Washington. Der X-Besitzer gibt Donald Trump nach langer technischer Panne zwei Stunden Freiraum für den üblichen Mix aus Wehklagen und Beleidigungen.

„Höchste Unterhaltsamkeit” hatte Elon Musk vollmundig versprochen. Sein Gesprächs-Partner Donald Trump, den der reichste Mann der Welt am Montagabend aus Gründen der Wahlkampfunterstützung zu einer thematisch „unbegrenzten” Live-Plauderstunde auf sein Kommunikations-Portal X, früher Twitter, eingeladen hatte, sprach vorab gar vom „größten Interview des Jahrhunderts”. 

Davon, dass Hunderttausende, die sich gegen 20 Uhr US-Ostküstenzeit auf die X-eigene Audioplattform „Spaces” eingewählt hatten, geschlagene 42 Minuten warten und monotone Überbrückungsmusik ertragen mussten, bis der erste Wortwechsel zu hören war, hatte vorher niemand etwas gesagt. 

Nutzer nach Problemen genervt

Entsprechend genervt fielen die Reaktionen vieler Nutzer aus, die bereits massive technische Probleme hatten, um überhaupt in den Livestream zu gelangen. Musk machte für die Mega-Panne „massive Cyber-Attacken” gegen sein Portal verantwortlich; wahrscheinlich gesteuert von Leuten, die nicht hören wollten, was der republikanische Präsidentschaftskandidat zu sagen habe. 

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Ob das der wahre Grund für die Peinlichkeit war, ist unbekannt. Bereits im Frühjahr 2023 hatte der damalige Trump-Rivale Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, große technische Schwierigkeiten, auf X seine Präsidentschaftskandidatur zu erläutern. Damals hatte Musk eingeräumt, die Server seien überlastet gewesen. Insider seines Unternehmens erklärten, ein massiver Arbeitsplatzabbau durch Musk, der Twitter 2022 für 44 Milliarden Dollar gekauft hatte, sei verantwortlich gewesen.

Elon Musk im Pro-Trump-Modus – Ex-Präsident will zurück nach Butler

Als „Eisbrecher” kam Musk, der sich mit seiner keckernden Stimme als zuweilen schwer verständlicher, gänzlich unjournalistischer Fragensteller mit eindeutiger Pro-Trump-Schlagseite betätigte, auf den Mordanschlag zu sprechen, den Trump vor rund vier Wochen in Butler/Pennsylvania überlebte. 

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Obwohl Trump kurz darauf beim Republikaner-Parteitag in Milwaukee erklärt hatte, niemals wieder im Detail darüber zu reden, gingen gut 15 Minuten ins Land, in denen Trump das „Wunder” nacherzählen durfte, wie es war, als ein 20-Jähriger mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr auf ihn angelegt und durch eine glückliche Fügung nur am Ohr verletzte hatte. Erkenntnisgewinn: null. 

Sieht man davon ab, dass Trump ausdrücklich nicht in die Kritik Musks am Secret Service einstimmen wollte, der für den Schutz des Ex-Präsidenten verantwortlich ist. Und dass er im Oktober an den Schauplatz des Geschehens in Butler/Pennsylvania für eine weitere Kundgebung zurückkehren will.

Trump wiederholt Lügen über Einwanderer – von Musk kommt nur: „Yeah“

Zweite Baustelle: illegale Einwanderung. Ohne Widerspruch, eher mit tätiger Unterstützung Musks, der die Bewunderung für seinen Gast nie verhehlen wollte, durfte Trump sein wahrheitswidriges Narrativ ausbreiten, dass unter der Biden-Regierung „16, 17 Millionen illegale Einwanderer” über Mexiko ins Land gekommen seien, darunter viele gewalttätige Kriminelle, Ex-Gefangene und Geistesgestörte aus aller Herren Länder. Während Trump sprach, war immer wieder neben einem irritierenden Lachen ein zustimmendes „Yeah” von Musk zu hören.

