Geldern. Am Tag des offenen Denkmals können Interessierte erstmals das Haus Ingenray in Geldern besuchen – und schauen, ob es dort Geister gibt…

Im Haus Ingenray spukt’s! Davon waren die einstigen Besitzer Emilie und Hans Stratmans überzeugt. Aber so richtig schlimm scheinen sie das nicht gefunden haben, immerhin haben sie über 50 Jahre in dem spätmittelalterlichen Gebäude gewohnt. Nun, am Tag des offenen Denkmals, dürfen erstmals Besucherinnen und Besucher schauen, wer hier so haust… Allen Angsthasen kann Matthias Schrör aber schon mal eine kleine Entwarnung geben: „Ich habe hier noch keinen Geist erlebt!“ Und er muss es wissen, denn er war bei einigen Gewittern inklusive knallender Türen und rappelnder Fensterläden vor Ort…

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Seit mittlerweile fünf Jahren ist das Haus Ingenray der Arbeitsplatz des Historikers. Und um zu erklären, was seitdem alles so passiert ist, öffnet er für uns schon mal vorab das Tor. Das ist übrigens – um es noch etwas gruseliger zu machen – ein Überbleibsel des Ponter Friedhofs… „Hans Stratmans war erfolgreicher Bauunternehmer und leidenschaftlicher Sammler“, erklärt er. Als solcher fiel es ihm natürlich leicht, den zu einer Ruine heruntergekommenen Adelssitz in den 1960er Jahren zu restaurieren und mit so manch niederrheinischen Raritäten auszustatten.

Sammelleidenschaft eines Bauunternehmers

Das klingt natürlich spannend! Deshalb führt Matthias Schrör direkt weiter durch den Flur, über die Wendeltreppe bis in den ersten Stock. „Das hier war das Wohnzimmer“, erklärt er, „mittlerweile wird es aber als Tagungs- und Begegnungsstätte genutzt.“ Sieht doch eigentlich ganz hell und luftig aus? Er nickt und zeigt auf die großformatigen Fotos, die er extra zu Beginn seiner Arbeit hat schießen lassen. Darauf lässt sich bereits erahnen, wie groß die Sammelleidenschaft des Bauunternehmers tatsächlich war. Teppiche, Bilder, Porzellan, Münzen, Karten…

Der Speisesaal im Haus Ingenray in Geldern sieht noch so aus wie zu Lebzeiten von Emilie und Hans Stratmans.
Der Speisesaal im Haus Ingenray in Geldern sieht noch so aus wie zu Lebzeiten von Emilie und Hans Stratmans. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

„Stratmans hatte allein 3000 historische Kupferstiche“, erklärt der Historiker. „Ihn hat alles interessiert, was mit dem Niederrhein und Gelderland zu tun hatte.“ Dabei war es ihm relativ egal, ob das Objekt 20 oder 20.000 Euro kostete. Geld genug hatte der „knallharte Bauunternehmer“, der unter anderem für den Bau der Aldi-Parkplätze in Deutschland verantwortlich war. „Gleichzeitig kannte er alle Namen der Ehefrauen seiner Mitarbeiter“, erzählt er. Ein gewiefter Geschäftsmann also, „der aber immer menschlich geblieben ist“. So zumindest wurde es ihm, der Stratmans nie persönlich getroffen hat, erzählt.

Auktion in den USA oder Trödelmarkt in Köln

Sein Geld also gab der „Selfmade-Millionär“ am liebsten für Sammlerstücke aus. Dafür flog er auch schon mal zu einer Auktion in die USA – oder aber er fuhr morgens um 5 Uhr zu einem Trödelmarkt in Köln. Doch was sagt denn nun der studierte Historiker, der sich durch jedes einzelne Fundstück arbeiten musste, zu der historischen Sammlung? „Er hatte durchaus Ahnung“, antwortet er und zieht ein ganz besonderes Stück hervor. „Das sind Handschellen aus dem 17. Jahrhundert.“ An sich noch nicht ganz so spannend, aber: „Mit den passenden Schlüsseln, das gibt’s sonst so fast nie.“

Die Sonderausstellung „Fossa Eugeniana“ im Haus Ingenray in Geldern ist noch bis zum 17. Dezember zu sehen. Danach sollen weitere Wechselausstellung folgen.
Die Sonderausstellung „Fossa Eugeniana“ im Haus Ingenray in Geldern ist noch bis zum 17. Dezember zu sehen. Danach sollen weitere Wechselausstellung folgen. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Ja, so manches Mal wurde der Historiker in den fünf Jahren überrascht. Aber natürlich war es mitunter nicht immer ganz leicht, abzuwägen und auszusortieren. Denn alles, so viel stand fest, konnte nicht im Haus Ingenray bleiben. Nach dem Tod von Hans Stratmans im Jahr 2015 ging das Anwesen samt Sammlung an die gemeinnützige Emilie und Hans Stratmans-Stiftung – Matthias Schrör wurde zum Direktor ernannt. Als solcher ist er seitdem dafür verantwortlich, die historische Sammlung der Öffentlichkeit frei zugänglich zu machen. Deshalb geht’s nun auch direkt weiter ins Schwimmbad.

