Washington. Experten sind sich sicher: Ein Plan, der Familien zerreißt, Polizei und Justiz traumatisiert und die Wirtschaft ins Elend stürzt

Es ist das zentrale Versprechen Donald Trumps für eine mögliche zweite Amtszeit: „die größte inländische Abschiebeaktion in der amerikanischen Geschichte“. Über zehn Millionen illegal im Land lebende Einwanderer sollen gehen. In kürzester Zeit. Unter Zwang. „Sie nehmen uns die Arbeitsplätze weg“, sind „keine Menschen“ und „vergiften das Blut unseres Landes“, behauptet der republikanische Präsidentschaftskandidat. 

Er stilisiert die Aktion zur Existenz- und Überlebensfrage Amerikas. Allein, die Realisierungschancen stehen schlecht. Trumps Plan würde nach Überzeugung vieler Experten die Wirtschaft zum Absturz bringen, Familien und Nachbarschaften zerreißen und Polizei und Justiz einen Albtraum bescheren. Fünf Gründe für ein wahrscheinliches Scheitern.

Die Vergangenheit:

Schon während seiner Präsidentschaft von 2017 bis 2021 hatte Trump bei seinen Versprechungen im Kontext von Migration und Grenzsicherung den Mund sehr voll genommen. Im Sommer 2019 kündigte er binnen Tagen den Beginn einer millionenfachen Abschiebungswelle an. Einen Monat später teilte die zuständige Behörde ICE kleinlaut mit, man habe 2100 Personen ins Visier genommen und 35 Personen verhaftet.

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Trump hat in einem Amtsjahr nie mehr als 350.000 Abschiebungen bewerkstelligt. Der Demokrat Barack Obama war als Präsident für die Abschiebung von fast drei Millionen Illegalen verantwortlich, vorwiegend Straftäter. Trump hatte nicht den Apparat, die Justiz, das Geld, den Kongress und die strategische Durchsetzungskraft auf seiner Seite.

Und: Als Vorbild für seinen Plan führte Trump oft die „Operation Wetback“ von Dwight D. Eisenhower Mitte der 50er-Jahre an. Der damalige Präsident ließ über eine Million Wanderarbeiter nach Mexiko abschieben. Ein Rohrkrepierer. Die Abgeschobenen wussten, dass die US-Landwirtschaft nicht auf sie verzichten kann. Darum kehrten sie nach kurzer Zeit in die USA zurück.

Migration in Mexiko
Migrantinnen und Migranten gehen auf ihrer Reise nach Norden in Richtung US-Grenze auf der Autobahn durch Suchiate im Bundesstaat Chiapas in Südmexiko. © DPA Images | Edgar H. Clemente

Die Machbarkeit:

Geht es nach Trump und seinem Haupt-„Architekten“ im Kampf gegen die illegale Migration, Stephen Miller, würden bewaffnete Truppen aus Militär, Nationalgarde, lokalen Sheriffs- und Polizeidepartements gemeinsam mit den Fahndern der Behörde Immigration and Customs Enforcement (ICE) quer durch die 50 Bundesstaaten in Gemeinden eindringen, an Türen klopfen, Arbeitsplätze und Wohnungen durchsuchen und mutmaßliche Einwanderer ohne Papiere willkürlich verhören, festnehmen, internieren und so zügig wie möglich per Flugzeug außer Landes bringen.

Auf der praktischen Ebene ist das „nahezu unmöglich”, sagt der frühere Heimatschutz-Experte John Sandweg. Ein Grund: Szenen von Massenverhaftungen würden das Land erschüttern und einen öffentlichen Aufschrei erzeugen, wenn nicht schon vorher die Gerichte dem Ganzen einen Riegel vorschieben.

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Ein anderer: Über ein Dutzend Bundesstaaten und über 200 Kommunen sind sogenannte „Sanctuary Cities“ (Zufluchtsstädte), die eine Kooperation mit den Abschiebungsbeamten der ICE kategorisch ausschließen. Apropos: Derzeit hängen die Asylverfahren von rund 3,8 Millionen Einwanderern „sin papeles“ (ohne Dokumente) in der Schwebe. In dieser Zeit dürfen sie nicht abgeschoben werden. Wird ihr Asylgesuch abgelehnt, können sie in Berufung gehen. Auch hier besteht Abschiebeschutz. Da die Verfahren wegen der Überlastung der Justiz, etliche Richter haben 20.000 Fälle und mehr in Verwahrung, leicht fünf, sechs, sieben, acht Jahre und länger dauern können, „werden groß angelegte Deportationspläne fast zwangsläufig scheitern“, sagen Experten im Heimatschutzministerium.

