Keyenberg. Der Bund erklärt im Koalitionsvertrag: Fünf Dörfer im rheinischen Braunkohletagebau bleiben. Von Feierstimmung ist vor Ort aber keine Spur.

Die Jalousien an vielen Fenstern sind heruntergelassen. An den meisten Türschildern kleben keine Namen. Schilder mit der Aufschrift „er kann es nicht lassen. Armin Laschet, der Braunkohle-Junkie“ oder Info-Plakate unter der Überschrift „das Leben im Braunkohlerevier“ kleben an den Hauswänden. Es ist ruhig, hier in Keyenberg, einem Stadtteil von Erkelenz. Nur vereinzelt fahren Autos die Borschemicher Straße entlang. Von Bewohnern keine Spur. Das Dorf wirkt wie ausgestorben.

Dabei haben die Bewohner eigentlich allen Grund gemeinsam auf der Straße zu feiern, denn die neue Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag erklärt, dass „die im dritten Umsiedlungsabschnitt betroffenen Dörfer im Rheinischen Revier“ erhalten bleiben. In diesem Abschnitt des Tagebau Garzweiler II befinden sich die Dörfer Kuckum, Unterwestrich, Oberwestrich, Berverath und eben Keyenberg.

Bäcker aus Keyenberg ist noch nicht überzeugt

Für Wolfang Laumanns, Inhaber einer Bäckerei in Keyenberg, bleibt die Zukunft seines Dorfes, trotz der Ankündigung im Koalitionsvertrag, immer noch unsicher: „Ich bin nicht überzeugt und traue dem Braten noch nicht.“ Läuft man durch die Straßen von Keyenberg fällt auf: Die Bäckerei ist eines der letzten Geschäfte, die es hier noch gibt.

Wolfgang Laumanns betreibt eine Bäckerei in Keyenberg. Sein Betrieb ist eines der letzten Geschäfte, die es in dem Dorf noch gibt.
Wolfgang Laumanns betreibt eine Bäckerei in Keyenberg. Sein Betrieb ist eines der letzten Geschäfte, die es in dem Dorf noch gibt. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Dennoch denkt Laumanns nicht daran, aufzugeben, wegzuziehen. Schließlich kommen die Stammkunden immer noch zu ihm, auch, wenn sie dafür weiter fahren müssen: „Wir sind ein echtes Familienunternehmen, seit Jahren. Ich hänge an dem Ort“, sagt er. Wenn er auch längst nicht mehr das sei, was er einmal war. „Wenn es hochkommt, leben noch 80 Leute hier, wahrscheinlich sogar eher weniger.“ Eine von ihnen ist die gebürtige Französin, Marie Madeleine Bellenger. Gemeinsam mit ihren Eltern lebt die Künstlerin nicht weit entfernt von der Bäckerei Laumanns in einem der wenigen Häuser, in dessen Fenster noch Gardinen hängen und vor dem immer noch Blumen stehen. Derzeit hat sie Besuch von ihrer Zwillingsschwester Jeanne aus Berlin. Gemeinsam kümmern sich die Schwestern um die erkrankten Eltern.

Bedeutender Etappensieg für Klimaaktivisten

Auch bei ihnen scheinen die letzten Zweifel, ob sie wirklich in ihrem Dorf bleiben können, noch nicht ausgeräumt. „Ich hoffe für meine Familie sehr, dass sie wirklich weiterhin hierbleiben können“, sagt Jeanne Bellenger. Das Dorf, die Familie habe in Keyenberg doch eine Geschichte. „Die, die jetzt noch hier wohnen, sind mit Herzblut hier“, ergänzt Marie Madeleine Bellenger. Es sei „ein andauerndes Abenteuer, was hier abläuft.“ Dennoch, die Geschwister geben nicht auf: „Es ist schwierig, aber nicht hoffnungslos.“

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Klimaaktivisten vom Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ bezeichnen den Schritt der Bundesregierung als „bedeutenden Etappensieg“. Sie schreiben auf ihrer Facebook-Seite: „Nach all den Jahren Tyrannei durch RWE, CDU und insbesondere Kohlekumpel Armin Laschet können wir es selbst noch kaum fassen, dass unser Widerstand gegen diese Übermacht am Ende zum Erfolg geführt hat.“ Dennoch bleibe ein Wermutstropfen: Die Ampel-Koalition sei weiterhin bereit, „unser Nachbardorf Lützerath im Tagebau zu begraben und dafür Eckardt Heukamp“, der der letzte Landwirt des Dorfes, zu enteignen. Mit dem Bauern leben derzeit noch insgesamt 16 Menschen in Lützerath. Doch auch mit der Zerstörung des Dorfes sei die 1,5 Grad-Grenze nicht einzuhalten. „Darum gehen unsere Proteste weiter. Fünf Dörfer haben wir gerettet, und den Kampf um Lützerath werden wir auch gewinnen!“, ist sich Alexandra Brüne vom Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ sicher.

RWE reagiert auf Kritik des Klimabündnisses

Angesprochen auf die Kritik, schreibt dasEnergieunternehmen RWE auf NRZ-Anfrage: Das Unternehmen werde das Gespräch mit der nordrhein-westfälischen Landesregierung suchen, um die Konsequenzen, die sich aus dem Koalitionsvertrag ergeben, zu besprechen. Die Landesregierung ihrerseits hätte bereits vor wenigen Wochen „Offenheit für eine frühere Beendigung der Kohleverstromung sowie den Erhalt der Dörfer des dritten Umsiedlungsabschnitts bekundet“, heißt es. RWE erwarte in diesem Zusammenhang, dass weiterhin „eine durchgehende Genehmigungssicherheit des Tagebaubetriebs erhalten bleibt“.

Die Klimabewegung „Alle Dörfer bleiben“ zeigt sich trotzdem weiterhin entschlossen, Lützerath „vor der Zerstörung zu bewahren, falls RWE mit Abrissarbeiten beginnen sollte“. Die Bagger des Kohlekonzerns seien aktuell nur noch 200 Meter vom Dorf entfernt.