Berlin. Nach Grönland und Kanada will US-Präsident Trump nun den Gazastreifen „übernehmen“. Vielleicht steckt eine ganz andere Idee dahinter.
Es klingt wie ein Plan aus einer anderen Welt. US-Präsident Donald Trump will, dass die USA den Gazastreifen übernehmen und ihn zu einer „Riviera des Nahen Ostens“ machen. Ist das ein fulminantes Hirngespinst oder ein „game changer“ im Nahost-Konflikt? Die Antworten zu den wichtigsten Fragen.
Wie realistisch ist Trumps Gaza-Plan?
Nach allen Kriterien ist es schwer vorstellbar, dass Trumps Plan Realität wird. Wollen die USA den Gazastreifen – wie Trump es formuliert – „dauerhaft in Besitz nehmen“, müssten sie zur Absicherung Truppen in die politisch aufgeladene Region entsenden. Das macht sie zum Ziel möglicher Terroranschläge.
Völlig unklar, ob der amerikanische Präsident den Gazastreifen annektieren oder als US-Verwaltungszone deklarieren will. Und, rein praktisch gefragt: Wer sollte die Luxus-Domizile der „Riviera des Nahen Ostens“ beziehen? Trumps lapidare Antwort: „Viele Menschen“ sollten dort leben, „Palästinenser auch“. Dies deutet darauf hin, dass der Chef des Weißen Hauses von einer fixen Idee getrieben wird und sich mit den Fragen der Umsetzung nicht befasst hat.
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Erschwerend hinzu kommt, dass Trump von den arabischen Nachbarstaaten blanke Ablehnung entgegenschlägt. Die betroffenen zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens bezieht er erst gar nicht in seine Überlegungen ein. Der demokratische Senator Chris Van Hollen aus dem Bundesstaat Maryland kritisiert die gewaltsame Vertreibung der Bevölkerung als „ethnische Säuberung“.
Wäre das rechtlich überhaupt möglich?
Die zwangsweise Umsiedlung der Bewohner des Gazastreifens ist mit internationalem Recht nicht vereinbar. Relevant ist Regel 129 des internationalen Völkergewohnheitsrechts. Vom Deutschen Roten Kreuz gibt es eine Übersetzung der in der Rechtsdatenbank des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) hinterlegten englischen Texte. Hier heißt es: „Die an einem internationalen bewaffneten Konflikt beteiligten Parteien dürfen die Zivilbevölkerung eines besetzten Gebiets, in ihrer Gesamtheit oder teilweise, nicht verschleppen oder zwangsweise überführen, sofern dies nicht im Hinblick auf die Sicherheit der betroffenen Zivilpersonen oder aus zwingenden militärischen Gründen geboten ist.“ Letzteres dürfte sich kaum auf die Bedingungen im Gazastreifen anwenden lassen.
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Darüber hinaus wird Palästina von 146 der 193 Mitgliedsländern der Vereinten Nationen als Staat anerkannt – darunter auch Spanien, Norwegen und Irland. Auf Deutschland und die USA trifft das nicht zu. Aber die Bundesregierung macht sich seit vielen Jahren für eine Zweistaaten-Lösung stark.
Was sagen die arabischen Nachbarstaaten?
Kein arabischer Staat stimmt der Trump-Initiative zu. Jordanien und Ägypten, die die rund zwei Millionen Menschen aus dem Gazastreifen aufnehmen sollen, haben bereits abgewunken. In Kairo befürchtet die Regierung, dass eine große Zahl Geflüchteter die wirtschaftliche und soziale Lage weiter verschärfen könnte – insbesondere in der Sinai-Region, wo bereits Sicherheitsprobleme mit islamistischen Gruppen bestehen.
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Jordanien zählt weltweit zu den Ländern mit der höchsten Flüchtlingszahl pro Einwohner. Neben zahlreichen Syrern lebt dort bereits eine große palästinensische Gemeinschaft. Eine erzwungene Vertreibung aus dem Gazastreifen könnte die innenpolitische Balance destabilisieren und den Einfluss der Palästinenser im Land weiter stärken – ein Szenario, das Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung und der Monarchie verstärken könnte.
