Kreis Wesel. Von „Ohne sie wäre es einfacher“ bis „das Problem ist kein Problem“: Die Meinungen zu Wölfin „Gloria“ gehen auseinander. Stimmen aus der Region.

Für Schafhalter geht es um die Existenz, Umweltschützer freuen sich, dass der Wolf zurückgekehrt ist, Politiker sitzen zwischen zwei Stühlen: Seit Wölfin Gloria nicht weit von Hünxe, Schermbeck und Dinslaken durch die Wälder im Kreis Wesel streift, wird eine emotionale Diskussion geführt. Wir haben Akteuren aus den Bereichen Umwelt, Landwirtschaft und Politik folgende Frage gestellt: „Freund oder Feind: Können wir mit dem Wolf leben?“

Schafhalter: Ohne den Wolf wäre es einfacher

„Wir sind nicht verfeindet mit dem Wolf, aber auch kein großer Freund“, sagt Schafhalter Kurt Opriel aus Hünxe, der klar stellt: „Es wäre für uns von der Handhabe her alles einfacher, wenn der Wolf nicht da wäre.“ Es gehe darum, die Tiere vernünftig zu sichern. „Wir versuchen alles, machen alles - auch in Zusammenarbeit mit dem Lanuv. Da haben wir auch manchmal so unsere Schwierigkeiten.“ Was sich der Schafhalter wünschen würde: „Wenn die Bevölkerung einsichtig wäre und uns nicht immer als Schuldigen darstellen würde - weil wir angeblich unsere Tiere nicht richtig sichern würden. Das ist eine Aussage, die nicht stimmt.“

Opriel hält aktuell mit Ziegen rund 145 Tiere, vertreibt selber Schutzzäune. Er erinnert sich noch genau an den frühen Sonntagmorgen in diesem Sommer, als in seiner Herde kurz hintereinander mehrere Schafe gerissen wurden. Es gebe woanders Wölfe, die im Jahr sechs oder sieben Schafe. „Da würde hier am Niederrhein keiner etwas dagegen sagen.“ Opriel weiß von anderen, die wegen des Wolfs mit der Schafhaltung aufgehört haben. Eigentlich wolle er auch für seinen Sohn eine Existenz mit aufbauen, „da überlegen wir auch, ob das für ihn noch etwas bringt oder nicht.“ Opriel betont, wie wichtig die Schafe für das Ökosystem, für die Landschaftspflege und zum Schutz der Insekten seien.

Nabu-Vorsitzender: „Der Wolf ist in Wirklichkeit ein Schisser“

„Ich kann auf jeden Fall mit dem Wolf leben - das sage ich nicht, weil ich ein Romantiker bin“, antwortet Peter Malzbender, Vorsitzender der Nabu-Kreisgruppe Wesel. Der Wolf komme nicht wegen der Landschaftsästhetik an den Niederrhein, sondern wegen des reichlichen Futterangebots in den Wäldern - wegen des Schalenwilds. Das Problem sei kein Problem. Zumindest dann nicht, wenn Nutztiere fachgerecht eingezäunt und ab einer bestimmten Anzahl Tiere Herdenschutzhunde eingesetzt würden, sagt Malzbender.

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Der Nabu-Vorsitzende übt aber Kritik an den ständigen Pressemeldungen - auch vom Lanuv - über wieder nachgewiesene vom Wolf gerissene Schafe. Das suggeriere dem normalen Bürger „Boah, was richtet der Schäden an“, sagt Malzbender. Als weiteres Problem betrachtet er das für viele Menschen noch vorherrschende Vorurteil von „Rotkäppchen und der böse Wolf“. „Der Wolf ist in Wirklichkeit ein Schisser, er geht dem Menschen so aus dem Weg“, sagt Malzbender und beschreibt, wie er mehrere Wölfe in Brandenburg gesehen habe. „Sie haben mich gerochen und sind lieber weitergezogen.“

Bürgerforum Gahlen: „gw954f“ legt auffälliges Verhalten an den Tag

„Wir haben derzeit nur einen Wolf. Im nächsten Winter ist die Wölfin wahrscheinlich paarungsbereit und über kurz oder lang wird es hier ein Rudel Wölfe geben.“ Das seien mindestens fünf Wölfe in dieser Region, welche ihr Verhalten von ihrer Mutter lernen würden. „Was geschieht, wenn die Wild- und Nutztierbestände soweit reduziert sind, dass sie zur Nahrungsaufnahme für das Rudel nicht mehr reichen? Welche Opfer wird sich das Rudel dann suchen?“ Diesen Ausblick schildert die Arbeitsgruppe Wolf des Gahlener Bürgerforums, einem Zusammenschluss aus Institutionen, Vereinen und engagierten Bürgern, das sich seit Nutztier-Rissen im näheren Gahlener Dorfumfeld dem Thema angenommen hat.

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Die Meinung der Gruppe: Insbesondere der Gesetzgeber hätte sich frühzeitig Gedanken machen müssen, ob und wo regional eine Wiederansiedlung des Wolfes für alle Beteiligten (Natur, Wolf, Nutzvieh und Mensch) sinnvoll ist. Rechtzeitig hätten entsprechende Schutzmaßnahmen eingerichtet werden müssen. „Vor allem galt es zu vermeiden, dass ein Wolf nicht von vorn herein ‘falsch konditioniert bzw. erzogen wird’“. Dies sei im Falle der Wölfin mit der Kennzeichnung „gw954f“ im Wolfsgebiet Schermbeck leider eingetreten. Sie lege aufgrund ihres nachgewiesenen Schadenumfangs ein sehr auffälliges Verhalten an den Tag.