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Die Kosten: 

Die Immigration and Customs Enforcement (ICE), die Sonderpolizei, die für Abschiebungen zuständig ist, und die Customs and Border Protection, der eigentliche Grenzschutz, haben in wenigen Jahren eine Budgetaufstockung von 80 Prozent erfahren – zusammen rund 30 Milliarden Dollar. Nach einer kürzlich aktualisierten Studie des rechtsorientierten American Action Forum würden Trumps Pläne bei elf Millionen Illegalen rund 265 Milliarden Dollar verschlingen. Geht man von der von Trump persönlich immer wieder genannten Zahl von 25 Millionen Illegalen aus, stiege der Betrag auf über 500 Milliarden Dollar. Kaum vorstellbar, dass der politisch geteilte Kongress solche Riesensummen bewilligen würde. Zurzeit hat man nicht mal Geld genug, um die 41.500 Betten in Übergangslagern für abzuschiebende Flüchtlinge aufzustocken.

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Die Realität:

Das Gros der Zielgruppe Trumps lebt seit zehn, 15 Jahren und mehr in der Regel unbescholten in Amerika, geht geregelter Arbeit nach, zahlt Steuern, kofinanziert sogar die sozialen Sicherungssysteme, obwohl man dort als Illegaler nie anspruchsberechtigt wird, und schickt seine Kinder auf den amerikanischen Bildungsweg. Diese Menschen in kurzer Zeit logistisch ausfindig zu machen, in Eilverfahren ausreisefertig zu trimmen und bis zu Abschiebung in neu zu bauenden Großinternierungslagern entlang der amerikanisch-mexikanischen Grenze unterzubringen, ist nach Angaben von Anwälten in Washington, die beruflich mit dem Thema zu tun haben, „absolut illusorisch“.

Nur ein Detail: Rund 3,5 Millionen illegale Einwanderer haben minderjährige Kinder, die – weil in den USA geboren – amerikanische Staatsbürger sind. Die Eltern abzuschieben, sagen Migrationsforscher der Georgetown-Universität in Washington, „würde Tausende Familien zerreißen und Haushalte mit gemischten Aufenthaltsberechtigungen in die Armut treiben“.

Die Wirtschaft: 

Nach offiziellen Zahlen der Regierung trugen illegale Einwanderer im Jahr 2022 bei Bund, Bundesstaaten und Städten durch Steuerzahlungen von rund 200 Milliarden Dollar zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Sie massenhaft auszuweisen, würde nach Berechnungen von Robert J. Shapiro, einst Unterstaatssekretär für Handel in der Regierung von Bill Clinton, eine Rezession auslösen und die Inflation anheizen.

Die US-Wirtschaft würde durch den dann eintretenden Mangel an Niedriglohnarbeitern massiv schrumpfen, zitiert das Magazin „Mother Jones“. Das liegt daran, dass viele Wirtschaftszweige auf „Undocumented Immigrants” angewiesen sind, weil alteingesessene Amerikaner für die teils körperlich schwere und mäßig bezahlte Arbeit nicht zur Verfügung stehen. Rund eine halbe Million illegaler Einwanderer arbeitet im Gesundheitswesen, in der Krankenpflege, als Haushaltshilfe oder Reinigungskraft. „Sie sind die Menschen, die unsere Hotelzimmer reinigen und unsere Bettpfannen leeren“, sagt Rebecca Shi, Geschäftsführerin der American Business Immigration Coalition.

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1,4 Millionen Illegale arbeiten auf dem Bau. 30 Prozent der Dachdecker sind „ohne Papiere“. Massenabschiebungen würden die Errichtung neuer Wohnungen zum Stillstand bringen und die Krise der Erschwinglichkeit beim Hauskauf weiter verschärfen, sagen Verbandsvertreter.

Noch stärker wären die Auswirkungen in der Landwirtschaft, wo 50 Prozent der Arbeitskräfte illegal sind. Pierre Mérel von der University of California in Davis prophezeit, dass die arbeitsintensive Obst- und Gemüseernte am stärksten betroffen wäre. Ein 50-prozentiger Rückgang des Arbeitskräfteangebots in der Landwirtschaft, so seine Studie, würde zu einem Preisanstieg von circa 20 Prozent für handgepflückte Feldfrüchte führen. „Wenn eingewanderte Arbeitskräfte einfach über Nacht verschwinden würden“, sagte der Kartoffelfarmer Andrew Mickelsen aus Idaho, „wäre der Sektor am Boden zerstört. Ich glaube nicht, dass wir in diesem Land dann genug Lebensmittel anbauen könnten.”