Kreis Wesel. Nach den jüngsten Rissen will das Umweltministerium die Lage im Wolfsgebiet neu bewerten und kurzfristig ein Rechtsgutachten in Auftrag geben.
Das Umweltministerium ist besorgt angesichts der gehäuften Nutztierrisse in Hünxe. Dort wurden zuletzt innerhalb von zwei Wochen drei Ponys sowie am Freitag ein Schaf in einem Umkreis von wenigen Kilometern gerissen. Die Prüfung läuft noch, aber der Verdacht liegt nah, dass für die Risse das Wolfsrudel verantwortlich ist, das im Wolfsgebiet Schermbeck heimisch ist. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser hat bereits nach dem ersten Riss der Serie am Bergschlagweg im Oktober die Frage nach einem Abschuss der Wölfin Gloria (GW954f) erneut aufgeworfen. Nun will das Ministerium ein neues Gutachten in Auftrag geben.
„Die Frage einer Entnahme ist erneut zu stellen, wenn die Wölfin GW954f an dem Vorfall beteiligt war und die Gefahr besteht, dass verstärkt Pferde Opfer von Übergriffen werden“, sagte die Ministerin vor drei Wochen. Ob der Riss des Ponys am Bergschlagweg tatsächlich auf Glorias Konto geht, steht noch nicht endgültig fest. Am Freitag wurde allerdings ein Schaf nur wenige Kilometer weiter, an der Schwarzen Heide, in den Morgenstunden gerissen – zwischen 7.30 und 8 Uhr. Anwohner in dem Bereich sind besorgt: Zu dieser Uhrzeit sind Schulkinder in dem Bereich auf dem Weg zu den Haltehäuschen des Schulbusses. Die Schafe waren bis 7.15 Uhr im Stall und danach durch einen Zaun, in der vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) empfohlenen Höhe von 1,20 Metern geschützt.
Keine Gefährdung von Menschen seit der Rückkehr der Wölfe
„Eine Gefährdung von Menschen durch Wölfe hat es seit der Rückkehr der ersten Wölfe nach Deutschland vor über 20 Jahren bisher nicht gegeben,“ stellt Christian Fronczak, Sprecher des Umweltministeriums NRW, klar. „Dennoch meiden Wölfe die vom Menschen geschaffenen Strukturen wie Straßen, Brücken oder Gebäuden nicht, das ist auch im Wolfsgebiet Schermbeck der Fall.“
Das wird bei der Bewertung berücksichtigt
Bei der Bewertung der Schermbecker Wölfe berücksichtigt das Lanuv das „Konzept zum Umgang mit Wölfen, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten“, das von der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) erstellt wurde. Danach sind Angriffe von Wölfen auf Menschen „ausgesprochen selten“. Zwar könnten Wölfe durch „ihre Körpergröße und Kraft“ Menschen zwar „ängstigen, sie in bestimmten Situationen auch verletzen und in Extremfällen sogar töten“. Die „Angst vieler Menschen vor dem Wolf steht jedoch in keinem Verhältnis zum objektiven Risiko eines Angriffes,“ so das Konzept. Die einzigen dokumentierten Angriffe in Europa von Wölfen auf Menschen ereigneten sich in Spanien in den 1950er und 1970er Jahren. Dabei wurden laut DBBW vier Kinder getötet und vier verletzt.
Zwar würden Wölfe, so die DBBW, eigentlich „Ortschaften und Straßen meiden“, das hätten Untersuchungen in Finnland und Deutschland gezeigt. Allerdings sei die „Straßen- und Bevölkerungsdichte in Deutschland erheblich höher als in Finnland“, so dass es selbst in der für deutsche Verhältnisse dünn besiedelten Lausitz vorkommen könne, dass Wölfe an Siedlungen vorbei oder „gelegentlich hindurch“ laufen, so das Konzept. Solche Tiere werden als „siedlungstolerante Wölfe“ bezeichnet, deren Verhalten als „unerwünscht“ aber „ungefährlich“ gilt. Erst, wenn ein Wolf „Menschen, die als solche zu erkennen sind“ – also nicht Gebäuden – „ wiederholt auf eine Distanz von unter 30 Metern duldet oder sich sogar wiederholt aktiv auf unter diese Distanz annähert“, könne sein Verhalten als „kritisch“ oder „gefährlich“ bewertet werden.
Darum ist das Umweltministerium besorgt
Das NRW-Umweltministerium ist wegen der Anzahl und des Umkreises der letzten Risse beunruhigt und will die Lage neu bewerten lassen: „Die aktuelle räumliche und zeitliche Häufung von Übergriffen erfüllen uns mit großer Sorge,“ so Sprecher Christian Fronczak. Dies gebe „noch einmal Anlass, hier genau zu prüfen Diese Prüfung planen wir kurzfristig, die Beschaffung eines rechtlich ausgerichteten Gutachtens im Rahmen dieser Prüfung ist aktuell in Vorbereitung.“
Grundsätzlich werde jeder Wolfsübergriff durch das LANUV dokumentiert und bewertet. „Die Bewertungen beinhalten immer auch die Frage, ob der empfohlene Herdenschutz mehrfach in räumlich und zeitlich engem Abstand überwunden wurde“, so Fronczak: „Solche Wölfe können auch nach den Vorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes im begründeten Einzelfall entnommen werden.“ Davon seien „auch die Wölfe des ‘Schermbecker Rudels’ nicht ausgenommen und somit gilt das auch für GW954f“. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hatte eine Entnahme der Wölfin im Mai dieses Jahres abgelehnt.