An Rhein und Ruhr. Die Pandemie hat den Tourismus in NRW “mit unvorstellbarer Wucht“ getroffen. Branchenvertreter haben aber Hoffnung für 2021.

Nach einem desolaten Corona-Jahr kämpfen viele Tourismus-Betriebe in Nordrhein-Westfalen ums Überleben. "Wir stehen in engem Austausch mit der Branche und unterstützen dort, wo wir können", versicherte NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) an diesem Freitag (15. Januar 2021).

Eine Wiedereröffnung der im Zuge des Lockdowns geschlossenen Unternehmen zeichnet sich bislang nicht ab, andere laufen bei schmalem Betrieb entsprechend der Vorgaben weiter, decken den verbliebenen Geschäftsreiseverkehr ab. Vor der Corona-Krise war der Tourismus zwischen Rhein und Weser zehn Jahre von Rekord zu Rekord geeilt, die Pandemie hat die Branche - was die Zahlen betrifft - um Jahrzehnte zurückgeworfen.

Übernachtungs- und Gästezahlen halbiert

Für das gesamte Bundesland kommt der Dachverband Tourismusverband NRW laut vorläufigen Zahlen im Gesamtjahr 2020 auf 28,1 Millionen Übernachtungen (-47% gegenüber 2019) und 10,9 Millionen Gäste (-55%). Die Zahlen ergeben sich aus vom Landesamt für Statistik bis November vorliegenden Daten plus Hochrechnungen.

So wenig Gästeankünfte hatte es in NRW laut Verband zuletzt im Jahr 1989 gegeben, bei Übernachtungen muss man noch länger zurückschauen - und landet im Jahr 1985. "Die Corona-Pandemie hat die Tourismusbranche mit einer unvorstellbaren Wucht getroffen", sagte Heike Doll-König, Geschäftsführerin von Tourismus NRW.

Große Unterschiede in den NRW-Regionen

Je nach Betriebstyp (z. B. Hotel oder Campingplatz) - und je Region gab es aber deutliche Unterschiede. Das dickste Minus bei den Übernachtungen ergeben die Zahlen des Verbands für Düsseldorf, das mit dem Kreis Mettmann auf 63% Rückgang kam. Das Sauerland hingegen verbuchte den im NRW-Vergleich geringsten Rückgang (-34%).

Während Betriebe in ländlichen Gebieten sich zwischen den Lockdowns im Sommer etwas erholen konnten, lag der Städtetourismus durchgängig darnieder - insbesondere, weil Messen und Events bis heute fehlen. Für den Niederrhein ergeben die Berechnungen einen Rückgang von 44%, das Ruhrgebiet kommt auf -51%.

Staatliche Hilfen noch nicht angekommen

Allzu lange darf die Krise nicht mehr dauern: "Selbst gesundeste Betriebe können ins Wanken kommen", mahnt Martina Baumgärtner, Geschäftsführerin von Niederrhein Tourismus, gegenüber der Redaktion. Sie kritisierte, dass von der Politik zugesagte Hilfen Firmen noch nicht erreicht haben. Baumgärtner sieht aber auch gute Chancen, dass der Tourismus nach Ende der Corona-Maßnahmen rasch wieder Fahrt aufnimmt.

Davon ist Ruhr-Tourismus-Chef Axel Biermann überzeugt: "Die Menschen wollen doch ins Restaurant, ins Konzert oder zum Shoppen." Es werde Nachholbedarf geben. Entscheidend sei, dass die Impfungen vorankommen, Inzidenzwerte sinken und dann Beschränkungen aufgehoben werden. Biermann hofft, dass der Erholungstourismus im Frühjahr/Frühsommer wieder spürbar anläuft: "Beim Städtetourismus wird es wohl September werden."

"Lust aufs Reisen nicht verloren"

"Ich bin fest davon überzeugt, dass der Tourismus im laufenden Jahr wieder Fuß fasst", meinte NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart. Er kündigte Unterstützung bei der Wiedereröffnung und der Entwicklung neuer Angebote an. "Die Lust der Menschen aufs Reisen keineswegs verloren gegangen", sagt Tourismus-NRW-Chefin Döll-König.

Inlandsziele dürften nach dem Ende des Lockdowns stärker gefragt sein. Bei einer Marktstudie vom vergangenen Herbst, der FUR-Analyse, rückte NRW als Urlaubsziel für den Sommer 2021 auf dem sechsten Rang vor. Bei der vorangegangenen Analyse hatte NRW noch auf dem 10. Platz gelegen.