Im Anschluss nahm das Gespräch über weite Strecken den Charakter wechselseitiger Schulterklopferei an. Musk lobte Trump für dessen rhetorische Entschlossenheit gegen den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un. Trump, obwohl kein Freund der E-Mobilität, sagte über Musks Teslas: „Dein Produkt ist unglaublich.” Musk plädierte für eine Kommission, die die Effizienz des Regierungshandelns untersucht – und so die Inflation zähmt. „Ich würde da gern mitarbeiten.” Trump: „Du wärst der Größte.” Dass beide der Meinung sind, weder Joe Biden noch Kamala Harris könnten intellektuell ein solches Gespräch führen, versteht sich fast von selbst.

Musk und Trump reden wie „buddies“ – 1,2 Million Menschen hören zu

Apropos Harris: Hier war die Parteinahme Musks für Trump, dem nicht an einer einzigen Stelle massiv widersprochen wurde und der hörbar froh darüber war, am wuchtigsten. „Wir kämen in massive Schwierigkeiten mit einer Kamala-Regierung. Darum wünsche ich Ihnen den Wahlsieg. Harris ist extrem weit links.” Nach ermüdenden zwei Stunden war der als Wahlkampf-Vitaminspritze für den Ex-Präsidenten gedacht gewesene Gedankenaustausch zweier „buddies” vorbei. 1,2 Millionen X-Nutzer waren da, obwohl es keine Neuigkeiten gab, noch zugeschaltet.

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Trumps Motive für das Experiment mit Musk waren offenkundig. Auf seinem wirtschaftlich dümpelnden Portal „Truth Social” lassen sich rund 7,5 Millionen Menschen von den täglichen Anmerkungen des 78-Jährigen beschallen. Auf X/Twitter, wo Trump wegen andauernder Lügengeschichten nach anfänglicher Verbannung durch Musk persönlich wieder Zutritt erfuhr, folgen rund 90 Millionen dem New Yorker Geschäftsmann, der sehr darunter leidet, dass ihm die demokratische Mitbewerberin im Reich der sozialen Medien die Schau stiehlt.

Musks Verwandlung

Erstaunlich bleibt, dass Musk Trump noch vor zwei Jahren als entschieden „zu alt” für den Top-Job im Weißen Haus bezeichnet hatte. Worauf der den Multi-Milliardär (Tesla, SpaceX etc.) als „Bullshit Artist” abkanzelte - als Dünnschiss-Redner. Musk, der einst die Demokraten und Joe Biden unterstützte, vor allem dessen auf E-Mobilität ausgerichtete Klimaschutz-Politik, hat danach eine 180-Grad-Wende vollzogen und sich, geparrt mit dem Verbreiten rechter Verschwörungstheorien, hinter Trump versammelt, den er spätestes seit dem Attentatsversuch vor fünf Wochen offiziell als Kandidaten unterstützt. 

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Noch vor dem Spektakel entwickelte sich ein heftiger Disput zwischen Musk, Trump und der Europäischen Union. Deren Industriekommissar Thierry Breton hatte den X-Eigentümer am Montag dazu angehalten, gemäß des Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act) auf die Verbreitung von Desinformation zu verzichten. Musk, der für sein Portal weitgehende Meinungsfreiheit postuliert, keilte mit einem unflätigen Meme zurück. Steven Cheung, Sprecher Trumps, nannte die EU den „Feind der freien Rede” und verbat sich Eingriffe einer „undemokratischen auswärtigen Organisation” in den US-Wahlkampf. 

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Musk verbreitet Lügen und Fakes

Ein Hintergrund für Bretons Einlassung: Nach Recherchen des „Center for Countering Digital Hate (Zentrum zur Eindämmung von Digitalem Hass) hat Musk X-Eigentümer mit 193 Millionen Abonnenten seit Januar 50 Lügen und Tatsachenverdrehungen verbreitet, die weltweit über eine Milliarde Mal konsumiert wurden. Darunter war auch die substanzlose Behauptung, die US-Demokraten würden Millionen illegale Einwanderer ins Land lassen, um ihnen genehme Wahlergebnisse zu erzielen. Musk verbreitete auch gefakte Video-Dateien über Kamala Harris. In beiden Fällen sei die Funktion der „community notes”, die irreführende Postings durch kollektive Richtigstellung entlarven soll, deaktiviert gewesen. So ähnlich muss es auch am Montagabend gewesen sein.