Berlin/ München. Ein junger Mann (30) wäre fast selbst Opfer des Anschlags in München geworden und leistete erste Hilfe. Wie er alles wahrgenommen hat.
Sein Telefon klingelt ununterbrochen. Pressevertreter aus aller Welt versuchen Michael Jäger in die Leitung zu bekommen. Alle wollen sie wissen, wie er den Anschlag in München erlebt hat. Bei BBC hat er schon live gesprochen. Der 30-Jährige entkam nur knapp den Rädern des Mini-Cooper, der am 13. Februar in München in einen Demonstrations-Zug gefahren ist.
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Quelle: Screenshot/instagram Täter Anschlag München 13.02.2025"
„20 Meter hinter mir ist das Auto zum Stehen gekommen“, sagt Jäger. „Ich war relativ weit hinten im Zug, als ich gehört habe, wie ein Motor aufgeheult ist, kurz danach gab es einen lauten Krach.“ Der Krach sei wohl der Schuss eines Polizisten gewesen, wie er später erfahren hat.
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„Dann habe ich mich umgedreht und habe dieses zerbeulte Auto gesehen und drumherum ein paar dutzend Verletzte auf dem Boden“, sagt Jäger. Manche Personen hätten versucht, den Wagen aufzuhalten. Andere liefen vom Tatort weg und wieder andere leisteten erste Hilfe. „Das habe ich dann auch gemacht.“
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Anschlag in München: Augenzeuge leistete erste Hilfe
Jäger arbeitet als Experte für nachhaltiges Bauen bei den Stadtwerken München. Er spricht ruhig und gefasst von dem schrecklichen Erlebnis. „Ich weiß auch nicht, woran das liegt“, sagt er. „Vielleicht ist die Resilienz eine Charaktereigenschaft.“ Das psychologische Betreuungsangebot von Verdi und dem Kriseninterventionsdienst habe er nicht in Anspruch genommen.
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„Dafür habe ich einen sehr guten Unterstützerkreis. Es wurde viel um mich gesorgt und mein Umfeld hat mir viel Hilfe angeboten“, sagt Jäger. Die Gespräche mit Pressevertretern hätten ihm gutgetan. „Es hat mir schon immer geholfen, meine Stimme nach außen zu tragen.“ Das sei seine Art, mit dem Erlebten umzugehen
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Augenzeuge von München: „Wie kann ich erste Hilfe leisten?“
Dann erzählt Jäger wieder vom Anschlag. „Meine ersten Gedanken waren tatsächlich: Wie kann ich helfen? Wie kann ich erste Hilfe leisten oder verhindern, dass noch Schlimmeres passiert?“ Weil schon viele Menschen den Opfern halfen, machte er es sich zur Aufgabe, andere Betroffene davon abzuhalten, Verletzte zu filmen oder zu fotografieren. In der Kurzschlussreaktion hätten Demonstrationsteilnehmer ihre Handys herausgeholt.
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„Nach einer Minute hat die Polizei, den Fahrer aus dem Wagen gezerrt und den Verletzten erste Hilfe geleistet“, sagt Jäger. Das Großaufgebot des Rettungsdienstes sei ebenfalls schnell vor Ort gewesen, berichtet er. „Ich habe nur mitbekommen, wie der Täter verhaftet wurde, die Polizei ihn auf den Boden gedrückt und ihm Handschellen angelegt hat“, sagt der 30-Jährige.
- Newsblog: Die News zum mutmaßlichen Anschlag in München im Blog
- Überblick: Was über die Tat von München bekannt ist
- Farhad N.: Das weiß man über den Täter von München
- Opfer: Kind muss reanimiert werden – Opfer „eher zufällig“
- Tatort: Gespenstische Stille – und ein eindringlicher Appell
Kaum eine ruhige Minute für den Augenzeugen seit Anschlag von München
Als der 30-Jährige rund vier Meter an dem Täter und den Polizisten vorbeigelaufen sei, habe er die dunkle Hautfarbe des Täters registriert – und sei davon ausgegangen, dass der Anschlag instrumentalisiert werden würde. Daher habe er noch am Abend mit anderen Betroffenen eine Kundgebung organisiert. Das Motto: keine politische Instrumentalisierung des Anschlags.
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Die Anwesenden dort hätten verurteiltet, dass seitens mancher Politiker der Anschlag genutzt werde, um gegen Menschen mit Migrationshintergrund zu hetzen. Jäger macht dabei auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Vorwürfe: Zu wenig hätten die beiden Spitzenpolitikern zu den Opfern und Betroffenen gesagt, zu schnell sei der Fokus auf politische Maßnahmen gegen Asylbewerber gelenkt worden. Der CSU-Chef hatte noch am Abend auf schärfere Gesetze gedrungen, zugleich aber vor einem Generalverdacht gegen jeden mit Migrationshintergrund gewarnt. Scholz, der am Samstag zum Ort der Gewalttat kommen will, hatte am Donnerstag die Abschiebung des mutmaßlichen Täters gefordert.