Dorsten. Niels Ribbrock ist Wolfsberater im Gebiet Schermbeck. Am Tatort muss er Spuren sichern – um so den Täter ausfindig machen zu können.
Wenn Niels Ribbrock zu einem Tatort fährt, hat er immer seinen kastenförmigen Koffer mit dabei. Darin befinden sich all die Hilfsmittel, mit denen er wichtige Spuren sichern und dokumentieren kann. Opfer in solchen Fällen sind häufig Schafe, Tatverdächtiger ist immer der Wolf. Und genau deshalb wird er gerufen – denn Ribbrock ist nicht etwa Kriminaltechniker von der Polizei, sondern Wolfsberater im Auftrag des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV).
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„Als der Wolf langsam von Osten nach Westen gewandert ist, war es Zeit, sich auf ihn vorzubereiten“, erzählt Ribbrock. Der Landschaftsökologe und Mitarbeiter der Biologischen Station Kreis Recklinghausen kannte sich berufsbedingt bereits mit dem Thema Artenschutz aus, so dass er sich im Jahr 2016 freiwillig für die Fortbildung zum Wolfsberater meldete. In vier jeweils dreitägigen Seminaren können Interessierte alles Wissenswerte über Nutztier- und Wildtierrisse, die Spurensicherung sowie die Kommunikation mit Nutztierhaltern erfahren.
Nutztierhalter in Stresssituation
Gerade die richtige Kommunikation ist bedeutsam für seine Arbeit, wie Ribbrock betont: „Die emotional aufgewühlten Tierhalter befinden sich natürlich in einer Stresssituation, wenn sie morgens ihre getöteten oder verletzten Nutztiere finden. Es ist also immer eine Menge Fingerspitzengefühl gefragt.“ Er versuche in solchen Momenten daher ruhig sein fachliches Wissen zu vermitteln, Hinweise zum Herdenschutz und Entschädigungszahlen zu geben.
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Doch neben den Gesprächen mit den Nutztierhaltern widmet sich Ribbrock bei seiner Arbeit besonders einer zentralen Aufgabe: „Wolfsberater sind für das Sichern und Dokumentieren von Spuren zuständig.“ Das müsse möglichst schnell, mindestens aber innerhalb von 24 Stunden stattfinden. Denn, so erklärt Ribbrock: „DNA ist flüchtig.“ Und so musste er schon so manches Mal Sonntagmorgens losfahren, um kurze Zeit später am Tatort seinen Spurensicherungskoffer auszupacken und mit seiner Arbeit loszulegen.
Wölfin Gloria als geübte Jägerin
„Wir gehen zunächst einmal ganz offen an den Fall heran, denn es könnte neben dem Wolf auch ein Hund gewesen sein. Oder ein Fuchs hat das auf andere Weise gestorbene Tier im Nachgang befressen“, sagt Ribbrock. Er schaue sich daher erst einmal die Gesamtsituation an, dokumentiere Blutflecken oder Schleifspuren. Erst im nächsten Schritt gehe er zum betroffenen Tier, wo ein Kehlbiss bereits auf die Beteiligung eines Vertreters der hundeartigen Raubtiere hindeute. Und dann kommt das erste Hilfsmittel aus dem Koffer zum Einsatz.
Wolfsberater Niels Ribbrock geht auf Spurensuche
Ribbrock zieht einen sterilen Wattestab hervor und erklärt, wie er eine Probe entnimmt: „Ein Wolf kommt meistens von hinten, fasst an die Kehle und drückt die Luftröhre zu, weshalb die toten Tiere oft Schaum an Maul und Nase aufweisen.“ Wölfin Gloria aus dem Wolfsgebiet Schermbeck sei übrigens eine sehr geübte Jägerin. „Ich nehme dann aber nicht direkt an der Bissstelle die Probe, sondern aus deren Umfeld. Dort befindet sich besonders viel Speichel des Verursachers.“
Wolfsberater auf Spurensicherung
Zwei solcher Abstriche kommen anschließend gemeinsam mit Trocknungsmitteln in eine Tüte, damit die Genetikprobe unversehrt am Senckenberg Forschungsinstitut in Gelnhausen ankommt. Das Institut ist für das gesamte Bundesgebiet zuständig, so dass es auch schon mal einige Wochen bis zur endgültigen Bewertung dauert. Dafür benötigen die Experten allerdings noch weitere Hinweise, die der Wolfsberater vor Ort sammelt.
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„Als nächstes misst man am Kehlbiss die Abstände zwischen den Abdrücken der vier Eckzähne“, erklärt Ribbrock. Jede Information trägt er in ein entsprechendes Protokoll ein – so auch den möglichen Zeitpunkt des Risses oder die Anzahl der gerissenen Tiere. „Meistens sind es aber nur ein bis zwei Tiere“, so Ribbrock. Nur einmal habe er zehn getötete und zwei verletzte Tiere aufgefunden, die restliche Herde Damwild sei zudem sichtlich beunruhigt gewesen. Einer seiner ersten Einsätze, der im Kopf geblieben ist.
Zusammenleben von Wolf und Mensch
Damit der Wolfsberater zumindest nicht ein zweites Mal kommen muss, packt Ribbrock bei Bedarf direkt einen großen Haufen roter Maschen in seinen Anhänger. Einmal aufgestellt entsteht so ein mobiler Zaun von insgesamt 400 Meter Länge, der zum sogenannten Herdenschutzset gehört. Denn das Land NRW übernimmt zwar Materialkosten für Herdenschutz in entsprechenden Wolfsgebieten und deren Pufferzonen zu hundert Prozent – allerdings muss nach einem Förderantrag der Zuwendungsbescheid erst vorliegen, bevor Nutztierhalter Herdenschutzzäune oder -hunde kaufen können. „Die Halter wollen ihre Tiere nach einem Riss aber sofort schützen, deshalb bieten wir solche Überbrückungshilfen an“, sagt Ribbrock.
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Der Zaun ist entscheidend. So habe Ribbrock bei seinen Einsätzen neben wenigen vorbildlichen Ausnahmen auch viele Zäune gesehen, die nicht den Mindeststandards des Herdenschutzes entsprechen. Grund dafür seien häufig die dadurch zusätzlich entstehende Arbeit oder auch die Annahme, dass es die eigenen Tiere schon nicht treffen würde. Dabei seien Übergriffe auf Nutztiere mit Grundschutz oder sogar empfohlenem Schutz deutlich seltener.
„In der Vergangenheit brauchten Tierhalter einen Zaun, damit die Herde nicht ausbüxte“, so Ribbrock. „Mit der Rückkehr des Wolfs haben sich die Anforderungen geändert und der Arbeitsaufwand ist mittlerweile viel größer. Aber gerade in dem Bereich des Wolfsgebiets sollte jeder Halter zum Wohl seiner Tiere aktiv werden.“
Dass trotz der Mehrarbeit die Akzeptanz für den Wolf wächst, dafür setzt sich Ribbrock mit rund 70 anderen Wolfsberatern in NRW ein. „Der Wolf ist faszinierend und hochintelligent“, betont Ribbrock. Und genau deshalb hofft er, dass sich der Herdenschutz in Zukunft flächendeckend ausbreitet – damit das Zusammenleben von Wolf und Mensch möglich ist.
>>> So erreichen Sie einen Wolfsberater
Eine Liste aller Luchs- und Wolfsberater finden Nutztierhalter auf der Internetseite www.wolf.nrw.
Das Landesumweltamt ist zudem werktags telefonisch erreichbar unter 02361/3050 und außerhalb der Geschäftszeiten unter 0201/714488.