Sonderausstellung „Provinz – provinciaal“

Wo früher das Ehepaar ihre Bahnen zog, reihen sich nun zahlreiche Archivschränke aneinander. Einmal kurbeln und schon tauchen riesige, alte, zerschlissene Bücher auf. „Das Älteste ist von 1593“, erklärt Matthias Schrör. Der Inhalt: „Die Geschichte des deutsch-niederländischen Krieges aus Sicht der Niederländer.“ Damit passt es thematisch übrigens wunderbar zur aktuellen Sonderausstellung „Fossa Eugeniana“, die im Rahmen des Themenjahres „Provinz – provinciaal“ noch bis zum 17. Dezember im Erdgeschoss des Hauses Ingenray zu sehen ist.

Im früheren Schwimmbad des Haus Ingenrays in Geldern befindet sich heute das Archiv. Der Historische Verein für Geldern und Umgegend fungiert als Treuhänder der gemeinnützigen Emilie und Hans Stratmans-Stiftung.
Im früheren Schwimmbad des Haus Ingenrays in Geldern befindet sich heute das Archiv. Der Historische Verein für Geldern und Umgegend fungiert als Treuhänder der gemeinnützigen Emilie und Hans Stratmans-Stiftung. © FUNKE Foto Services | Fabian Strauch

Aber nicht nur Bücher oder Stiche sind in den Schränken untergekommen. Der Historiker zückt eine Waffe, „das ist eine Steinschlosspistole, die aber natürlich nicht mehr geladen ist und sowieso nicht unter das Waffengesetz fällt“. Selbst früher, wahrscheinlich stammt sie von 1730, war das Schießen damit nicht allzu häufig von Erfolg gekrönt. Dafür kam dann die Rückseite zum Draufhauen häufiger zum Einsatz… Und dort drüben, da steht ein ganzer Karteikasten voller Totenscheine aus der Region. „Den haben wir aber angekauft“, sagt er. Denn die Sammlung soll stets erweitert werden, soll dadurch lebendig bleiben.

Feiern im Haus Ingenray

„So ein Haus gibt’s in der Region nicht noch einmal“, hält Matthias Schrör fest. Deshalb freut er sich ganz besonders, dass er am Sonntag allen Interessierten nun endlich die Türen öffnen kann. Hans Stratmans selbst hätte das wohl auch gefallen, er galt als „unglaublicher Gastgeber“, der regelmäßig zu großen Festen einlud. Ob seine Gäste bei einem ihrer Besuche auch schon mal den ein oder anderen Geist gesehen haben, ist übrigens nicht überliefert…

>>> Tag des offenen Denkmals

Am Tag des offenen Denkmals, 11. September, können Besucherinnen und Besucher das Haus Ingenray, Möhlendyck 22 in Geldern, von 10 bis 16 Uhr erkunden. Matthias Schrör, Direktor der Stiftung, und Clemens Scholten, Bauleiter, führen durchs Gebäude.

Außerdem gibt’s an dem Aktionstag Apfelsaft vom Nabu, Kaffee und Kuchen zugunsten von Amani Kinderdorf e.V. sowie einen Bücher- und Info-Stand des Historischen Vereins für Geldern und Umgegend. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, der Eintritt ist frei.

Die Ausstellung „Fossa Eugeniana“, dem Kanalprojekt zwischen Rhein und Maas aus dem frühen 17. Jahrhundert, startet offiziell am Samstag, 17. September. Geöffnet ist sie donnerstags, freitags und jeden dritten Samstag im Monat jeweils von 10 bis 16 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Haus Ingenray ist ein ehemaliger Rittersitz aus dem 15. Jahrhundert. Von 2020 bis 2022 erfolgte der Umbau zu einer Begegnungsstätte mit Archiv. Zum Denkmal gehören neben dem Bauensemble auch das Grundstück einschließlich der Gewässer- und Parkanlagen.