Am Niederrhein. Die Spanier sorgten für ein aufsehenerregendes Ereignis am Niederrhein. Das Schloss Rheydt widmet sich einer Zeit, die fast vergessen schien.

Majestätisch stolziert ein Pfau über den steinernen Weg und lässt sich dabei auch von einer neugierigen Besucherin nicht stören, die doch nur einen kurzen Blick auf die Festungsanlage des Schlosses Rheydt werfen möchte. Einmal an dem prachtvollen, aber etwas störrischem Tier vorbeigekommen, zeigt sich schnell: Von den schützenden Mauern ist nicht mehr viel übriggeblieben. Während Nils Loscheider zwar keine Antwort darauf hat, wieso hier überall so viele Pfaue herumspazieren, so weiß der wissenschaftliche Volontär aber zumindest ganz genau, weshalb die Festungsanlage einst zu großen Teilen verschwinden musste. Und um das zu erklären, führt er geradewegs in die Ausstellung „Weltreich und Provinz. Die Spanier am Niederrhein 1560 bis 1660“.

Spanier am Niederrhein? Nils Loscheider nickt: „Die meisten haben nur die Franzosenzeit im Kopf. Dabei waren einige Jahrzehnte zuvor die Spanier verantwortlich für „eines der aufsehenerregendsten Ereignisse am Niederrhein“: die Besetzung von Jülich in 1621/22. Und weil das nun ziemlich genau 400 Jahre her ist, beleuchtet die von ihm kuratierte Ausstellung nun eben jene sonst eher weniger beachtete Epoche. Aber, das sei direkt zu Beginn verraten, es ist ein komplexes, vielschichtiges Thema. Deshalb gibt’s die Geschichte in kleinen Häppchen serviert. Es geht von Raum zu Raum, alles etwas verschachtelt, so wie auch die Geschehnisse damals alle auf irgendeine Weise miteinander zu tun hatten. Puh, klingt kompliziert? Muss es gar nicht. Denn zunächst nimmt der Kurator einen mit auf eine kleine Zeitreise in die Welt um 1600.

Niederländer als „rebellischer Haufen“

„Das Leben der Menschen veränderte sich“, erklärt Nils Loscheider. Technische Fortschritte, konfessionelle Spaltungen, klimahistorische Ereignisse… All das gipfelte immer wieder in Aufständen, Kriegen und Herrschaftskämpfen. Und in einen dieser Konflikte geriet der Niederrhein, den es historisch betrachtet so ja nie gab („wir sprechen von den Vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg“), immer mehr hinein. Auf der einen Seite stand Spanien, auf der anderen die Niederlande. Nun fragt sich der Geschichtslaie vielleicht, wie die Spanier denn überhaupt in die Niederlande kamen. Wichtiger Protagonist hierbei war Karl V. (1500-1558), der als König des spanischen Weltreichs über ein Reich regierte, „in dem die Sonne nie unterging“. Ziemlich riesig also.

Von der Festungsanlage des Schlosses Rheydt in Mönchengladbach ist nicht mehr viel zu sehen. Wieso das ist, erklärt die Ausstellung „Spanier am Niederrhein“.
Von der Festungsanlage des Schlosses Rheydt in Mönchengladbach ist nicht mehr viel zu sehen. Wieso das ist, erklärt die Ausstellung „Spanier am Niederrhein“. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Als später Karls streng katholischer Sohn Philipp II. (1527-1598) mit einer genauen Vorstellung die Herrschaft in den Niederlanden übernahm, unter anderem wollte er den Calvinismus bekämpfen, stieß er auf „einen kleinen rebellischen Haufen“, erzählt Nils Loscheider. So leicht wollten es ihm die Niederländer, die ein großes Handelsnetzwerk und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein entwickelt hatten, aber nicht machen. Und so begannen die Auseinandersetzungen, die auch am strategisch günstig gelegenen Niederrhein ausgetragen wurden. Der Achtzigjährige Krieg, der Kölner Krieg, der Jülich-Klevische Erbfolgestreit, der Dreißigjährige Krieg… Texttafeln erklären die meist verzwickten Interessenslagen, Kupferstiche verbildlichen das teils grausame Zeitgeschehen.

