An Rhein und Ruhr. Wegen Corona haben die Hallenbäder geschlossen, die Wartelisten für Schwimmkurse sind lang. Experten warnen vor Generation von Nichtschwimmern.
Benno sollte eigentlich im vergangenen Sommer schwimmen lernen, mit seinen Eltern und dann im Schwimmkurs. „Das ging dann natürlich alles nicht“, erzählt seine Mutter Linda Rosteck. Ihr fünfjähriger Sohn wird im Sommer eingeschult, wegen der geschlossenen Schwimmbäder in der Corona-Pandemie gibt es für ihn derzeit keine Möglichkeit, das Seepferdchen zu machen. „Ich mache mir keine Sorgen, dass Benno der Einzige ist, der bei der Einschulung in seiner Klasse nicht schwimmen kann“, sagt Rosteck. „Da wird es viele Kinder geben, bei denen das so ist.“
Mehr Gedanken macht sie sich um Bennos Sicherheit, ihr Sohn komme in ein Alter, wo er auch mal alleine draußen spiele. „Wir wohnen unmittelbar am Rhein-Herne-Kanal“, so die Oberhausenerin. „Solange er nicht schwimmen kann, möchte ich Benno da eigentlich nicht alleine rumlaufen lassen.“
Viele Eltern haben Angst, dass ihre Kinder nie richtig schwimmen lernen
Wie sie haben viele Eltern, aber auch Vereine und Lehrer Angst, dass eine Nichtschwimmer-Generation heranwächst, die wegen der Corona-Pandemie nie richtig schwimmen gelernt hat. Schon vor der Krise waren die Wartelisten lang, Corona hat das Problem verschärft. 80 Prozent der Kinder, die 2020 das Seepferdchen und das Schwimmabzeichen in Bronze hätten machen sollen, konnten nicht ausgebildet werden. „Es wächst eine Altersgruppe heran, die nicht schwimmt und die das auch bis zum Ende der vierten Klasse nicht gelernt hat“, sagt Frank Zantis, Sprecher der DLRG Nordrhein.
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Man befinde sich deswegen im ständigen Austausch mit dem Land und den Kommunen. Die Eindämmung des Virus stehe an oberster Stelle, dennoch: „Das ist eine ganz schwierige Situation, die sich wahrscheinlich auch in steigenden Ertrinkungszahlen ausdrücken wird“, so Zantis.
Keine Seepferdchen im Jahr 2020
Aus den mehr als 175 Ortsgruppen ist ähnliches zu hören. Bei der DLRG Dinslaken, erklärt Pressesprecher Fabian Friese, sei es im vergangenen Jahr nicht möglich gewesen, die beiden Anfängerkurse mit je zwölf bis 13 Kindern zu Ende zu bringen. „Der Unterricht geht immer ein Halbjahr, 2020 wir wurden aber zuerst im März und dann im Oktober unterbrochen“, sagt Friese. Heißt: In diesem Jahr müssen diese Kinder erst einmal ihr Seepferdchen nachholen, bevor neue Kurse starten können. Mehr Kurse anzubieten sei ein Teil der Lösung, dafür müsse es dann aber auch genug Personal geben. „Es wird eine Kraftanstrengung“, meint Friese.
So sieht das auch Monika Huf, die erste sportliche Leiterin bei den Freien Schwimmern Rheinkamp in Moers ist. „Ich gehe davon aus, dass in diesem Sommer mehr Kinder als sonst ertrinken werden“, sagt sie. In den vergangenen Wochen haben bei ihr mindestens 40 Eltern angerufen, die ihre Kinder anmelden wollten. „Bei meinen Kollegen ebenso viele“, erzählt Huf. Wie das alles aufzuholen sei, weiß sie nicht. „Schon in normalen Zeiten haben wir viel zu wenige Plätze“, sagt sie. „Und nun fehlen fast zwei Jahre Kurse.“ Für die Anfänger habe es 2020 nur einen ganz kurzen Zeitraum gegeben. „Als wir ihnen in März gerade die Angst vorm Schwimmen genommen hatten, mussten die Bäder schließen“, so Huf.
„Ich hätte Sorge, dass wir uns im Schwimmbad anstecken“
Sie habe jetzt schon einmal für die Osterferien Zeiten im Bad reserviert, falls es bis dahin wieder losgehen dürfe. „Das wird dann aber wahrscheinlich in viel kleineren Gruppen geschehen, genau wie im Sommer“, vermutet Huf. Da habe man sieben Personen auf zwei Bahnen in das 25-Meter-Becken gelassen. „Ich war jeden Tag im Bad, weil keine Eltern zugelassen waren und viele ältere Ehrenamtliche, die normalerweise helfen, aus Angst vor Corona nicht gekommen sind“, erzählt sie. Mehr Kurse anzubieten sei angesichts dessen schwierig.
Hinzu kommt, dass einige Eltern ihre Kinder wegen der Pandemie auch gar nicht in einem Kurs anmelden wollen. „Ich hätte Sorge, dass wir uns im Schwimmbad anstecken. Im Moment würde ich eigentlich nur einen Einzelkurs mit Benno machen“, sagt Linda Rosteck. Ein erhöhtes Infektionsrisiko haben Schwimmbäder nach Angaben der NRW-Landesregierung nicht, das Schulschwimmen ist nach wie vor grundsätzlich möglich. Problem: Die meisten kommunalen Sportstätten sind geschlossen und in Zeiten des Distanzunterrichts an Schulen findet derzeit in der Regel weder Sport- noch Schwimmunterricht statt.
Landesregierung hat Aktionsplan für Zeit nach Pandemie
Nach der Pandemie will die Landesregierung das Schwimmen weiter stärken, das geschieht auch im Rahmen des Aktionsplans „NRW kann schwimmen“. Die Mittel dafür wurden im Landeshaushalt 2021 um 100.000 Euro auf 287.000 Euro erhöht. Auch Schulen können hieraus Mittel erhalten.
Ziel sei, so bald wie möglich so viele Schwimmkurse wie möglich anzubieten. „Voraussetzung dafür ist, dass die epidemiologische Entwicklung dies erlaubt, die Schwimmzeiten dafür zur Verfügung stehen und die Kapazitäten an entsprechend ausgebildeten Schwimmtrainerinnen und Schwimmtrainern sowie Übungsleiterinnen und Übungsleitern eine breite Umsetzung der Vorhaben ermöglichen“, so ein Sprecher der Staatskanzlei. „Bereits in den vergangenen Jahren, auch ohne die coronabedingten Einschränkungen, bestanden Wartelisten für Kinderschwimmkurse. Von elementarer Bedeutung ist daher, dass die angeleiteten Prozessen zum Schwimmen lernen, sich auch Eltern und Familienangehörige damit befassen, die Wassergewöhnung von Kindern zu unterstützen.“