für die Fahrgäste pro Fahrt im Schnitt auf fünf Minuten und 16 Sekunden. Sogar jede dritte Fahrt sei unvorhersehbar im Jahr 2022 ausgefallen. „Die Linie kann so einfach nicht verlässlich genutzt werden.“
Weitere Probleme sieht Ebbers etwa beim RE 19, der zwischen Düsseldorf und Arnheim (beziehungsweise Bocholt) verkehrt. „Durch die Bauarbeiten auf der Betuwe-Strecke sind Abschnitte nur eingleisig befahrbar.“ Verspätungen seien so programmiert, da im Fahrplan Überschneidungen vorgesehen sind. „Wenn sich zwei Züge begegnen, muss einer warten. Das führt zu weiteren Verspätungen.“
Bessere Notfahrpläne eingefordert
Ebbers fordert bessere Notfahrpläne ein, um kurzfristige Ausfälle zu vermeiden. „Ich würde lieber weniger Verbindungen, dann aber mit höherer Kapazität sehen, wenn Personalengpässe erkennbar sind.“ Überdenken müssten die Verkehrsplaner aus seiner Sicht auch die Situation im Kreuz Kaiserberg. „Aktuell sind hier sowohl die Strecken Duisburg-Oberhausen als auch Duisburg-Mülheim gesperrt. Das ist eine riesige Einschränkung.“ Bei den Sperrungen in den kommenden Jahren (der Ausbau des Autobahnkreuz wird noch Jahre dauern und die anliegenden Bahnstrecken beeinträchtigen) erhofft sich Lothar Ebbers deutlich bessere Lösungen – im Sinne der Bahnpendler.