Moers. Hunde, die im Lockdown gekauft wurden, werden derzeit vermehrt ins Tierheim gebracht. Viele sind stark verhaltensauffällig. Die Gründe.

Schon von Weitem hört man Struppi laut bellen. „Fremde hat er nicht gerne. Im Umgang mit uns ist er aber super“, betont Nicola Kreuzmann. Sie ist Leiterin des Tierheims in Moers, das seit April 2021 auch das Zuhause von Struppi ist. Der grauhaarige Schnauzermischling ist ein sogenannter „Roter Hund“ des Tierheims in Moers.

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„Seit einiger Zeit teilen wir unseren Vermittlungshunden Farben zu. Ein rotes Halstuch bekommen bei uns die Hunde, die durch Aggressionsverhalten oder, so wie Struppi, sogar Beißvorfälle auffällig geworden sind“, erklärt die Tierheimleiterin. Waren solche Hunde bis vor ein paar Jahren noch Einzelfälle, steige die Nachfrage für Tierheimplätze dieser Haustiere inzwischen stetig. Vier habe das Tierheim Moers bereits aufgenommen, 20 stehen weiter auf der Warteliste.

Viele Hundebesitzer unterschätzen den Aufwand eines Haustieres

Nicola Kreuzmann sieht den Grund dafür in der Pandemie. „Die Menschen hatten Langeweile im Lockdown, haben sich dann einen Hund angeschafft, den sie jedoch nicht händeln können. Zusätzlich sind Hundeschulen geschlossen gewesen, Erziehung hat nicht stattgefunden. All das kann eben dazu führen, dass Hunde Verhaltensauffälligkeiten entwickeln“, erklärt Kreuzmann. Viele Besitzer würden die Arbeit, die ein Haustier mit sich bringt, unterschätzen.

„Dann haben die Kinder plötzlich doch kein Interesse mehr, man kann wieder in den Urlaub fahren, die Homeoffice-Zeit ist vorbei und die Tiere landen bei uns“, so Kreuzmann. Genau wie Struppi. Er sei bereits dreimal im Internet zum Verkauf angeboten, wegen Beißvorfällen jedoch immer wieder abgegeben worden. „Irgendwann hat das Ordnungsamt ihn nachts wegen seines aggressiven Verhaltens aus der Wohnung holen müssen“, erzählt Kreuzmann wie Struppi im Endeffekt ins Tierheim Moers gekommen ist.

Moerser Tierpflegerin hat ein Herz für verhaltensauffällige Hunde

Struppi mit Tierpflegerin Stefanie Bresnik.
Struppi mit Tierpflegerin Stefanie Bresnik. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Dabei wirkt er im Umgang mit Tierpflegerin Stefanie Bresnik überhaupt nicht aggressiv. Im Gegenteil. Der vierjährige Rüde tollt mit ihr auf der Wiese umher, scheint Streicheleinheiten zu genießen, gar zu brauchen. „Es muss doch jemanden geben, der sie mag“, begründet Bresnik ihr Herz für verhaltensauffällige Hunde. Struppi sei „toll im Umgang mit ihm vertrauen Personen, wenn diese ihn zu händeln wissen“.

Dennoch bedeuten Tiere wie Struppi am Anfang eine enorme Herausforderung. „Manche Hunde kommen zu uns und sind brandgefährlich. Wir halten aber jeden Tag unseren Kopf hin, um das vom Menschen gemachte Problem in den Griff zu bekommen“, so Kreuzmann. Mit einem fünfköpfigen Team werden sieben Tage die Woche die Tiere im Tierheim Moers versorgt. „Für bestimmte Hunde benötigen wir zwei Leute, damit immer einer da ist zum Absichern. Wir kommen personell derzeit oft an unsere Grenzen“, klagt Kreuzmann. Die Arbeit im Tierheim sei immer anspruchsvoller geworden - nicht zuletzt durch die hohe Abgabewelle in Corona-Zeiten.

Hunde werden oft über Internetportale gekauft

„Viele haben uns damals belächelt. Wir haben dies aber schon früh prophezeit“, sagt die Tierheimleiterin. Vor allem Tiere, die wie Struppi über Internetportale oder aber Auslandstierschutzorganisationen gekauft werden, landen in den Tierheimen. „Meines Erachtens nach muss die Politik jetzt gegensteuern und den Verkauf von Tieren im Internet verbieten“, lautet die klare Meinung von Kreuzmann.

Für sie habe der Verkauf der Tiere über diese Plattformen „nichts mit einer sachkundigen Vermittlung zu tun“. Sie nennt ein Beispiel: „Im Internet entscheidet sich eine vierköpfige Familie, die noch nie einen Hund hatte, für einen Schäferhund, weil er ihnen auf dem Foto vom Aussehen her gefällt. Dann wird einem das Tier irgendwo im Nirgendwo auf einem Parkplatz übergeben und ein paar Tage später merkt man, dass dieser Hund trainiert und ausgelastet werden muss, man aber gar keine Zeit hat. Nochmal ein paar Tage später wird das Kind von dem Hund gebissen und das Tier dann als ,Problemhund’ zu uns gebracht.“

Viele Menschen kauften Hunde in Corona-Zeiten

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Dabei sei das Verhalten des Hundes oft gar nicht charakterlicher Art, sondern meist eine Reaktion des Tieres auf eine Situation, in der es sich nicht anders zu helfen weiß. Landen diese Hunde erst einmal im Tierheim, sei die Vermittlung sehr schwierig, „zumal sich jetzt in Corona-Zeiten gefühlt jeder ein Haustier angeschafft hat“, gibt Kreuzmann zu bedenken. Einen Hund wie Struppi würde die Tierheimleiterin sowieso nur einem Halter „mit viel Erfahrung“ mitgeben, schließlich „lässt man ja auch niemanden Formel 1 fahren, nur weil er einen Führerschein hat“.

Struppi wohnt seit April 2021 im Tierheim Moers.
Struppi wohnt seit April 2021 im Tierheim Moers. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

Bevor das passiert, muss jedoch jeder Interessierte zunächst einen Fragebogen ausfüllen: Fragen, wie „wird auch nach Corona Homeoffice möglich sein? Was machen Sie mit dem Hund, wenn Sie wieder in den Urlaub fahren?“, seien dabei in den vergangenen Monaten ergänzt worden. „Was das angeht, prüfen wir noch genauer als sowieso schon“, so Kreuzmann. Dennoch befürchtet sie, dass die Abgabewelle noch lange nicht vorbei ist: „Da kommt noch einiges auf uns zu.“