Kleve. Das Museum Kurhaus Kleve wird 25 Jahre alt. Ein Blick auf Ausstellungen, Projekte, die Sammlung und die Philosophie dahinter.
Der Gebäudekomplex an der Klever Tiergartenstraße blickt auf eine jahrhundertealte, wechselvolle Geschichte zurück. Der klassizistische Bau erhielt seinen Namen wegen seiner ursprünglichen Funktion als Kurhotel und Bäderhaus. Bis zum Ersten Weltkrieg nutzten wohlhabende Bürger den Kurbetrieb an der mineralreichen Quelle. Es folgten Jahrzehnte des Verfalls und der unterschiedlichsten Nutzungen. Unter anderem richtete Joseph Beuys sich für einige Jahre hier sein Atelier ein. Dass das Kurhaus heute ein angesehenes und 2004 vom Internationalen Kunstkritikerverband als „Museum des Jahres“ ausgezeichnetes Museum ist, verdankt es glücklichen Entwicklungen und der Weitsicht des Gründungsdirektors und langjährigen Leiters Guido de Werd. Das Museum Kurhaus Kleve blickt in diesem Jahr auf sein 25-jähriges Bestehen zurück.
1997 eröffnet und 2012 durch die Fertigstellung des Joseph-Beuys-Westflügels im ehemaligen Friedrich Wilhelm-Bad vollendet, beherbergt das Museum neben dem Nachlass des Bildhauers Ewald Mataré prachtvolle mittelalterliche Skulpturen aus der Werkstatt Dries Holthuys’ oder Henrik Douvermans. Gehütet werden hier Sammlungsbestände aus der Zeit des Barock und Bad Cleve, eine umfangreiche Sammlung zeitgenössischer Kunst des 20. und 21 Jahrhunderts oder eine große grafische Sammlung, beginnend mit mittelalterlichen Miniaturen bis hin zu Papierarbeiten etwa von Stephan Balkenhol oder Niele Toroni. Seit zehn Jahren liegen die Geschicke des Hauses in den Händen von Museumsleiter Prof. Harald Kunde und seinem kleinen Team, dem die aus der Schweiz stammende Kunsthistorikerin Susanne Figner und die österreichische Kuratorin Valentina Vlasic angehören.
Glücklicher Erbe – mit Verpflichtung
„Ich habe hier ein wunderschönes Haus vorgefunden“, erinnert sich Kunde an seinen ersten Arbeitstag am 1. April 2012. Er sei alles andere als unvorbereitet nach Kleve gekommen. Als damaliger Leiter des Ludwig Forums Aachen sei er seit 2005 und über die Sammlung Plum schon mit den Klevern in Kontakt gewesen. 2006 habe es mit einer Franz Gertsch-Ausstellung in Aachen ein gemeinsames Projekt gegeben. Als die Direktorenstelle ausgeschrieben worden sei, hat er sich an den Niederrhein beworben.
„Es ist eine große Freude für mich, dass das geklappt hat“, sagt er auch nach zehn Jahren noch. Den Start hat er als „merkwürdige Zeit“ in Erinnerung. Guido de Werd sei als Senior-Kurator noch präsent gewesen, auch der langjährige Kustos und kommissarische Direktor Dr. Roland Mönig war noch in Kleve tätig. „Als dann am 9. September 2012 das Friedrich Wilhelm-Bad eröffnet wurde, fühlte ich mich als glücklicher Erbe mit Verpflichtung.“ Er habe eigene Akzente setzen wollen, „ohne alles über den Haufen zu werfen, was meine Vorgänger gemacht hatten“.
Kleve als Ort des Diskurses
„Ich wollte eine tendenzielle Neuausrichtung.“ Inzwischen hätten mehr als 50 Künstlerinnen und Künstler frischen Wind ins Haus hineingebracht. Sein Vorgänger, so Kunde, habe große Namen ausgestellt, aber eben gesetztere Künstler. „Ich wollte den modernen Gestus betonen.“ Kleve sollte als Ort des Diskurses wahrgenommen werden. „Gleichzeitig haben wir ein attraktives Begleitprogramm entwickelt und unser Angebot ausgeweitet.“ Fortan gab und gibt es Formate wie den Resonanzraum Kunst, wo über Kunst reflektiert wird und so renommierte Experten wie Jean-Christophe Ammann oder Kasper König nach Kleve kamen. Seit sechs Jahren gibt es das Sommerkino, außerdem den Literaturherbst Niederlande. „Wir wollen das Haus für viele, unterschiedliche Interessen öffnen, mit hochwertigen Angeboten eine niedrige Hemmschwelle bieten.“ Dazu gehören auch die städtischen Konzerte, Winterlesungen durch bekannte Kleverinnen und Klever, das breite Angebot der Museumspädagogik an prominenter Stelle im Haus oder das Projekt Schule Kunst Museum.
