An Rhein und Ruhr. In der Corona-Krise wollen viele Menschen einen Hund. Skrupellose Geschäftemacher in NRW nutzen die Situation mit illegal gehandelten Welpen aus.

Wieder und wieder Fälle von mutmaßlich illegalem Welpenhandel: In Dortmund stellte die Polizei während der Ostertage bei einer 30-jährigen Frau sechs entkräftete, ursprünglich aus Ungarn stammende Dackelbabys sicher, die offenbar zum Verkauf bestimmt waren. Die Frau gab an, die Dackel weiter nach Großbritannien ausführen zu wollen.

Die Sicherstellung war am Karfreitag (2. April 2021) nach einem Hinweis erfolgt, Beamte trafen die Frau mit den Hunden in einem Garten an. Ende März waren fünf Welpen unbekannter Rasse, verdreckt mit Fäkalien und Essensresten aus einem Kleintransporter in Marl befreit worden.

Husky mit Strick an der Heizung angebunden

Und ebenfalls im März waren in Hamm zwei Elterntiere und acht offenbar zum Verkauf bestimmte Welpen entdeckt worden - verwahrlost, abgemagert, verängstigt und verdreckt. Die Alttiere (Husky und Schäferhund) waren eng an Heizung und Badezimmerarmatur angebunden. Die Wohnung war überschwemmt.

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Nach Einschätzung von Tierschützern und Behörden blüht der illegale Welpenhandel, gerade in Corona-Zeiten. Skrupellose Geschäftemacher wollen vom anhaltenden Haustierboom profitieren, auf dem Rücken der Tiere. Ihre Hunde werden unter quälerischen Bedingungen in Ost- oder Südeuropa gezüchtet, haben zehrende Transporte hinter sich und verfügen über keine Papiere. Angeboten werden sie in der Regel online.

Preise im illegalen Handel haben offenbar angezogen

Über Medienberichte und Tierheim-Meldungen wurden dem in Bonn ansässigen Deutschen Tierschutzbund im Coronajahr 2020 laut vorläufigen Zahlen allein in Nordrhein-Westfalen 18 Fälle von illegalem Tierhandel bekannt. Dabei sei es um 111 Hunde und 26 Reptilien gegangen. Zum Vergleich: 2019 waren es sieben Fälle gewesen - mit 33 Hunden, zwei Katzen, zwei Reptilien.

Die illegalen Händler punkten mit der raschen Verfügbarkeit ihrer Welpen. Züchter verkaufen nicht an jeden, bei Züchtern muss man warten, bei den Händlern auf dem schwarzen und grauen Markt nicht. Im Zuge der starken Nachfrage haben die Preise aber offenbar angezogen, und zwar auf breiter Front.

Oft fehlt den Hunden ein EU-Heimtierausweis

Beim Tierschutzbund weiß man von Maltesern, die zwischen 1500-2500 Euro angeboten wurden. Für Maltipoo-Welpen wurden 2000 Euro aufgerufen, Zwergspitze lagen bei 1500 bis 2000 Euro und Labradore bei 1500 Euro. „Günstigere Angebote zwischen 500 und 800 Euro scheinen wirklich seltener zu werden“, so Verbandssprecherin Hester Pommerening.

Worauf Käufer achten sollten?

Worauf Bürger beim Hundekauf achten sollten - Empfehlungen des NRW-Umweltministeriums:

- Rückverfolgbarkeit: Kann man den Anbieter identifizieren? Seriöse Portale, zum Beispiel von Tierheimen, lassen sich zurückverfolgen.
- Dokumente: Gibt es in den Papieren Auffälligkeiten, sind die Papiere fehlerhaft?
- Verkaufsort: Wo soll das Tier übergeben werden? Findet der Verkauf aus dem Kofferraum statt?
- Preis: Ist der Preis marktüblich oder ein Schnäppchen?
- Zustand des Tieres: Ist es gesund oder erkennbar in schlechtem Zustand?

„Wer diese Hinweise beachtet, trägt nachhaltig zur Eindämmung des illegalen Tierhandels bei“, heißt es im Ministerium.

Andere Tierschutzorganisationen beobachten die Entwicklung ebenso mit Sorge. Gerlinde von Dehn, die Landestierschutzbeauftragte, ebenfalls geht davon aus, dass der illegale Welpenhandel in Corona-Zeiten zugenommen hat. Im Gespräch mit der Redaktion berichtet sie, dass es Tierärzte in ihren Praxen immer wieder auch mit Hunden zu haben, die augenscheinlich über fragwürdige Quellen erworben wurde.

„Die Leute fragen sich: Wann, wenn nicht jetzt?“

„Die Tiere wurden nur unzureichend oder gar nicht geimpft, es gibt oft keinen EU-Heimtierausweis“, berichtet von Dehn. Mitunter seien Hunde auch bereits an Parvovirose erkrankt - einer Viruserkrankung, die für ungeimpfte Hunde eine große Gefahr darstellt. „Für die Tiere endet sie oft tödlich, für Halter wird die Behandlung sehr teuer“, so die NRW-Tierschutzbeauftragte.

Dass der Wunsch nach einem Haustier in Corona-Zeiten gewachsen ist, ist für von Dehn nachvollziehbar - „der Mensch braucht lebendigen Kontakt, das ist nicht verwerflich.“ In vielen Familien seien Kinder die Entscheider. Der langgehegte Tierwunsch werde jetzt erfüllt, da alle daheim im Homeoffice oder im Homeschooling sind. „Die Leute sagen sich: Wann, wenn nicht jetzt?“, so die Tierschutzbeauftragte.

NRW-Tierschutzbeauftragte: Anschaffung eines Hundes genau überlegen

Von Dehn appelliert eindringlich, sich die Anschaffung genau zu überlegen, auch mit Blick auf die Zeit nach Corona. Zudem solle man sich ein Haustier nur über seriöse Quellen zulegen. Onlineangebote seien oft nicht nachverfolgbar. Besonders tückisch empfindet sie mitunter Offerten in sozialen Netzwerken, wo mit persönlicher Ansprache und scheinbarer Vertrautheit gearbeitet wird.

„Die Menschen brauchen lebendigen Kontakt, das ist nicht verwerflich“: NRW-Tierschutzbeauftragte Dr. Gerlinde von Dehn.    
„Die Menschen brauchen lebendigen Kontakt, das ist nicht verwerflich“: NRW-Tierschutzbeauftragte Dr. Gerlinde von Dehn.     © MULNV | MULNV

Hinter solchen Offerten stecken nicht immer organisierte Verkäufer oder das, was gemeinhin oft als „Welpen-Mafia“ bezeichnet wird. Laut der Tierschutzbeauftragten gibt es auch die bedenkliche Entwicklung, dass Privatpersonen von Urlauben oder Heimatbesuchen in Ost- oder Südeuropa mehrere Hunde zum Verkauf mitbringen: „Bei drei Hunden sind 3000 Euro schnell verdient.“

Behörden arbeiten in Projektgruppe zusammen

Eine Projektgruppe von Landesumweltamt, NRW-Umweltministerium und mehrerer Kreisbehörden befasst sich mit illegalem Tierhandel. Laut von Dehn setzt diese Projektgruppe insbesondere auf Aufklärung und will zu Hinweisen an die Behörden ermuntern. Auch für illegalen Welpenhandel gelte: „Ohne Nachfrage kein Angebot.“