Peititions-Vertreterinnen: „Rückkehr des Wolfes ist Gewinn für unser Ökosystem“

Gloria, eine Problemwölfin? Diese Frage hat das Lanuv im September verneint. Als vorab aber diskutiert wurde, ob das Tier möglicherweise „entnommen“, also getötet werden müsse, regte sich in Schermbeck Protest. Tanja Brodel und Heike Brietsche-Ilsemann starteten eine Petition mit dem Titel „Schermbecks Wolf soll leben“.

Ihre Meinung zur Ausgangsfrage: „Wir sehen die Rückkehr des Wolfes als Gewinn für unser Ökosystem an. Die Wiederansiedlung des Wolfes und die damit einhergehenden Veränderungen sind unseres Erachtens nach nur ein exemplarisches Beispiel für zukünftige Aufgaben, und wie wir damit konstruktiv umgehen wollen.“ Sie wünschten sich ein effektives Wildmanagement und eine unkomplizierte Unterstützung für die Landwirte. „Uns ist es wichtig gemeinsam an Lösungen zu arbeiten, um eine Koexistenz von Wolf und Weidetieren auf Dauer zu ermöglichen.“

Weitere Stimmen- Können wir mit dem Wolf leben?

Franz Bammer (Vorsitzender Hundesportverein Hünxe-Krudenburg):

"Ich sage – als Freud des Wolfes – unter bestimmten Voraussetzungen, ja. Unter bestimmten Voraussetzungen – damit meine ich die Rahmenbedingungen, die natürlich erfüllt sein müssen. Das heißt, die Politik muss ihren Beitrag dafür leisten, dass die Menschen, die durch den Wolf geschädigt werden, nicht darunter leiden, sondern finanziell unterstützt werden. Unter den Mitgliedern unseres Vereins, die alle einen Hund haben, gibt es keine Vorurteile jedweder Art. Es muss uns gelingen, dass das Tier, das erstmals seit Jahrhunderten hier wieder zu Hause ist, eine Existenz bekommt. Wenn sich alle Mühe geben ist ein Zusammenleben Wolf Mensch möglich."

Landrat Dr. Ansgar Müller:

"Dass sich eine Wölfin bei uns im Kreis Wesel angesiedelt hat, ist ein gutes Ergebnis der Naturschutzarbeit im Kreis. Aber man muss auch die Gefährdung sehen, die ein Wolf für Schafe und andere Weidetiere bedeuten kann. Es darf nicht passieren, dass durch einen oder mehrere ansässige Wölfe z. B. die Weidetierhaltung mit Schafen zurückgeht. Schafhalterinnen und Schafhalter leisten Wichtiges im Kreis Wesel. Um nur ein Beispiel zu nennen, unterstützt die Schafbeweidung unserer Deiche den Hochwasserschutz. Es muss also sichergestellt werden, dass die Herdenschutzmaßnahmen und die entsprechende Förderung des Landes NRW funktionieren und für die Schafhalterinnen und Schafhalter auch praktikabel sind. Sollte entschieden werden müssen, ob die Wölfin entnommen werden muss, kann dies nur emotionslos, sachgerecht und unter Beachtung der europäischen Schutzvorgaben erfolgen. Dies wird nicht leicht sein."

Michael Herbrecht (Förster):

„Bei der Frage geht es nicht um die Meinung, ob der Wolf hier hingehört oder nicht. Das hat der Wolf selbst entschieden. Ganz klar ist auch, dass der Wolf aufgrund der gesetzlichen Lage geschützt werden muss. Die Angst der Leute kann ich auf der einen Seite verstehen, auf der anderen Seite aber auch ganz klar beruhigen. Man muss vor dem Wolf keine Angst haben. Was die Nutztiere betrifft, müssen Vorkehrungen getroffen werden. Aber das passiert zurzeit ja gerade.”

Günter Rinke (Vorsitzender der BUND Kreisgruppe Wesel):

„Wir können mit dem Wolf leben, da er ein sehr vorsichtiges Tier ist und für den Menschen keine Gefahr darstellt. Voraussetzung für ein gutes Miteinander ist jedoch ein optimaler Herdenschutz. Besonders die Schäfer benötigen dringend mehr staatliche finanzielle und organisatorische Unterstützung, um einen optimalen Schutz ihrer Tiere gewährleisten zu können. Die Schäfer sind schließlich mit ihrer extensiven Weidewirtschaft hervorragende Naturschützer.”

Klaus Stratenwerth (Gemeinde Hünxe):

"Der Wolf muss geschützt werden. Dafür sind Land und Kreis zuständig. Andererseits sehen wir natürlich auch die betroffenen Schafhalter in unserer Gemeinde, die unter dem Wolf leiden. Die Interessen der Landwirte, insbesondere der Schafhalter, müssen berücksichtigt werden."

Mike Rexforth (Bürgermeister Schermbeck):

„Letztendlich ist das Tier durch europäische Gesetze geschützt. Vor diesem Hintergrund müssen wir uns mit dem Wolf arrangieren. Ein Problem ist es aber, wenn sich der Wolf atypisch verhält. Da gibt es in Schermbeck schon Vorfälle – etwa, dass sich der Wolf nah am Siedlungsbereich bewegt. Da muss dann sachlich diskutiert werden, ob sich der Wolf hier oder besser in weniger dicht besiedelten Gebieten niederlassen sollte.“

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