Berlin. Verbände schlagen Alarm: Durch die Hängepartie beim Haushalt ist die Finanzierung des Bundesfreiwilligendienstes nicht mehr gesichert.
Das Aus der Berliner Ampelkoalition könnte schon bald erhebliche Folgen für Krankenhäuser, Pflegestationen, Kitas oder Jugendzentren in Deutschland haben: Große Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände warnen davor, dass die Hängepartie beim Bundeshaushalt 2025 auch die Planungen für den Bundesfreiwilligendienst durcheinanderbringt. Weil dessen Finanzierung nun auf wackligen Füßen steht, könnten etliche Stellen nicht besetzt werden.
Der Hauptgeschäftsführer des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB), Uwe Martin Fichtmüller, sagte dieser Redaktion, er befürchte massive Einschnitte. „Die Freiwilligendienste sind in eine Abwärtsspirale geraten.“ Ein derart heruntergefahrenes System lasse sich auch nicht beliebig wieder hochfahren. Beim ASB seien im Vergleich zu 2024 bisher erst rund die Hälfte der Plätze im Bundesfreiwilligendienst für 2025 besetzt worden. „Die Mittel für die rund 334 Plätze waren bereits vor dem Scheitern der Regierung freigeschaltet, für die zweite Hälfte ist die Finanzierung ohne einen bestehenden Haushaltsbeschluss für 2025 ungewiss“, sagte der ASB-Hauptgeschäftsführer.
Auch die Kapazitäten für die pädagogische Begleitung der Freiwilligen sowie Anleitungsstrukturen in den Einsatzstellen müssen jetzt reduziert werden. Fichtmüller forderte alle demokratischen Parteien auf, die Finanzierung in voller Höhe schnellstmöglich sicherzustellen.
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Der Deutsche Caritasverband warnte ebenfalls vor erheblichen Kürzungen. Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa sagte dieser Redaktion: „Ohne klare finanzielle Zusagen und eine verlässliche Perspektive über das Jahr 2025 hinaus können Freiwilligendienste nicht weitergeführt werden, die Trägerorganisationen werden Einsatzplätze weder in Kitas, Krankenhäusern noch in der Behindertenhilfe oder in Umweltprojekten planen und besetzen können.“ Welskop-Deffaa ergänzte: „Der Deutsche Caritasverband fordert mit Nachdruck ein Recht auf einen Freiwilligendienst-Platz für jeden jungen Menschen, der sich engagieren möchte.“
Caritas: Genügend Interessenten für die Dienste
Nach Darstellung der Caritas sind viele Kontingente beim Bundesfreiwilligendienst wegen der fehlenden Freigabe der Mittel derzeit nicht belegbar. An Interessenten für den Bundesfreiwilligendienst fehle es indes nicht, das Problem sei die Unsicherheit bei der Förderung.
Den Bundesfreiwilligendienst gibt es seit 2011. In seinem Rahmen haben Freiwillige jeden Alters – Bufdis genannt – die Möglichkeit, sich mindestens sechs und höchstens achtzehn Monate lang für das Gemeinwohl zu engagieren. Der Dienst war ehedem geschaffen worden, weil mit dem Aussetzen der Wehrpflicht auch der Zivildienst für junge Männer entfiel. Ohne die Freiwilligen wäre die Personalnot im Sozialwesen und verwandten Sektoren noch viel größer, als sie ohnehin schon ist.
Bufdis erhalten ein monatliches Taschengeld
Die Bufdis erhalten von ihren Einsatzstellen ein monatliches Taschengeld und gegebenenfalls weitere Leistungen. Der Bund trägt einen Großteil der Kosten. Im vergangenen Monat gab es deutschlandweit fast 35.000 Bufdis, der weitaus größte Teil davon war jünger als 27 Jahre. Neben dem Bundesfreiwilligendienst gibt es auch das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr. Üblicherweise beginnen die Dienste jedes Jahr nach den Sommerferien. Es gibt aber auch Freiwillige, die gleich nach dem Jahreswechsel oder im Frühjahr starten wollen.
Die Berliner Ampelkoalition war Anfang November auseinandergebrochen. Eine Folge ist, dass auch der Bundeshaushalt 2025 nicht mehr wie geplant verabschiedet wird. Die noch amtierende Regierung aus SPD und Grünen hat dafür keine Mehrheit im Parlament. Einen regulären Haushalt für das kommende Jahr wird es nach Lage der Dinge erst geben, wenn nach den für Februar geplanten Neuwahlen eine neue Koalition gebildet worden ist und eine neue Regierung einen überarbeiteten Haushaltsentwurf vorgelegt hat. Bis es soweit ist, können nach den Wahlen noch Monate vergehen.
Dies bedeutet, dass zum Beginn des neuen Jahres die so genannte vorläufige Haushaltsführung greifen wird: Der Staat kann dann zunächst nur Ausgaben tätigen, die notwendig sind, um rechtliche Verpflichtungen zu erfüllen und die Verwaltung aufrecht zu erhalten. Das Finanzministerium kann den anderen Ressorts aber auch erlauben, jeden Monat einen gewissen Teil des noch nicht verabschiedeten Etatansatzes zu nutzen.
Vorläufige Haushaltsführung: Warten auf das Schreiben des Finanzministers
Der neue Finanzminister Jörg Kukies (SPD) will demnächst mit einem Rundschreiben die vorläufige Haushaltführung einleiten. Wann dieses Schreiben veröffentlicht wird, ist unbekannt. Erst dann wird auch klar sein, wie es mit der Finanzierung des Bundesfreiwilligendienstes weitergeht. Schon im Entwurf für 2025 war vorgesehen, die Mittel für die Freiwilligendienste um etwa 40 Millionen oder zwölf Prozent gegenüber dem Vorjahr zu kürzen. Allein dies hätte die Träger erheblich unter Druck gesetzt. Die Hängepartie beim Haushalt kommt jetzt noch verschärfend hinzu.
Aus dem Familienministerium von Ressortchefin Lisa Paus (Grüne), das für die Freiwilligendienste zuständig ist, hieß es auf Anfrage, alle im laufenden Jahr abgeschlossenen Vereinbarungen seien voll gültig und könnten auch 2025 ohne Abstriche bezahlt werden. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch: Neue Vereinbarungen sind schwierig, so lange nicht klar ist, ob und in welchem Umfang das Geld vom Bund fließt.
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