Neukirchen-Vluyn. Zeitenwende in der Backstube: Brötchen werden längst nicht mehr nachts gebacken. Warum das so ist, zeigt ein Besuch in der Biobäckerei Schomaker.
Kein Brot. Keine Brötchen. Leere Kisten. „Wir dachten morgens um 5 Uhr in der Backstube müssen die Brötchen doch reihenweise frisch aus dem Ofen kommen?“ Ein fragender Blick geht zu Bäckermeister Jens Altherr. Er klärt auf: „Die Brötchen und Brote, die werden längst ausgeliefert“. Ab 2 Uhr werden die Lieferwagen in der Bäckerei Schomaker in Neukirchen-Vluyn beladen. 5 Uhr ist Schichtwechsel. Während die Brötchenbäcker Feierabend machen, legen die Torten- und Croissant-Spezialisten los.
„Wir arbeiten in mehreren Schichten“, erklärt Jens Altherr. Die „Teigmacher“ beginnen um 15.30 Uhr, die Brotschicht um 17 Uhr, die Brötchenschicht um 22 Uhr und um 5 Uhr legen die Kollegen los, die das Süßgebäck, den Apfelkuchen und in diesen Tagen auch die Printen in den Ofen schieben.
Dinkel liegt im Trend
Wie so viele Berufe hat sich auch der des Bäckers in den vergangenen Jahren gewandelt. Jens Altherr ist 39 Jahre im Job. „Als ich anfing, ging in der Backstube noch um 1 Uhr nachts das Licht für alle an. Aber heute erwarten die Leute ja den ganzen Tag über frische Brötchen“, erzählt der 55-Jährige. Und so gehen nachts denn nicht mehr nur fertige Brötchen in die Filialen und Verkaufsläden, sondern auch viele vorgegarte Rohlinge, die dann die Verkäuferinnen über den Tag verteilt in den Ofen schieben. „Energietechnisch gesehen, macht das eigentlich keinen Sinn, aber die Kunden wollen es ja so“, sagt Jens Altherr.
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Vieles wird heute über den Tag vorproduziert. Da unterscheidet sich eine Bio-Bäckerei nicht vom konventionellen Bäckerhandwerk. „Als wir 1986 die Bäckerei im niederrheinischen Rheurdt übernommen und umgekrempelt haben, war der Begriff Bio oder Öko auf dem Dorf noch negativ besetzt“, erinnert sich Andreas Schomaker. Das hat sich längst geändert. Bio ist in. Und Schomaker ein Bäckereiunternehmen, das längst über Rheurdt, wo vor über 35 Jahren alles begann, bekannt ist. Etwa 35 Mitarbeiter produzieren in der Backstube täglich Brote, Brötchen, Teilchen und Torten für die Filialen in Neukirchen-Vluyn, Rheurdt, Moers, Krefeld, Duisburg und Aachen, Verkaufswagen auf Wochenmärkten und Lieferungen an sogenannte Wiederverkäufer wie Bio-Märkte oder Reformhäuser.
Für seinen unternehmerischen und ökologischen Einsatz wurde die Bäckerei bereits öfter ausgezeichnet, jüngst erst mit dem Ehrenpreis des Landes NRW „Meister.Werk.NRW 2022“ für meisterhafte Leistungen im Lebensmittelhandwerk. Die Zutaten wie Getreide, Milch, Obst und Eier, die in der Backstube zu den Waren verarbeitet werden, kauft Schomaker am Niederrhein. Die Produktion und drei Auto-Ladestationen werden mit Strom aus der Photovoltaik-Anlage (Dach) betrieben. Das Getreide wird in großen Holzmühlen gemahlen.
Im Trend derzeit liegt Dinkel, „das mehr Nährstoffe als Weizen hat“, erklärt Jens Altherr, der seit bald vier Jahrzehnten Feierabend macht, wenn andere aufstehen. „Aber das ist nicht schlimm. Ich wusste ja, worauf ich mich einlasse. Und ganz ehrlich: Es gibt doch heute viele Jobs, die schlimmere Arbeitszeiten haben. Eine Verkäuferin im Supermarkt, die bis 21 Uhr an der Kasse sitzt, dann aufräumen muss, tut mir leid. Bis die nach Hause kommt, bleibt doch auch nichts mehr vom Abend“, sagt Jens Altherr. Er ist mit Leib und Seele Bäcker, wie die seine Kollegen. „Die meisten sind schon lange im Betrieb, 25 Jahre und länger.“
Routiniert kneten, drehen und legen die Mitarbeiter der „Tortenschicht“ die Teigmassen, vieles läuft auch hier maschinell. Aber Zimtsterne werden noch herkömmlich ausgestochen und dann in einen der Ofen geschoben. Nicht alles verlässt aber ofenfrisch die Backstube. „Nussprinten lassen wir zum Beispiel zehn Tage im Kühlraum, bis sie mit Schokolade überzogen werden. Den Teig dafür haben wir schon im August gemacht“, erklärt Jens Altherr und gewährt einen Blick in die Kühlkammer. Hmmm. Der Printenduft zieht in die Nase. Morgens um 5.30 Uhr. Da könnte man glatt das Frühstücksbrötchen für stehen lassen. Aber zum Glück sind sie ja noch nicht fertig, die süßen Leckereien.
Während die ersten kleineren traditionsreichen Bäckereien angesichts der steigenden Energiepreise ihre Betrieben aufgeben, läuft der bei Schomaker wohl auch dank des schon vor Jahren aufgesetzten eigenen Energiekonzeptes wie gewohnt weiter. Zu spüren ist die Krise dennoch. Nicht nur die Preise für Energie stiegen, sondern auch die für Rohstoffe, Reparaturen und andere Dinge. „Der Preis für Papier hat sich versechzehnfacht. Ein Karton für fünf Stück Kuchen kostet jetzt 2,80 Euro. Das muss ich auf jedes Stück Kuchen umlegen“, so Andreas Schomaker. Und auch die vielerorts angespannte Personalsituation kann er nachvollziehen. Auch er muss einen Krankenstand von 20 Prozent wegstecken.
Propangas statt Erdgas
Zu allem Übel werde in der Krise weniger „Bio“ gekauft, weil dies als teurer gelte. An den Schomaker-Standorten sei der Umsatz um 3,5 Prozent zurückgegangen. „Viele Kunden halten uns aber die Stange.“ Bei den „Wiederverkäufern“ – anderen Geschäften, die Schomaker-Produkte anbieten – sei der Einbruch mit teils über 20 Prozent aber dramatisch. Um die Energiekosten im Rahmen zu halten, rüstet Schomaker bisher mit Erdgas betriebene Backöfen auf Propangas um. „Dann steigen die Kosten von bisher 5000 Euro nicht um das Sechs- oder Achtfache, sondern ,nur‘ auf 9000 bis 10.000 Euro.“ Aber auch der Umbau koste Geld. Staatliche Hilfen gebe es nicht.
Die erste Stunde der Frühschicht ist bald um. Kurz vor 6 Uhr. Kollege Normen schiebt gerade den Blechkuchen in den Ofen. Streusel. Für den nächsten Tag. „Den backen wir heute, weil der auskühlen muss“, erklärt Jens Altherr. Und während der Crumble-Kuchen im Ofen verschwindet, holt der gelernte Konditor den ersten Blechkuchen raus. Ist bestimmt lecker. Aber noch nichts zum Naschen. Schade. Oder vielleicht auch besser so. Morgensfrüh, gegen 6 Uhr.