Wesel. Das Geopark-Infozentrum in Wesel zeigt, wie die niederrheinische Landschaft entstanden ist – und präsentiert ein Sensations-Fundstück.
Ein Mammut trottet durch den Schnee, und das hier bei uns, am Niederrhein. Tatsächlich so passiert, allerdings vor rund 250.000 Jahren. Der Beweis dafür liegt in einer gläsernen Vitrine des Geopark-Informationszentrums: Riesige Backenzähne, die einst bei Kiesausgrabungen in Xanten aufgetaucht sind. „Das passiert öfter, dass so etwas gefunden wird“, sagt Dr. Lena Wulff vom Geopark Ruhrgebiet, die gemeinsam mit Nancy Schumacher die Ausstellung im Museum und Heimathaus Eiskeller in Diersfordt konzipiert hat. Dagegen ist ein anderes Fundstück eine echte Sensation, quasi „der Star vom Niederrhein“, erklärt Nancy Schumacher und zeigt auf einen „Riesenammoniten“. Und wer sich jetzt fragt, was denn das eigentlich ist: „Ein Kopffüßler, der im Meer lebte.“ Die steinerne Spirale hängt am Eingang und macht damit direkt Lust auf eine kleine Zeitreise durch 400 Millionen Jahre Erdgeschichte.
„Mit Fossilien kriegt man die meisten Leute“, weiß auch Schumacher. Klar, so ein Überbleibsel aus der Kreidezeit, das auch noch auf der Zeche Lohberg gefunden wurde, ist einfach faszinierend. In diesem 1,35 Meter großen Gehäuse hat tatsächlich mal ein Tier mit Tentakeln gelebt? Kaum vorstellbar! Und damit ist es schon passiert: Das Interesse ist geweckt, der Rundgang durch den Ausstellungsraum kann beginnen. Die Grundidee dahinter hat die wissenschaftliche Mitarbeiterin schnell erklärt: „Wir haben den Anspruch, dass die Leute hier mehr über ihre Region und die Landschaftsgeschichte erfahren können.“ Weil aber vielleicht nicht jede und jeder in Erdkunde aufgepasst hat (oder das meiste schon wieder vergessen hat), gibt’s zu Beginn erst einmal eine kleine Einführung in das Thema Geologie. Denn, wie war das denn noch mal mit der Steinkohle? Wie ist die in den Boden gekommen? Und vor allem: Wann?
Steinreicher Niederrhein
Dazu geht’s geradewegs zu einem Untergrundmodell vom Niederrhein. Dort drüben, die blauen Flächen neben den grünen Bäumchen, das ist doch der Diersfordter Waldsee? Wulff nickt. „Wir wollen aufzeigen, wie es unter unseren Füßen in tausenden Metern Tiefe aussieht.“ Denn so eine richtige Vorstellung davon haben die wenigsten. „Ich habe selbst vier Semester gebraucht, um eine geologische Karte lesen zu können“, gibt sie zu und lacht. Ganz ohne Studium lässt sich nun aber das Modell verstehen: Unten, der graue Streifen, steht für das Karbon und die mit rund 358 Millionen Jahren älteste Erdschicht. Steinkohle, der einst so wichtige Rohstoff des „steinreichen“ Ruhrgebiets und Niederrheins, hat hier seinen Ursprung. Die vielen Schilder zeigen an, wo einst überall Bergwerke standen. Darüber liegt der blaue Streifen, die Erdschicht aus dem Perm, in der sich Steinsalz befindet. Übrigens wird das noch immer in Rheinberg-Borth abgebaut.
Es folgen weitere Erdschichten, bis zur gelben und jüngsten: Das Quartär begann vor gut 2,6 Millionen Jahren und dauert bis in die Gegenwart an. Und nun wird es mit Blick auf den Niederrhein besonders spannend, denn in dieser Schicht haben sich Kies und Sand abgelagert. Genau, ebenjene Rohstoffe, die immer wieder Zündstoff für hitzige und vor allem emotional geführte Debatten bieten. Darauf geht auch einer der Info-Banner ein, der das große Spannungsfeld kurz skizziert. Auf der einen Seite steht die bauliche Infrastruktur, die ohne Sand und Kies nicht funktionieren würde. Die Weseler Rheinbrücke beispielsweise: Gebaut aus Beton, der wiederum aus regionalem Sand und Kies besteht. Auf der anderen Seite sind da der Flächenfraß, die Umweltaspekte. Und die Frage: Lässt sich der Bedarf nicht durch recycelte Rohstoffe ersetzen?
Kontroverser Kiesabbau
„Es gibt nun mal beide Seiten“, hält Schumacher fest. „Wir wollen eine neutrale Plattform bieten, damit die Leute sehen, was für ein komplexes Thema das ist.“ Denn einfach zu sagen „Wieso kann nicht einfach woanders Sand und Kies abgebaut werden? Wieso muss das ausgerechnet vor meiner Haustür passieren?“, funktioniert spätestens nach einem Besuch der Ausstellung nicht mehr. Dort drüben, direkt neben Gläsern voller Sand und Kies, steht’s geschrieben: „Der Niederrhein ist eine der bedeutendsten Lagerstätten von Sand und Kies in Europa.“ Einfach woanders abzubauen, das funktioniert also nicht. Ein Bewusstsein für geologische Themen zu schaffen, ist das selbsterklärte Ziel des Geopark-Informationszentrums. Denn die haben immer auch mit „der Welt vor unserer Haustür“ zu tun, sagt Wulff. Und das buchstäblich. Selbst Steine, die ein Spaziergänger am Rhein findet, könnten so manche Geschichte erzählen.
„Dieser Granit hier“, Wulff zeigt auf die Vitrine, „kommt aus dem Schwarzwald und ist 150 Millionen Jahre alt.“ Allein der Rhein hat ihn den weiten Weg hierher gebracht. Und wer weiß, was er während seiner Reise schon so alles erlebt hat, vielleicht sind ihm ja sogar ein paar Mammuts begegnet! Die waren übrigens nicht ständig in der Eiszeit unterwegs, in den sogenannten „Warmzeiten“ hatten sie eine Art Vertreter: die Waldelefanten. Ja, zu entdecken und zu erfahren gibt’s hier so einiges. Wussten Sie beispielsweise, wieso auf einmal riesige Felsen am Niederrhein aufgetaucht sind oder wie eigentlich die Sonsbecker Schweiz scheinbar aus dem Nichts entstanden ist? Falls nicht, gehen Sie doch einfach mal selbst auf Zeitreise durch 400 Millionen Jahre Erdgeschichte!
>>> Geopark Ruhrgebiet
Der Geopark Ruhrgebiet e.V. wurde 2004 als gemeinnütziger Verein gegründet, um das geologische Erbe der Metropole Ruhr zu bewahren, zu präsentieren und Umweltbildung zu fördern.
Das Geopark-Informationszentrum im Museum und Heimathaus Eiskeller in Wesel-Diersfordt ist eines von drei Zentren des Geoparks Ruhrgebiet, die anderen beiden befinden sich in Witten und Ennepetal.
Die Ausstellung ist von Mai bis Ende Oktober immer sonntags, von 11 bis 16 Uhr, geöffnet. 2024 wird das Geopark-Informationszentrum in abgewandelter Form ins LVR-Niederrheinmuseum Wesel ziehen.