Haldern. Seit dem Lockdown vor einem Jahr hat Corona unser Leben verändert - auch das Landleben. Wir haben Menschen in Haldern gefragt, wie es ihnen geht.

Was Corona betrifft, ist die Welt in Haldern derzeit in Ordnung. Man könnte auch sagen: Das 5500 Einwohnerdorf ist eine Insel der Seligen. Es gehört zur Stadt Rees, wo der Bürgermeister in der vergangenen Woche exakt einen neuen Corona-Fall verkündete, sieben der 22.000 Einwohner sind derzeit erkrankt, Inzidenzwert 4,7 – im Kreis Kleve liegt er bei rund 100. Im Moment ist alles gut – doch wie hat das erste Jahr mit Lockdown, Kontaktbeschränkungen, mit Ängsten und Sorgen das Dorf und die Menschen verändert? Wir haben uns umgehört, zunächst, wie es sich gehört, beim Ortsvorsteher...

Ein Kaiser namens Theodor

Kaiser – das klingt groß und mächtig. Doch selbst bei den Sankt-Josef-Schützen in Haldern ist ein Kaiser ein Ehrentitel – und nicht mehr. Theo Kersting hat ihn 2018 errungen, in der guten alten Zeit. Weil er einer von damals noch 39 lebenden Schützenkönigen war. Nun prangt das Schild „Kaiser-Theo-Straße“ an der Garagenauffahrt. Drinnen residiert in Personalunion der Ortsvorsteher – noch ein Ehrenamt. Eines, dessen Macht im Zuhören besteht.

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In Hipsterdeutschland würde so etwas vielleicht „Village-Supervisor“ heißen. Eine Funktion zwischen Beichtvater und Quartiersmanager. Ein Job, in dem man mit allen spricht und möglichst viel zuhört. Doch Kersting sagt: „Es ist still geworden.“ Kein Karneval, kein Schützenfest, kein Haldern-Pop-Festival.

„Sogar nach der Messe gehen die Menschen fast sofort wieder auseinander. Früher hat man auf dem Kirchplatz noch zusammengestanden und geredet.“ So, sagt Kersting, bekommt er nicht mal mit, wer im Coronajahr verstorben ist. An, mit oder ohne die Seuche.

Wegen Corona: Maximal zu siebt auf der Orgelempore

Seit zwei Jahren ist der ehemalige Bahnbeamte Pensionär, im September hat er zudem nach 25 Jahre als CDU-Ratsherr in Rees auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Mit seinem Nachfolger bespricht er noch das ein oder andere Thema. „Aber eigentlich wollte ich im Ruhestand mit meiner Frau Fahrradtouren machen, am Rhein, an der Mosel, der Ahr“, erzählt er.

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Aber auch, wenn es zeitweise unter Coronabedingungen erlaubt gewesen wäre – so hatte er da keine Lust drauf. Genauso wenig wie auf den Kirchenchor: Statt mit 35 Leuten im Chor zu singen, stehen sie maximal zu siebt auf der Orgelempore. Jeder darf einmal im Monat. Neben ihm auf dem Tisch liegt sein Laptop. Doch wer Zeit hat, die Festplatte zu ordnen, hat meist zuviel Zeit. Zum Ausgleich bleibt der Garten – und das Fahrradfahren.„Es ist so viel an Gemeinschaft verloren gegangen in diesem Jahr“, sagt er.

Zum Beispiel bei den Geburtstagen der Senioren. Zum 80. und zum 85. klingelt der Ortsvorsteher zum ersten Mal, ab dem 90. kommt Theo Kersting, selbst 67 Jahre alt, jedes Jahr vorbei. Rund 130 Besuche sind das pro Jahr, bei denen er die Glückwünsche der Stadt überbringt und oft genug noch bleibt auf einen Kaffee und einen Schwatz. „Jetzt stehe ich da am Gartenzaun mit Maske und überreiche mit spitzen Fingern das Schreiben“, sagt er und schüttelt ein wenig den Kopf. „Man bekommt auch so die Ängste der Leute mit.“

Lesen Sie hier die weiteren Folgen aus der Serie „Lockdown auf dem Land":