Hünxe. Aufnahmen von einem Wolfsangriff in Hünxe sorgten am Osterwochenende für Diskussionen. Nabu-Expertin Stenglein will Prüfung des Videos abwarten.
Für Diethelm Mölleken ist der Fall klar: Das Handyvideo, das seine Mieterin am Samstagmorgen von ihrem Fenster aus aufgenommen habe, zeige zweifelsfrei zwei Wölfe. „Ich habe die Tiere selbst gesehen und Fotos gemacht“, so Mölleken. „Das waren auf keinen Fall Hunde.“ Auf den Aufnahmen, die die Mieterin wenig später ins Internet stellte, sei klar zu erkennen, wie zwei Wölfe in Sichtweite des Hauses am Hohen Wardweg in Hünxe einen Hirsch angreifen.
Das NRW-Umweltministerium mahnt jedoch zur Zurückhaltung: „Bisher können keine belastbaren Aussagen zu dem Sachverhalt getroffen werden“, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Pressemitteilung. Das Bild- und Videomaterial sei zuständigkeitshalber dem Landesumweltamt (Lanuv) weitergeleitet worden. Dort müssten die Aufnahmen erst sorgfältig geprüft werden. „Jedes Szenario, über das bis zur Auswertung des Materials diskutiert wird, ist reine Spekulation“, sagte Lanuv-Pressesprecher Wilhelm Deitermann.
Nabu-Expertin Stenglein: So einen Fall gab es in NRW noch nicht
Auch Katharina Stenglein, Expertin beim Landesverband des Naturschutzbundes (Nabu), bittet um Geduld. „Wir müssen die offizielle Bewertung der Videobilder abwarten“, so Stenglein. Aus ihrer Sicht zeigen die beiden Tiere, die den Hirsch bedrängen, aber zumindest Verhalten, das so auch Wölfe zeigen würden. Möglicherweise seien sie noch etwas unsicher beim Angriff auf ein solch großes Beutetier oder versuchen es abzulenken: „Und sie sind es ja auch zu Recht – wie die Verteidigung des Hirsches zeigt“, meint Stenglein im Gespräch mit der Redaktion.
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Sollte die offizielle Bewertung ergeben, dass die Aufnahmen tatsächlich zwei Wölfe zeigen, die in Hünxe gemeinsam jagen – so wäre das laut Stenglein „eine kleine Sensation“: „Das hatten wir in Nordrhein-Westfalen noch nicht, bei den Weidetierhaltern vor Ort würde das in der aktuellen Situation und Diskussion um die Wölfin GW 954f verständlicherweise bestimmt nicht zur Freude beitragen.“ Stenglein weist daraufhin, dass sich Gerüchte über einen zweiten Wolf in der Region schon seit einiger Zeit halten.
Spekulationen über baldigen Nachwuchs und eine Rudelbildung in der Region sind einstweilen aber auch nicht mehr als das, was sie tatsächlich sind: nämlich Spekulation. Damit es Nachwuchs gibt, müssten die Aufnahmen tatsächlich ein Wolfsweibchen und -Männchen zeigen, also eine Fähe und einen Rüden – und diese müssten auch schon geraume Zeit unterwegs sein. „Wölfe haben ihre Ranzzeit im Winter und der Nachwuchs kommt üblicherweise Ende April, Anfang Mai nach einer Tragzeit von 61 bis 63 Tagen“, sagt Stenglein. Seien Rüde und Fähe also noch nicht im Februar oder spätestens Anfang März beisammen gewesen, sei in diesem Jahr auch noch kein Nachwuchs zu erwarten.
Kreisjägerschaft fordert Regulierung der Wolfspopulation
Die Kreisjägerschaft Wesel hatte bereits Anfang März nach angeblichen Sichtungen im Bereich Wesel/Rees eine Regulierung der Wolfspopulation gefordert. Das nun veröffentlichte Handyvideo sei ein weiterer Hinweis, dass sich die Tiere in naher Zukunft weiter vermehren könnten. „Ich halte die Aufnahmen für echt“, so Pressesprecher Sebastian Falke.
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Die Kreisjägerschaft erwarte von der Politik einen klaren gesetzlichen Rahmen, um eine unkontrollierte Ausbreitung der Tiere zu verhindern. „Einzelne Wölfe sind nicht das Problem“, so Falke. Problematisch werde es erst dann, wenn sich zwei oder drei Rudel im Wolfsgebiet Schermbeck ausbreiten und es vermehrt zu Zwischenfällen an Tierherden komme. Dann müsse im Zweifelsfall auch über den Abschuss von einzelnen Tieren nachgedacht werden.