An Rhein und Ruhr. . Neue Rote Liste vorgelegt: Der Singvogel ist wie die Haubenlerche als Brutvogel in NRW jetzt ausgestorben. Dramatische Rückgänge bei Feldvögeln.
Der Gesang des Ortolans soll Ludwig van Beethoven zu seiner 5. Symphonie inspiriert haben. Orto-... Wer? Der teils lustig gefärbte Vogel, auch „Gartenammer“ genannt, war in Nordrhein-Westfalen schon länger so selten geworden, dass viele Menschen ihn gar nicht mehr kennen. Letzte Brutpaare hatte es noch im südlichen Münsterland gegeben – vorbei. Als Brutvogel ist der Ortolan in NRW jetzt ausgestorben, das gleiche Schicksal hat die Haubenlerche ereilt. „Die Haubenlerche findet wohl keine Nahrung mehr“, sagt Dr. Joachim Weiss, der Vorsitzende der nordrhein-westfälischen Ornithologengesellschaft. Der Ortolan habe zwar noch seine Alleen, möglicherweise habe ihn aber der intensive Getreideanbau verzweifeln lassen.
Das Aussterben zwei weiterer, ehedem weit verbreiteter Brutarten – das ist die ganz schlechte Nachricht der neuen Roten Liste der Brutvögel, die Landesumweltamt und Ehrenamtler der Ornithologengesellschaft jetzt in sehr aufwändiger Arbeit erstellt haben. Biologische Vielfalt ist ein unbedingt schützenswertes Gut, betont Joachim Weiss im Gespräch mit der NRZ. Was weg ist, kann (wenn überhaupt) nur mit großem Aufwand und nach einem langen Zeitraum wieder zurückgeholt werden. Zudem gilt: Vögel haben wie jedes Lebewesen ihre Rolle in der Natur (z. B. als Schädlingsbekämpfer) und bieten den Menschen schon allein über Gesang tolle Naturerlebnisse.
Laut der neuen Roten Liste sind 93 von 188 Brutvogelarten in ihrem Bestand gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits ausgestorben. Es gibt auch gute Nachrichten: „Schutzmaßnahmen zeigen Wirkung“, sagt Weiss. Einige sogenannte „Flaggschiffarten“ sind von der Liste runter, weil sich die Bestände erholt haben. Das gilt z. B. für den in Ostwestfalen, aber gerade auch am Niederrhein wieder beheimateten Weißstorch. Ebenso gilt es für seinen Vetter, den eher in Waldgebieten und Mittelgebirgen beheimateten Weißstorch. Es gilt ebenso für den Wanderfalken und den Uhu.
Das und die Tatsache, dass die Zahl der gefährdeten Brutvogelarten insgesamt seit den 80er Jahren leicht zurückgegangen ist, darf laut Fachmann Weiss gerade nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in einigen Bereichen ganz dramatische Rückgänge gebe – gerade bei den Vögeln, die auf Feldern und Wiesen zu Hause sind. Die Bestände von Arten, die auf Ackerflächen oder Grünland brüten, sind inzwischen weniger als halb so groß wie noch vor 25 Jahren.
Zusammenhang mit dem Insektensterben
Bekassine, Uferschnepfe und Braunkehlchen sind akut vom Aussterben bedroht, ebenso der am Niederrhein beheimatete Rotschenkel. Kiebitz und Kuckuck wurden hochgestuft; selbst der Star gilt jetzt als „gefährdet“.
Entweder fehlt Lebensraum oder Nahrung - oder beides. Weiss sieht einen Zusammenhang mit dem zuletzt oft beschriebenen Insektensterben – viele Vögel ernähren sich von Insekten. Was ist zu tun? Im Gespräch mit der NRZ fordert Fachmann Weiss, dass Lebensräume in Schutzgebieten verbessert werden müssten – „derzeit gibt es dort oft noch zu viel intensive Landwirtschaft“. Es müsse weniger Gülle und weniger Pflanzen- und Insektengift ausgebracht werden. Zudem müsse die Natur mehr unbewirtschaftete Flächen als Rückzugsräume haben.
Info: Die Rote Liste der Brutvögel kann bestellt werden unter 0 21 51 / 56 12 27.
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Neben der Roten Liste für Brutvögel wurde auch eine für wandernde Vogelarten erstellt – auch da ist die Lage nicht gut: 71 Arten und Unterarten sind dort vertreten. Vogelarten, die im Freiland ihren Hauptlebensraum haben, sind deutlich stärker gefährdet als solche, die hauptsächlich in Wäldern oder in Siedlungen auftreten. Langstreckenzieher sind zudem gefährdeter als Kurzstreckenzieher oder Standvogelarten.
Bei der Einstufung der Bestände wird auf der Roten Liste unterschieden nach „gefährdet“, „stark gefährdet“, „vom Aussterben bedroht“ und „ausgestorben“. Zudem gibt es eine Vorwarnliste – „die muss man sich vorstellen wie eine gelbe Ampel im Straßenverkehr“, sagt Joachim Weiss von der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft (rund 1000 Mitglieder).
Für die Erstellung der Liste wird auf Daten des Umweltamtes, aber auch auf Stichproben und Zählungen zurückgegriffen. Gefährdet oder nicht? „Die Einstufung erfolgt nach transparenten, bundesweit einheitlichen Kriterien“, betont Weiss. Neben den aktuellen Zahlen habe man auch mittlere und Langfristtrends (80 bis 100 Jahre) im Blick.