Zehn Rekordjahre in Folge haben die nordrhein-westfälischen Beherbergungsbetriebe bis 2019 gemeldet. Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung jedoch jäh gestoppt: Sowohl Gäste- als auch Übernachtungszahlen brachen 2020 massiv ein und lagen damit auf einem so niedrigen Niveau wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Hochrechnungen* von Tourismus NRW zufolge verbuchten die meldepflichtigen Beherbergungsbetriebe in Nordrhein-Westfalen 2020 rund 10,9 Millionen Gäste, was einem Minus von rund 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspräche. Die Zahl der Übernachtungen brach gleichzeitig um rund 47 Prozent ein und lag bei 28,1 Millionen. Das Minus bei den Übernachtungen ausländischer Gäste fiel mit etwa -63 Prozent sogar noch gravierender aus, nicht zuletzt wegen der pandemiebedingten Absage nahezu aller Messen. Insgesamt lag die Zahl der Gäste den Hochrechnungen zufolge etwa auf dem Niveau von 1989. Die Übernachtungszahlen sanken gar auf den niedrigsten Wert seit Beginn der Statistiken 1985.

„Die Corona-Pandemie hat die Tourismusbranche mit einer unvorstellbaren Wucht getroffen. Viele Betriebe, die über Jahre, teils auch Jahrzehnte erfolgreich geführt und am Markt etabliert waren, drohen an der Krise zu zerbrechen und für immer zu schließen“, erklärt Dr. Heike Döll-König, Geschäftsführerin des Tourismus NRW.“ Um dies zu verhindern, müssten Hilfszahlungen des Bundes rascher ankommen und gemeinsam Perspektiven für die Branche geschaffen werden.

Entwicklung verlief je nach Destination und Betriebstyp unterschiedlich

Die Entwicklung in den einzelnen Regionen verlief 2020 äußerst unterschiedlich – einen Krisengewinner gab es jedoch nirgendwo. Besonders starke Rückgänge mussten die städtetouristischen Destinationen hinnehmen, da sowohl die normalerweise stark vertretenen internationalen Gäste und Businessgäste weitgehend ausblieben als auch die normalerweise wichtigen Veranstaltungen und Events aufgrund von Absagen als Reiseanlässe ausfielen. Ländlichere Regionen waren verglichen damit in den Öffnungsphasen hingegen stärker gefragt. Das geringste Minus im Jahresverlauf verbuchte daher auch das Sauerland mit –34 Prozent bei den Übernachtungen. Den stärksten Rückgang verzeichnete Düsseldorf, das gemeinsam mit dem Kreis Mettmann auf ein Minus von 63 Prozent kam. Um den Inlandstourismus zu stärken und Menschen für Ziele in Nordrhein-Westfalen zu begeistern, hat das Land im vergangenen Sommer die Kampagne „#rauszeitlust – Mach mal NRW“ mit 1,2 Millionen Euro unterstützt.

Auch bei den Unterkunftsformen waren pandemiebedingt deutliche Unterschiede zu sehen: Autarke Übernachtungsangebote wie Camping oder Ferienwohnungen kamen deutlich besser durch die Krise als beispielsweise Hotels. So lagen die Rückgänge bei den Campingplätzen bei rund -10 Prozent und bei Hotels bei rund -54,0 Prozent. Noch härter traf es Gruppenunterkünfte wie Hütten oder Jugendherbergen, die ein Minus von 70 Prozent bei den Übernachtungen verbuchten.

Auch die Zahl der Tagesreisen ging 2020 massiv zurück. Nach ersten Lockerungen jedoch zeichnete sich hier eine schnelle Erholung ab – was teilweise sogar zu Overtourism führte. „Die Nachfrage zeigt, dass die Lust der Menschen aufs Reisen keineswegs verloren gegangen ist. Das, verbunden mit einer verbreiteten Immunisierung durch Impfungen, gibt mir Hoffnung für 2021“, erklärt Döll-König.

Wirtschaftsminister Prof. Dr. Andreas Pinkwart: „Die Tourismusbranche leidet stark unter den Auswirkungen der Corona-Pandemie. Besondere Rückgänge gab es beim Messetourismus, der von den Lockdown-Maßnahmen nahezu das ganze Jahr über betroffen war. Auch in den kommenden Monaten dieses Jahres ist hier mit erheblichen Einschränkungen zu rechnen. Wir stehen in engem Austausch mit der Branche und unterstützen dort, wo wir können. Dies gilt auch mit Blick auf eine baldige Wiederöffnung und die Entwicklung neuer Angebote. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Tourismus nach dem Lockdown schnell wieder an Fahrt aufnehmen wird und die Branche im laufenden Jahr wieder Fuß fasst.“

Weitere Informationen und Zahlenmaterial finden sich unter www.touristiker-nrw.de.

* Die Hochrechnungen basieren auf den Zahlen der von IT.NRW veröffentlichten amtlichen Statistik für die Monate Januar bis November 2020 sowie auf der Annahme, dass sich die Zahlen im Dezember 2020 aufgrund des Lockdowns ähnlich entwickelt haben wie im April 2020. Die amtliche Statistik berücksichtigt grundsätzlich Betriebe mit mindestens zehn Betten beziehungsweise Campingplätze mit mindestens zehn Stellplätzen.