Zu den Meilensteinen seiner Arbeit in Kleve zählt Harald Kunde unbedingt und bis heute, eine Ausstellung des US-amerikanischen Künstlers Llyn Foulkes gleich zu Beginn seiner Klever Zeit in die Schwanenstadt geholt zu haben. Auf diesen Coup ist er noch immer sehr stolz. „Ich hatte ihn 2012 bei der documenta gesehen und einfach mal eine Email an seine Agentur geschickt,“ erinnert er sich schmunzelnd. Daraus wurde 2013 nichts weniger als eine Kooperation zwischen verschiedenen Stiftungen, dem Hammer Museum of Art in Los Angeles, einer weiteren Station in New York – und Kleve. Ein erster großer Paukenschlag.
Museum im Wandel
„Wir haben versucht, bei dieser Linie zu bleiben“, sagt Kunde. Es folgten Präsentationen von Stephen Prina oder Haim Steinbach. Alle, die bislang hier ausgestellt hätten, veränderten das Museum und seine Räume immer wieder, erfänden es neu. „Diese Wandlungsfähigkeit des Museums ist einfach faszinierend“, findet Kunde. Und verweist auf ein weiteres Highlight der Gegenwartskunst, den atmosphärischen Film des ghanaischen Künstlers John Akomfrah, dessen ursprünglicher Eröffnungstermin 2020 zunächst Corona zum Opfer fiel.
„Wir ergänzen kunsthistorische Ausstellungen um zeitgenössische Positionen“, erklärt Kunde die Philosophie seines Hauses. Das galt 2015 für den Porträtmaler Govert Flinck (* 1615), dessen Werk das Museum durch den israelischen Videokünstler Ori Gersht reflektierte, oder die Malerei des Hendrick Goltzius, gespiegelt 2017 durch die zeitgenössische Künstlerin Pia Fries.
Mehr als Mataré und Beuys
„Dann hat Corona uns gezeigt, wie sehr wir als Museum auf Adressaten angewiesen sind.“ Während des Lockdowns hat das Museumsteam die Digitalisierung vorangetrieben. „Jetzt sind weite Teile der Sammlung sichtbar.“ Natürlich wollten sie vorbereitet sein, wenn es wieder losgeht. Wie gut das gelang, zeigten die Präsentationen von fotografischen Beständen aus der Privatsammlung Viehof und des Kurhauses oder die so schöne Ausstellung zum 70. Geburtstag des Bildhauers Günther Zins im vergangenen Jahr.
„Wir sehen uns als Haus mit internationaler Ausrichtung, aber lokaler Verankerung“, sagt der Museumsleiter. Für die Zukunft wolle man das bisher Erreichte fortsetzen, ein breites Publikum ansprechen und den Schwerpunkt auf die Kunst der Gegenwart richten. „Das ist unsere Kernkompetenz“, sieht Kunde – immer ergänzt durch kunsthistorische Aspekte. „Wir sind eben so viel mehr als Mataré und Beuys.“
>>> Festakt und Gesprächsabend in Kleve
Im Jubiläumsjahr des Museums besteht der Freundeskreis Museum Kurhaus und Koekkoek-Haus seit 35 Jahren. Mit einem Festakt am Freitag, 9. September, und weiteren Veranstaltungen am 10. September sollen beide Geburtstage gefeiert werden.
Am Donnerstag, 29. September, 19.30 Uhr, gibt’s im Resonanzraum Kunst einen Gesprächsabend mit Künstlern der aktuellen Ausstellung „Schatzhaus und Labor“. Am Donnerstag, 17. November, 19.30 Uhr, treffen sich die beiden Direktoren Guido de Werd und Harald Kunde zum Gespräch.