Verzerrtes Geschichtsbild

Da sind die niederländischen Provinzen in Form eines Löwen gepresst, der gegen die Spanier kämpfen muss. Da ist ist die Niederlande dargestellt als ausgezehrte Kuh, die von Philipp II. am Schwanz gezogen wird und dennoch mit letzter Kraft den Milcheimer umstößt. Der Tenor ist immer der gleiche: die Niederländer sind gut, die Spanier böse. Doch, aufgepasst! „Wo kommt so ein Geschichtsbild her?“, fragt Nils Loscheider. Dazu einfach mal auf die farbigen Stiche in der Ausstellung achten. Die kommen alle aus der Hogenbergischen Werkstatt und zeigen geschickt nur die positiven Seiten der Niederlande. „Dabei haben die Niederländer meist genau das Gleiche wie die Spanier gemacht.“ Doch eine wichtige Frage bleibt noch offen: Wie war das denn nun mit der Festungsanlage, auf der heute die Pfauen stolzieren?

Im Trachtenbuch wurde gezeigt, wie spanische Ritter aussahen. Eine Rüstung, wie die zweite Person von rechts trägt, ist als Leihgabe des LVR-Niederrheinmuseums in Wesel auch aktuell in der Ausstellung „Spanier am Niederrhein“ im Schloss Rheydt zu sehen.
Im Trachtenbuch wurde gezeigt, wie spanische Ritter aussahen. Eine Rüstung, wie die zweite Person von rechts trägt, ist als Leihgabe des LVR-Niederrheinmuseums in Wesel auch aktuell in der Ausstellung „Spanier am Niederrhein“ im Schloss Rheydt zu sehen. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Wieder alles etwas verzwickt, doch Nils Loscheider macht es kurz: „Die Spanier zogen auf Schloss Rheydt ein, aber Florens Hattard war ein guter Diplomat.“ Und so erwirkte er ein „Neutralitätsschutzabkommen“. Alles festgehalten in einem dicken Wälzer, der ebenfalls in der Ausstellung zu bestaunen ist. Die lokale Bevölkerung war geschützt, die „freyherrscafft Rheid“ anerkannt. Als Bedingungen aber wurden Truppen vor Ort stationiert und die Festungswerke des Schlosses zerstört. Ein geringes Übel. Tatsächlich erkannten die Rheydter in dieser Zeit sogar, dass die Spanier gar nicht so böse waren wie gedacht! Und so erscheint auch das Ende der Ausstellung rund um die Friedensabkommen von 1648 und 1659 versöhnlich, zumindest bis zehn Jahre später die Franzosen kommen sollten…

>>> Führungen im Schloss Rheydt

Öffentliche Führungen finden an den Sonntagen 13. Februar und 6. März jeweils um 15 Uhr statt. Hierzu ist eine Voranmeldung beim Kassenpersonal nötig: 02166/9289019 oder per E-Mail: kasse-schlossrheydt@moenchengladbach.de.

Der 6. März ist auch der letzte Tag der Ausstellung in Rheydt. Ab dem 15. Mai ist die Ausstellung dann im Pulvermagazin des Museums Zitadelle Jülich und im kommenden Jahr im LVR-Niederrheinmuseum in Wesel zu sehen.

Ein Online-Vortrag ist für Mittwoch, 16. Februar, um 19 Uhr geplant. Der Referent Dr. Alfred Schuler vom LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland spürt aus dem Blickwinkel der Archäologie den krisenhaften Zeitumständen im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts nach. Interessierte können sich gerne unter nils.loscheider@moenchengladbach.de anmelden.