Experten warnen, dass Trumps Pläne zwei der stabilsten Länder im Nahen Osten destabilisieren könnten. Die USA könnten die Regierungen mit einem Stopp finanzieller Unterstützung jedoch erheblich unter Druck setzen. Ägypten etwa erhält jährlich rund 1,3 Milliarden US-Dollar Militärhilfe.
Auch aus Saudi-Arabien, einem Schlüsselstaat im Nahen Osten, kommt ein klares Nein. Riad werde seine „unnachgiebigen Bemühungen um die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt fortsetzen“, erklärte das saudi-arabische Außenministerium am Mittwoch im Onlinedienst X. Ohne diese Voraussetzung werde Saudi-Arabien keine diplomatischen Beziehungen zu Israel aufnehmen.
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Trump hofft allerdings, die Saudis mit Öl und Waffen zu ködern. Die Grundzüge eines solchen Deals: Die USA liefern Kernkraftwerke und Waffen an den Wüstenstaat, dem sie zudem militärischen Schutz gewähren. Gleichzeitig investiert das öl- und gasreiche Land 600 Milliarden Dollar in den Vereinigten Staaten.
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Wie stünde es mit der wirtschaftlichen Umsetzbarkeit?
Laut dem UN-Nothilfebüro Ocha sind 90 Prozent der rund zwei Millionen Menschen im Gazastreifen während des Krieges aus ihren Häusern und Siedlungen vertrieben worden. Nach Auswertung des UN-Satellitenzentrums UNOSAT von Dezember sind rund 69 Prozent der Gebäude im Gaza-Streifen zerstört oder beschädigt.
Der Gazastreifen sei „unbewohnbar“, erklärte der amerikanische Nahost-Gesandte Steve Witkoff nach einem Besuch der Küstenenklave. Der Wiederaufbau werde zehn bis 15 Jahre dauern. Laut der US-Denkfabrik Rand Corporation kostet der Wiederaufbau des Gazastreifens 500 Milliarden Dollar.
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An der gewaltigen Summe müssten sich in jedem Fall die öl- und gasreichen Golfstaaten beteiligen, die bislang allerdings keine derartige Bereitschaft signalisiert haben. Die Mittel der EU sind eher begrenzt, solange viele Milliarden Euro zur Unterstützung der Ukraine ausgegeben werden. Auch Trump wird – nicht zuletzt aus innenpolitischen Gründen – Amerikas Staatskasse nicht über Gebühr belasten wollen.
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Möglicherweise kommen aber noch andere Finanzquellen ins Spiel. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, Immobilienentwickler und Investor, hatte bereits im vergangenen Jahr eine Idee ventiliert, die für Wirbel sorgte. „Die Grundstücke entlang der Uferpromenade des Küstenstreifens könnten sehr wertvoll sein“, sagte er damals. Der Mischkonzern Trump Organization, dessen Kerngeschäft aus Immobilien besteht, wird von Trumps Söhnen Donald Jr. und Eric geleitet. David Friedman, ehemaliger US-Botschafter in Israel, stellte in Anlehnung an Trumps Luxus-Domizil Mar-a-Lago in Florida augenzwinkernd die Frage: „Mar-a-Gaza oder Gaz-a-Lago?“
Was wären die Konsequenzen?
Eine Eine-zu-eins-Umsetzung von Trumps Plänen erscheint äußerst unwahrscheinlich. Sie würde den konfliktbeladenen Nahen Osten in noch schwerere Turbulenzen stürzen. Ohne die – nicht absehbare – Kooperation von maßgeblichen arabischen Staaten ist sie illusionär.
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Allerdings: Trump ist ein Systemsprenger, der disruptiv vorgeht und außerhalb bestehender Denkmuster und Verfahren agiert. Immerhin gelang ihm in seiner ersten Amtszeit mit den Abraham-Abkommen 2020 die Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain, Marokko und Sudan. Nicht ausgeschlossen, dass eine neue politischer Dynamik entsteht und Akteure wie Saudi-Arabien, die Emirate oder Katar eine erhöhte Verantwortung in Nahost übernehmen. Die Vorstellung von Gaza als einer Art „Monaco im östlichen Mittelmeer“ umgeben von friedlichen Nachbarn dürfte jedoch ein Trumpsches Märchen bleiben.