Düsseldorf. Warum es dem Wald in NRW immer noch nicht besser geht. Diese Pläne hat Forstministerin Silke Gorißen (CDU).
Zwei regenreiche Jahre in Folge weckten Hoffnung auf eine Genesung des Waldes, aber diese Hoffnungen werden bisher enttäuscht. „Der Zustand des Waldes hat sich nicht wesentlich verbessert“, sagte NRW-Forstministerin Silke Gorißen(CDU) am Montag bei der Vorstellung des Waldberichtes 2024. Nur 27 Prozent der Bäume hätten eine gesunde und dichte Baumkrone aus Blättern oder Nadeln -- im Vorjahr waren es 25 Prozent.
Praktisch unverändert zum Vorjahr sind auch die Vitalitäts-Werte für die geschädigten Bäume: 34 Prozent haben eine leicht verlichtete, 39 Prozent eine stark verlichtete Krone.
Ausgerechnet die deutsche Eiche: Nur etwa sechs Prozent dieser Bäume sind kerngesund
Währen es der Fichte, dem „Problembaum“ der vergangenen Jahre, infolge des vielen Regens langsam wieder besser geht, richtet sich der Blick der Forstexperten nun sorgenvoll auf die Eiche. „Nur etwa sechs Prozent der Eichen sind kerngesund“, sagte Tim Scherer, Leiter des Landesbetriebes Wald und Holz. Eichen, die älter sind als 60 Jahre, litten besonders stark. Besorgnis erregend ist auch der Zustand der Buchen: Nur etwa jede fünfte Buche ist vital. Noch schlimmer trifft es die Kiefer mit lediglich neun Prozent gesunden Kronen. „Der Kiefer geht es so schlecht wie noch nie“, warnte Scherer.
Die Gründe für das Siechtum des „Patienten“ Wald sind bekannt: Der Klimawandel mit seinen Folgen. Dürre und Hitze haben die Bäume so nachhaltig in ihren Feinwurzeln und Leitungsbahnen, an ihren Kronen und Stämmen geschädigt, dass man sie „so schnell wohl nicht reparieren kann“, so Ministerin Gorißen. Selbst das Jahr 2024, das viele eher als nass und kühl empfunden haben, gehört laut der Landesregierung zu den wärmsten Jahren seit Beginn der Messungen im Jahr 1881.
Es ist nicht nur der Klimawandel. Saure Böden und neue Schädlinge setzen den Bäumen zu
Weitere Probleme kommen dazu: Die anhaltende Versauerung der Waldböden durch Säuren und Nährstoffe sowie die Schäden, die Schädlinge anrichten. Während der Borkenkäfer nach den vielen Regenfällen längst nicht mehr so aktiv ist wie früher, tritt jetzt der Eichenprachtkäfer in Erscheinung. Der sei zwar nicht ganz so gefährlich wie der Borkenkäfer, könne aber insbesondere alte und schwache Eichen „umbringen“, erklärte Tim Scherer. In Hessen und Sachsen-Anhalt sei dieser Schädling weiter verbreitet als in NRW, aber auch hierzulande sei eine „Massenvermehrung“ dieses Käfers möglich.
Seit 40 Jahren macht sich das Land NRW ein Bild vom Zustand seines Waldes, und 2024 setzt sich der Negativtrend der vergangenen Jahrzehnte fort. Allerdings malt die Forstministerin kein schwarzes Bild von der Zukunft des Waldes in NRW. Die Wiederbewaldung der Schadflächen schreite voran, sagt sie. Fast die Hälfte dieser Flächen sei inzwischen wieder bewaldet -- 59.000 von 133.000 Hektar. Der Wald der Zukunft müsse vielfältiger sein als der der Vergangenheit, um die nötige „Klimaresilienz“ zu haben.
Gorißen versprach, dass die „Wiederbewaldungsprämie“ in NRW im nächsten Jahr fortgeführt werde. Hierzu gab es zuletzt unterschiedliche Signale von der Landesregierung, was viele Waldbauern verunsicherte.
Der Fichte, die Dürre und Borkenkäfer vielerorts verschwinden ließen, gehe es inzwischen wieder besser, hieß es. 54 Prozent dieser Bäume wiesen keine Kronenverlichtung auf. Hauptgrund: Die verbliebenen Fichten seien jünger und vitaler, und sie stünden oft in den kühlen und feuchten Höhenlagen von Sauerland, Siegerland und Eifel. In diesen Lagen fühle sich der Borkenkäfer nicht wohl, erklären die Dachleute von Wald und Holz.
Wird der Reichswald ein Nationalpark?
Noch bis zum 11. Dezember läuft ein Bürgerentscheid zu einem möglichen Nationalpark Reichswald im Kreis Kleve. Forstministerin Silke Gorißen (CDU) weist Gerüchte zurück, sie sei gegen einen zweiten Nationalpark in NRW. Sie sagt auch, dass ihr Ministerium keinerlei finanzielles Interesse an einem Nein zu einem möglichen Nationalpark Reichswald im Kreis Kleve habe. Ein zweiter Nationalpark neben dem in der Eifel sei weiter „das gemeinsame Ziel der schwarz-grünen Landesregierung“, sagte sie am Montag.
Das Land NRW hat laut einem Bericht der Ministerin Vorverträge mit Windrad-Betreibern geschlossen, die NRW, konkret dem Landesbetrieb Wald und Holz, Einnahmen von jährlich rund drei Millionen Euro bescheren könnten. Für den Reichswald gebe es Vorverträge aus der Zeit der rot-grünen Landesregierung aus dem Jahr 2014. Im Reichswald gehe es um die Flächensicherung für die Errichtung von bis zu elf Windkraft-Anlagen. Bei Realisierung aller elf Anlagen würde der Flächenbedarf nur 0,14 Prozent der Reichswald-Fläche ausmachen, betont Gorißen. Die möglichen Erträge seien für den finanziell angeschlagenen Betrieb Wald und Holz nur ein „Zubrot“, sagte Betriebsleiter Tim Scherer. „Diese Vorverträge retten nicht den Landesbetrieb“, sagte er.
„Wir sollten beim Thema Nationalpark nicht in Schwarz-Weiß-Muster verfallen“, so Gorißen. Niemand sage, dass dort, wo Vorverträge für Windräder geschlossen wurden, kein Nationalpark entstehen dürfe. „Es sollte auch nicht gesagt werden, dass in der Nähe zu einem Nationalpark keine Windkraftanlagen stehen dürfen.“
Ist der Wald am Ende? Nein, sagt NRW-Ministerin Gorißen -- und kritisiert Bundesminister Özdemir
Erneut widersprach die Forstministerin der düsteren Einschätzung von Bundesforstminister Cem Özdemir (Grüne). Er hatte Anfang Oktober bei seiner Präsentation der „Waldinventur“ gewarnt: Der deutsche Wald sei vom Kohlenstoffspeicher zur „Kohlenstoffquelle“ geworden. „Das bedeutet, der Verlust an Biomasse ist durch Dürre, Stürme und Käferbefall größer als der Zuwachs von Biomasse.“
„Ich glaube, dass es um unseren Wald deutlich besser steht als aus der Sicht des Bundes“, sagte Silke Gorißen. Özdemir habe ein „schiefes Bild“ gezeichnet, der Wald sei nach wie vor ein wichtiger CO2-Speicher, man dürfe ihn nicht schlechtreden. Ralf Petercord, Referatsleiter im Forstministerium, erklärte, die bei der „Waldinventur“ festgestellte CO2-Speicherkapazität des deutschen Waldes habe zwischen 2012 und 2022 keineswegs abgenommen.
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