An Rhein und Ruhr. Sicherstellungen aus illegalem Welpenhandel, Flut von Anfragen, Anspruchsdenken, Beleidigungen: Tierheime sind in der Coronazeit stark gefordert.

Erste „Corona“-Haustiere werden Herrchen und Frauchen schon wieder zuviel. „Wir hatten in den letzten Wochen erste Anfragen“, berichtet Niklas Jägering vom Tierheim Bocholt im Kreis Borken. Junge Hunde oder Katzen, angeschafft im vergangenen Jahr - nun sollen sie ins Heim. „Die Leute hatten sich das anders vorgestellt“, sagt Jägering im Gespräch mit der Redaktion (27. April 2021).

Corona hat für einen wahren Haustierboom gesorgt. Ein Hund, eine Katze, ein Vogel oder ein Kaninchen sorgen während des Lockdowns für Gesellschaft, im Homeoffice erscheint manches leichter. Tierheime an Rhein und Ruhr erleben die Schattenseiten des Booms.

Tierheim Düsseldorf: Fast 700 Anfragen binnen drei Tagen

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Ein großes Problem: Oft wollen Menschen ein Tier sofort und reagieren bitter enttäuscht, wenn sie es nicht bekommen. „Unfreundlichkeit und Ungeduld sind zu Corona-Zeiten noch angestiegen“, heißt es beim Tierheim Castrop-Rauxel.

Fast 700 E-Mails mit Anfragen binnen der ersten 72 Stunden hatte zum Beispiel das Tierheim Düsseldorf nach der Sicherstellung einer kleineren Anzahl von Welpen. Dass die jungen Hunde wegen Schnupfens und blutigem Durchfalls zunächst gar nicht vermittelt werden konnten, hat viele Interessenten gar nicht interessiert - sie bestanden ungeduldig darauf ein Tier „retten“ zu wollen. Tierheim-Mitarbeiter wurden am Telefon beschimpft.

Drohungen mit schlechten Bewertungen im Internet

Solche Fluten von „Adoptionsanfragen“ erleben Einrichtungen landauf, landab. Das Tierheim Köln-Zollstock etwa hatte Anfang des Jahres sogar über 5000 Anfragen für fünf Malteser-Hunde, nicht wenige rüde-ruppig im Ton. Das Heim in Bocholt hat das Ganze viele Hausnummer kleiner im Falle von zwei Rassekatzen mit „50 bis 60 Anfragen erlebt.

„Zum Teil ging es erkennbar darum, Rassetiere deutlich günstiger bei uns zu erwerben als beim Züchter“, berichtet der Bocholter Leiter Jägering. Zum Teil habe man es mit einzeiligen Mailanfragen ohne Anrede zu tun. Das Tierheim in Heinsberg berichtet, dass Drohungen mit schlechten Bewertungen bei den sozialen Medien zugenommen hätten.

Tierschutzbund-Chef: „Ein Tierheim ist kein Supermarkt“

Der in Bonn ansässige Deutsche Tierschutzbund, dem bundesweit über 740 Tierschutzvereine mit 550 Heimen angeschlossen sind, betont, dass auch in Corona-Zeiten in Tierheimen bei Vermittlungen sehr genau darauf geachtet werde, dass Tiere in ein geeignetes Zuhause ziehen. „Egal, wie groß der Wunsch nach einem Haustier ist: Es sollte klar sein, dass ein Tierheim kein Supermarkt ist, wo man Hund, Katze und Co. einfach mitnehmen kann“, erklärte Präsident Thomas Schröder.

Unterstützung für Tierheime in Corona-Zeiten

Viele Tierheime haben durch Corona Mindereinnahmen, weil zum Beispiel Basare entfallen, über die sie sich sonst finanzieren. Die Bundesregierung stellt aktuell fünf Millionen Euro als Corona-Hilfe für die Einrichtungen deutschlandweit bereit - 7500 Euro pro Heim. Im vergangenen Jahr hatte die NRW-Landesregierung insgesamt 68 Tierheime und Gnadenhöfe mit rund 119.000 Euro unterstützt. „Wir beobachten die Auswirkungen der Pandemie weiterhin sehr aufmerksam. Davon abhängig sind weitere Maßnahmen zu prüfen“, sagte ein Sprecher von NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. (dum)

Die Anspruchshaltung scheine sich durch die Corona-Krise verschärft zu haben, auf die oft ehrenamtlich tätigen Tierheim-Mitarbeiter werde oft keine Rücksicht genommen. Grundsätzlich freut man sich natürlich beim Tierschutzbund über das Interesse an einer Vermittlung. „Es freut uns, wenn Interessenten den Weg ins Tierheim suchen, anstatt auf dubiose Onlineanzeigen hereinzufallen“ betonte Schröder.

Genug Zeit fürs Tier - ein ganzes Hundeleben lang?

Und in den Tierheimen vor Ort wird betont, dass es eben auch viele Anfragen von Leuten gibt, die Verständnis haben. „Die haben sich dann auch Gedanken gemacht und genau abgewogen, wie das mit der Betreuung des Haustieres nach Homeoffice und Corona läuft“, erklärte Niklas Jägering vom Bocholter Tierheim. „Angehende Hundehaltehalter sollten sich fragen, ob genug Zeit für das Tier da ist - und zwar ein ganzes Hundeleben lang“, mahnt Nordrhein-Westfalens Tierschutzbeauftragte Gerlinde von Dehn.

Die Nachfrage bei den Tierheimen jedenfalls ist enorm. Das gilt geraden nach Sicherstellungen aus illegalem Welpenhandel, der in Corona-Zeiten blüht. Diese Sicherstellungen fordern die Tierheime stark. Viele dieser Hunde sind aber in einem schlechten Zustand und oft auch noch zu jung für eine Vermittlung. Zum Teil beschäftigen die Fälle auch noch die Strafverfolgungsbehörden.

Welpen für Transport mutmaßlich mit Alkohol ruhiggestellt

Bocholts Tierheimleiter Jägering berichtet gegenüber der Redaktion von einem aktuellen Fall, bei dem mehrere junge Hunde verschiedener Kleinrassen von den Händlern für den Transport mutmaßlich mit Alkohol ruhiggestellt worden waren. Dieser Fall werde zurzeit geprüft, die Hunde seien noch nicht zur Vermittlung bereit. Geduld ist also noch nötig.

„Es sollte klar sein, dass ein Tierheim kein Supermarkt ist, wo man Hund, Katze und Co. einfach mitnehmen kann“: Tierschutzbund-Vorsitzender Thomas Schröder.
„Es sollte klar sein, dass ein Tierheim kein Supermarkt ist, wo man Hund, Katze und Co. einfach mitnehmen kann“: Tierschutzbund-Vorsitzender Thomas Schröder. © Deutscher Tierschutzbund. | Deutscher Tierschutzbund