Moers. Die neue Ausstellung im Alten Landratsamt in Moers beleuchtet das Leben des schwarzen Schafs vom Niederrhein: Hanns Dieter Hüsch.
Da steht er schon! Zwar kehrt er einem zunächst noch den Rücken zu, aber das macht ja nix. Denn oben, in der ersten Etage, präsentiert er sich dann gleich in mehrfacher Ausführung. Als Clown, als Graf von Moers und natürlich als das schwarze Schaf vom Niederrhein. Hanns Dieter Hüsch war eben nicht „nur“ Kabarettist, Schriftsteller, Liedermacher, Schauspieler… und genau diese spannende Vielfalt versucht die neue Dauerausstellung im Alten Landratsamt aufzuzeigen. Denn klar, wenn es um die Geschichte von Moers im 20. Jahrhundert geht, dann darf ein eigener Raum für den Ehrenbürger der Stadt natürlich nicht fehlen. „Er ist eine Kristallisationsperson“, hält Diana Finkele, Leiterin des Grafschafter Museums, fest. Eine Person, die durchaus die Entwicklung einer Kleinstadt am Niederrhein gespiegelt, aber auch immer wieder gebrochen hat. Stets in seiner ganz unvergleichlichen Art.
Doch wie wird man eigentlich Kabarettist? Denn das ist doch wohl die Berufsbezeichnung, die ihm die meisten sofort und ohne groß nachzudenken zuschreiben würden. „Man muss nur am Niederrhein aufgewachsen werden“, erklärte einst Hanns Dieter Hüsch selbst. Moers, das war seine Kindheit; und seine Kindheit, das war seine Heimat. Deshalb sagte er übrigens auch: „Käme ich noch einmal auf die Welt, würde ich gern Graf von Moers sein.“ Den Wunsch erfüllte ihm Jürgen Pankarz und zeichnete ihn kurzerhand als ebensolchen. Auch all die anderen lebensgroßen Figuren, stets mit kugelrunden Brillengläsern und weißem Rauschebart, stammen von dem Grafiker. Und so grüßt am Eingang freundlich das schwarze Schaf vom Niederrhein, das von seinen ersten Jahren in Moers zwischen „schwarz-weißen Kühen“ erzählt, „gemacht aus Bauern- und Beamtenschwäche“.
„Spröde Landschaft am Niederrhein“
Denn der Vater, Heinrich Hüsch, war Verwaltungssekretär und arbeitete einst… genau hier, im Landratsamt. „Es waren schon Damen in der Ausstellung, die mit ihm hier gearbeitet haben“, berichtet Diana Finkele. Und die erzählen konnten, dass er sein Büro gegenüber hatte, dort, wo nun das Kulturbüro untergebracht ist. Viel lieber aber wäre der Vater Tenor geworden und auch die Mutter, Adele Sonnen, gab dem Sohn die Freude an Kultur mit. „Unser Leben in dieser spröden Landschaft am Niederrhein war immer voller Rauschgedanken, voller Musik, voller Sprache, voller Späße. Da war immer Phantasie.“ Doch so fröhlich die Beschreibung klingt, es gab durchaus auch dunkle Momente in seiner Kindheit. Die Mutter litt an Multiple Sklerose und starb, als er zehn Jahre alt war. Er selbst, das „Sorgenkind“, musste ebenfalls regelmäßig ins Krankenhaus, weil seine Füße immer wieder operiert werden mussten.
Seinen Füßen, einst die Ursache für so viele Schmerzen, verdankte Hüsch später allerdings sein Leben, wie er selbst betonte. Und so steht mitten in der Ausstellung ein auf den ersten Blick vielleicht etwas skurriles Objekt: ein Paar Schuhe. „Nach seinem Notabitur 1943 am Adolfinum musste er wegen seiner Füße nicht zum Militärdienst“, erklärt Diana Finkele. Das rettete ihm vielleicht das Leben. Denn statt eingezogen zu werden, konnte er dem Wunsch seiner Familie nachkommen und sein Medizinstudium beginnen. Doch er merkte schnell: Das ist nix für ihn! Also gründete er nach dem Krieg mit einer Gruppe Gleichgesinnter das Studio 45, „eine lockere Vereinigung aller schwarzen Schafe aus Moers“. Der „Club“ war den meisten Moersern allerdings ziemlich suspekt und auch die Familie konnte darüber nur den Kopf schütteln: „Der Jung, der is nich janz, der Jung. Der ist da oben nicht ganz in Ordnung.“
Ironisch, kritisch, liebevoll
Davon ließ sich der Jung aber nicht beirren und schrieb sich kurz darauf für Theaterwissenschaften in Mainz ein. Der Familie erzählte er jedoch vorsichtshalber, dass er nun Lehrer werden würde… Aber so richtig viel Energie steckte er sowieso nicht ins Studium. „Er war früh auf der Bühne unterwegs“, weiß Diana Finkele. Erst mit Chansons bei den Uni-Rhythmikern, dann mit Kabarett bei den B(r)ettelstudenten. 1948 schließlich trat er mit seinem ersten Soloprogramm auf. Seine Markenzeichen aus den 50ern und 60ern, die es alle in die Ausstellung geschafft haben: Roter Pullover, schwarzer Zweispitz und natürlich die praktische Orgel. Dabei hieß sein erstes, abendfüllendes Soloprogramm „Das literarische Klavier“, aber so eine Orgel ist nun mal viel einfacher zu transportieren… Und tatsächlich begann schon bald sein „Nomadenleben“, wie er es selbst nannte – vier Jahrzehnte reiste er von Bühne zu Bühne.
Und natürlich gehört auch das zu einer Ausstellung über einen Kabarettisten: Die Auftritte, festgehalten auf Tonband oder Videokassette, können sich Besucherinnen und Besucher ganz in Ruhe anhören oder ansehen, um darüber herzhaft zu lachen oder auch mal länger nachzudenken. Denn von wegen unpolitisch, so der immer wieder aufkommende Vorwurf – „er war durchaus politisch, aber eben auf seine Art“, hält Diana Finkele fest. Und bei all seiner Arbeit, die ihn quer durch Deutschland führte, vergaß er seine Heimat nie, im Gegenteil. „Alles was ich bin / ist niederrheinisch“, betonte er und schrieb seine Niederrheingeschichten. Der Grundtenor: Ironisch, kritisch – ja, so manche Skurrilität aus der Region hat er aufgedeckt, aber immer mit einem liebevollen Augenzwinkern. „Anfangs war er hier nicht immer beliebt“, sagt die Museumsleiterin. Das hat sich längst geändert, Niederrhein ohne Hüsch ist kaum denkbar. Wieso das so ist? „Er hat den Menschen am Niederrhein ein Denkmal gesetzt.“
>>> Zu Besuch im Alten Landratsamt
Die Dauerausstellung im Alten Landratsamt am Kastell ist dienstags bis donnerstags von 10 bis 13 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.
Im Erdgeschoss zeigt das „Haus der Demokratiegeschichte“ des Grafschafter Museums in zehn Räumen das politische und gesellschaftliche Leben in Moers von der Kaiserzeit bis zum Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.
In der ersten Etage befindet sich die Ausstellung über Hanns Dieter Hüsch. Die Exponate hat seine Witwe Christiane Hüsch-von Aprath zur Verfügung gestellt, darunter auch einige kuriose Geschenke, die er aufbewahrt hat – wie selbstgebackene Schafskekse von Viersener Schülerinnen und Schülern.