An Rhein und Ruhr. Die SPD in NRW hat ein Positionspapier zum Kiesabbau vorgelegt. Darin setzt sie auf recycelte Rohstoffe und neue Werkstoffe für die Baubranche.
Die Sicherheit beim Kiesabbau ist seit den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln nach dem Hochwasser-Erdrutsch in Erfstadt-Blessem gegen RWE wegen des Verdachts der Baugefährdung weiter in den Fokus der politischen Diskussion gerückt. Wie sicher sind die Kiesgruben in NRW? Eine Frage, die jüngst bereits die Grünen aufwarfen und die nun auch die SPD gestellt hat. „Wir brauchen eine Risikoabwägung für Starkregen“, betonte gestern Rene Schneider, umweltpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, bei der Vorstellung des SPD-Positionspapiers „NRW braucht eine neue Rohstoffstrategie“.
Die SPD in NRW will den umstrittenen Kies- und Sandabbau bremsen und mehr Baustoffe recyceln. Bisher werde der Rohstoffbedarf – und damit die Planung neuer Abbauflächen – aus der aktuellen Fördermenge für die nächsten 25 Jahre hochgerechnet. Einsparmöglichkeiten durch Recycling und alternative Baustoffe sowie der Exportanteil, der nach Schätzungen bei gut 20 Prozent liege, würden bei der Bedarfsermittlung nicht berücksichtigt, sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, René Schneider. Das müsse sich ändern: „Bedarf ist nicht, was abgegraben wird.“
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Der Abbau oberflächlicher Ressourcen, zu denen Kies und Sand zählen, stoße in NRW an Grenzen: Rund 62 Millionen Tonnen Kies, Sand und Ton wurden nach Zahlen von IT-NRW 2019 in NRW produziert. „Es besteht Handlungsbedarf“, sagt Rene Schneider. 419 Abbauflächen gebe es derzeit in NRW. 81 würden von der Bergbehörde überwacht, die restlichen Flächen von den regionalen Planungsbehörden, ein einheitliches Kataster gebe es nicht. „Wir brauchen eine Landesplanung. Die Ausweisung der Flächen muss durch das Land koordiniert werden“, erklärt Rene Schneider.
Ausstieg aus dem Kies- und Sandabbau auf lange Sicht
Laut einer aktuellen Studie im Auftrag des NRW-Wirtschaftsministeriums werden landesweit pro Jahr gut 231 Hektar Fläche für den Rohstoffabbau in Anspruch genommen – fast 174 Hektar davon für Kies und Sand. Die Fläche fehle für Wohn- und Gewerbegebiete sowie die Landwirtschaft, heißt es in dem SPD-Papier. Auf lange Sicht müsse NRW aus dem Kies- und Sandabbau aussteigen. Diese Forderung sei kein Widerspruch zu dem erklärten Ziel der SPD, jährlich 100.000 bezahlbare Wohnungen pro Jahr bauen zu wollen. „Das Ziel wollen wir nicht aufgeben.“
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Dass ein Ausstieg aus dem Kiesabbau nicht von heute auf morgen gehe, sei klar. Aber er müsse jetzt vorbereitet werden. Alternative Baustoffe müssten mit finanzieller Hilfe des Landes erforscht und wertvolle Rohstoffe recycelt werden. „Viele Rohstoffe werden bislang nach einem Abriss als vermeintliche Abfälle entsorgt“, erklärt Rene Schneider. Schon heute gebe es Alternativen zu Beton, Estrich und Mörtel. Dazu zähle zum Beispiel Holz oder „GFK“, ein Gemisch aus Glasfaser und Kunststoff. Die GFK-Bauweise sei in Deutschland noch eher unbekannt. In den Niederlanden werde sie aber bereits häufig angewendet. Solingen ist bundesweit die erste Kommune, die den Werkstoff beim Bau einer Brücke nutzt.
Nachteile für die Artenvielfalt
Der Kies- und Sandabbau führe zunehmend zu Protesten von Kommunen und Bürgern – vor allem am Niederrhein. „Kritiker bemängeln den Flächenverbrauch, Eingriffe in den Wasserhaushalt und Nachteile für die Artenvielfalt“, sagt SPD-Vizefraktionschef André Stinka.
Im März wird die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster über eine Klage der Städte Neukirchen-Vluyn, Kamp-Lintfort, Rheinberg und Alpen mit dem Kreis Wesel gegen die Änderung des Landesentwicklungsplans (LEP) erwartet. Dieser sieht unter anderem die auch von den Grünen kritisierte Verlängerung des Versorgungszeitraums von 20 auf 25 Jahre und 324 zusätzliche Flächen für den Kiesabbau am linken Niederrhein vor. Im Fokus der gerichtlichen Klärung wird insbesondere die „Bedarfsfrage“ stehen.
Für die SPD im Landtag ist klar: Der Bedarf darf sich nicht länger an den Abgrabungsmengen orientieren. Er müsse auch die Endlichkeit der Ressource, die Ersetzbarkeit durch alternative und recycelte Baustoffe sowie „die unverhältnismäßig hohe internationale Nachfrage aufgrund niedrigster Preise hierzulande“ berücksichtigen. Rene Schneider ist überzeugt: „Wir brauchen die Einsicht, dass eine kleine Region nicht den Rohstoffbedarf vieler Länder komplett bedienen kann.“