Haldern. Seit dem Lockdown vor einem Jahr hat Corona unser Leben verändert - auch das Landleben. Wir haben Menschen in Haldern gefragt, wie es ihnen geht.

Wer in Haldern lebt, lebt im Erdgeschoss. Das dürfte für rund 90 Prozent der 5500 Einwohner gelten, nur im Ortskern gibt es einige wenige Häuser mit zwei und auch mal drei Etagen. Und wer hier lebt, hat Platz: Weniger als 250 Menschen teilen sich hier einen Quadratmeter. Lässt sich Corona auf dem Land daher besser ertragen? Im zweiten Teil unserer serie „Lockdown auf dem Land“ haben wir jemanden gefragt, der es wissen sollte.

Die Frau im Wald

„Hier im Wald leben wir eigentlich auf einer Insel der Seligen“, sagt die 53-Jährige, die im Stallmeisterhaus eines längst verschwundenen Schlosses wohnt. Was so verwunschen ist, wie es klingt. Hier wohnt sie mit ihrem Sohn (13) und der Tochter Chiara (21) und einem jungen Mann, der hier ein Zuhause gefunden hat. „Der geht eigentlich gern ins Fitnessstudio“, erzählt Tochter Chiara. Jetzt hält er sich mit Holzhacken fit. Die große Axt steckt noch in den filetierten Teilen eines Baumes.

Chiara studiert in Münster – theoretisch. Faktisch sitzt sie genauso vor dem Laptop wie ihr jüngerer Bruder. Immerhin: Chiara konnte dessen Begeisterung für Lerninhalte trotz Pubertät etwas mehr wecken als die Mutter. „Für meine Kinder ist das schon schlimm“, sagt Schulze-Böckenhoff. „Egal ob 13 oder 21: Das sind doch Phasen, in denen man sich ausprobiert, flügge werden will. Und jetzt hocken die alle mit mir hier zusammen.“ Ja, das habe den Zusammenhalt gestärkt. Aber es hat auch jeden Konflikt schärfer hervortreten lassen.

Die Auftragslage für die freie Architektin ist auch nicht besser geworden. Häufig hat sie Umbauten für Hotels und Gaststätten geplant – deren Betreibern sind jetzt froh, wenn sie irgendwie überleben. Was sich nicht geändert hat, ist die Natur: „Man kann hier ja immer raus“, sagt sie. Weg von den schlechten Nachrichten: Bäume kennen kein Corona – und die 15 Pferde, die die Menschen hier eingestallt haben, auch nicht, genauso wenig Esel, Schwein, Ziegen, Enten, die beiden Hunde und die Katze.

Gewiss, das Idyll ist das gleiche geblieben – aber ihr großes Wohnzimmer, das Platz bot für viele Dutzend Zuhörer bei vielen Privatkonzerten– es ist still geworden. „Und ich habe hier immer Gäste aus vielen Ländern gehabt, habe übers Internet Zimmer vermietet. Das ist alles weggefallen.“ So ist sie jetzt seit einem Jahr auf sich zurückgeworfen auf ihre Insel. Doch auch die schönste Insel wird zum Gefängnis, wenn die Fähre zur Welt fehlt.