Berlin. „Oder die Ampel hört auf zu existieren“: FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagt, was der Regierungskoalition sofort gelingen muss.

Die AfD holt in Brandenburg den nächsten Wahlerfolg, die FDP verkümmert zur Splitterpartei. Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki macht dafür auch die Ampel verantwortlich. Im Interview stellt er klare Forderungen – und äußert sich zur Zukunft von Parteichef Christian Lindner.

Die AfD hat in einem weiteren Bundesland ein starkes Ergebnis eingefahren. Welchen Anteil hat daran die Ampelkoalition im Bund? 

Wolfgang Kubicki: Die AfD steigt bedauerlicherweise seit der Kanzlerschaft Angela Merkels immer weiter an. Aber natürlich hat die Performance der Ampel einen Anteil an den hohen Werten. Wir müssen einfach nüchtern feststellen, dass viele der politischen Entscheidungen der Koalition in der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt werden. Zudem haben viele Wählerinnen und Wähler nicht das Gefühl, dass man in Berlin versteht, was ihre wirklichen Probleme sind. Aber für jede der Parteien der Mitte, auch die Union, muss nach diesen drei Wahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg eines klar sein …

… das wäre?

Kubicki: Wenn sich die Menschen nicht für uns, sondern in hoher Zahl für Rechtspopulisten entscheiden, liegt das nicht an deren tollen programmatischen Angeboten, sondern zuerst einmal an uns selbst. Ich halte überhaupt nichts davon, die Wähler wegen angeblich falscher Ergebnisse zu beschimpfen. Unser Angebot hat viele nicht überzeugt, das lehrt uns das Wahlergebnis. 

Nur noch drei Prozent der Menschen in Deutschland sind davon überzeugt, dass die Koalition aus SPD, Grünen und FDP gut ist für das Land – das hat jetzt eine Umfrage ergeben. Bleiben Sie trotzdem noch ein ganzes Jahr zusammen an der Regierung?

Kubicki: Dass die Koalition noch ein Jahr zusammenbleibt, wird immer unwahrscheinlicher, wenn ich mir die migrationspolitische Blockadehaltung der grünen Koalitionspartner anschaue. Der Migrationsgipfel, den Christian Lindner vorgeschlagen hat, muss jetzt endlich kommen. Wir bringen hierbei eigene Vorschläge ein: dass beispielsweise die Verhinderung einer Abschiebung strafbar werden soll. Oder wir wollen die Möglichkeit gesetzlich einräumen, dass man bei Doppelstaatlern, die ein Verbrechen begehen, die deutsche Staatsangehörigkeit entziehen kann.

Geht es Ihnen nur um Migration?

Kubicki: Auch in der Wirtschaftspolitik erwarte ich endlich diejenigen Strukturreformen, auf die wir uns eigentlich schon längst geeinigt hatten. Mit einer Fortsetzung der planwirtschaftlichen Methoden, die Robert Habeck im Sinn hat, werden wir das nächste Jahr jedenfalls nicht als Koalition erreichen. So viel steht fest. 

Ihr Parteichef Christian Lindner hat einen „Herbst der Entscheidungen“ angekündigt. Was steckt dahinter?

Kubicki: Das heißt nichts anderes als: Entweder die Ampel zeigt, dass sie die nötigen Schlüsse aus diesen Wahlen ziehen kann, oder sie hört auf zu existieren. Das ist eine Angelegenheit von wenigen Wochen. Bis Weihnachten warten wir nicht mehr. Das können wir dem Land nicht zumuten. 

Die FDP schrumpft - gerade im Osten - zur Splitterpartei. Ist Christian Lindner allen Niederlagen zum Trotz als Parteichef und Spitzenkandidat für die Bundestagswahl gesetzt? 

Kubicki: Ja, definitiv. Die Partei steht zusammen und wird mit breitem Rücken und einem starken Spitzenkandidaten in den Wahlkampf für die Bundestagswahl gehen. Wann immer sie stattfinden wird. Wir müssen uns allerdings mehr derjenigen Dinge besinnen, die uns 2021 so stark gemacht haben: Das mutige Eintreten für Freiheit, eine nachvollziehbare und wirkungsvolle Migrationspolitik und der Einsatz für ökonomische Vernunft.