Berlin. Bestseller-Autor Sebastian Fitzek nimmt die Inspiration für seine Thriller aus dem echten Leben. Welche Rolle seine Eltern dabei spielten.

Mit „Das Kalendermädchen“ (Droemer Knaur, 400 S, 25 Euro) veröffentlicht Sebastian Fitzek seinen neuesten Psychothriller – der Erfolg scheint ihm garantiert. Doch im Gespräch zeigt sich der 53-Jährige keineswegs so selbstsicher, wie man bei Deutschlands meistverkauftem Autoren vermuten könnte. In jungen Jahren waren seine Ängste noch ausgeprägter, aber geprägt haben sie Fitzek bis heute – was auch mit seinen Eltern zu tun hat.

„Das Kalendermädchen“ wurde schon vor Veröffentlichung von einigen Medien als Bestseller bezeichnet. Könnten Sie theoretisch ein Telefonbuch unter ihrem Namen veröffentlichen und ebenfalls einen Erfolg landen?

Sebastian Fitzek: Na ja, in der ersten Woche vielleicht schon, bis dann alle merken: Der Fitzek hat uns auf den Arm genommen. Ob ein Buch wirklich ein Bestseller wird, zeigt sich erst nach ein paar Wochenenden. Es beruhigt mich also nicht, dass das Buch in einigen Online-Buchläden ganz hoch rangiert. Die Frage ist: Wie kommt es langfristig an?

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Sebastian Fitzek: „Man muss sich als Autor ständig neu erfinden“

Sie veröffentlichen inzwischen nicht nur Thriller, sondern auch Komödien wie zuletzt „Elternabend“. Wenn sich so ein Buch nicht wie gewünscht verkauft, wünscht sich dann der Verlag wieder mehr Gewalt beim nächsten Roman?

Fitzek: Nein. Als ich mein erstes humorvolles Buch „Der erste letzte Tag“ geschrieben habe, gingen wir alle davon aus, dass ich maximal die Hälfte von der Stückzahl meiner Thriller verkaufe. Das ist dann auch so eingetreten. Aber „Elternabend“ wurde 2023 das meistverkaufte Buch in ganz Deutschland. Damit hatte keiner gerechnet. Jetzt wünscht sich der Verlag sogar häufiger einen Humortitel von mir.

Ich traue aber dem Frieden noch nicht so ganz. Denn das war offenbar einfach das richtige Buch zur richtigen Zeit. Andererseits sind Flops manchmal notwendig. Denn man muss sich als Autor ständig neu erfinden, und dadurch lernt man quasi wieder, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Flops bedeuten allerdings weniger Einnahmen. Ist das kein Problem? Will man da nicht riskante Experimente vermeiden?

Fitzek: Von den Büchern, die ich geschrieben habe, hätte ich im Vorfeld nie sagen können, welches das erfolgreichste wird. Ich bin sowieso komplett verunsichert und dann sage ich mir: Wer, wenn nicht ich, soll experimentieren? Früher habe ich beim Radio gearbeitet, und da war die Bezahlung von der Quote abhängig, und das habe ich gehasst. Ich wollte mich selbst verwirklichen und etwas machen, was ich selbst mag und wohinter ich ganz stehe. Ich bin also nicht Autor geworden, um allen zu gefallen.

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Sebastian Fitzek war zuletzt auch mit Komödien erfolgreich. Sein neustes Buch ist aber wieder ein Thriller. © picture alliance/dpa/Kessler-Sportfotografie | Jürgen Kessler

Sie schreiben ja von Gewaltakten. Aber was wäre, wenn Sie die Chance hätten, so etwas real zu beobachten – etwa an einer Kriegsfront?

Fitzek: In der Theorie interessiert mich das auf jeden Fall. Ich habe beispielsweise gerade eine Anfrage für eine Lesereise nach Kiew bekommen, die im nächsten Jahr stattfinden soll. Da schlagen dann zwei Herzen in meiner Brust. Wenn ich nicht Vater von fünf Kindern wäre, würde ich wohl zusagen, aber so muss ich das im Familienkreis besprechen.

Daher nimmt Sebastian Fitzek seine Inspiration

Woher kommen denn eigentlich Ihre angstvollen Fantasien?

Fitzek: Meine Eltern waren sehr ängstlich, was wahrscheinlich daran lag, dass sie eben eine Kriegsgeneration waren – mein Vater war Jahrgang 1930. Die Angst vor Drogen etwa oder vor Arbeitslosigkeit waren bei uns immer präsent. So war ich im Kern auch ein ängstliches Kind und speziell in der Grundschulzeit schüchtern und wenig kommunikativ. Davon musste ich mich im Lauf der Zeit befreien.

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Wie war Ihr Lebensgefühl später, in Ihren jungen Jahren?

Fitzek: Kurz nach meinem Abitur war ich sehr hoffnungslos, weil ich nicht wusste, was ich werden sollte. Aus Verzweiflung begann ich ein Tiermedizinstudium, was ich aber nach drei Monaten abbrach, weil mir klar wurde: Das ist nichts. Im Vergleich zu meinen Freunden, die alle wussten, was sie wollten, habe ich mich wie ein Versager gefühlt. Dann habe ich quasi panisch jedes Eisen im Feuer gehalten, weshalb ich gleichzeitig ein Volontariat beim Radio gemacht und Jura studiert habe. Inzwischen habe ich viel weniger Angst.

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Und wenn Ihre Bücher nicht mehr gefragt sein sollten?

Fitzek: Auch davor nicht. Ich werde traurig sein und kurz depressiv werden. Aber das ist nicht der Untergang meines Lebens. Ich weiß, dass ich die Kraft habe, mich wieder anders neu zu erfinden.

Kriegstraumata der Eltern: „Sogar Kerzen waren bei uns verboten“

Woher kam eigentlich die Ängstlichkeit Ihrer Eltern?

Fitzek: Speziell mein Vater ist von den Bombenangriffen traumatisiert worden. Und ihn hat sehr beschäftigt, dass er als Jugendlicher auf viele Sachen hereingefallen ist, wie er gesagt hat. Er wünschte sich, er hätte sich von diesen ganzen Fackelumzügen und Lagerfeuern distanziert. Deshalb wurde er dann Geschichtslehrer und hat auf diese Weise gegen die Gefahren des Nationalsozialismus angekämpft. So durfte ich nicht zu den Pfadfindern, weil alles, was irgendwie an die Hitlerjugend erinnert hätte, bei uns zuhause tabu war. Sogar Kerzen waren bei uns verboten.

Darunter habe ich ein bisschen gelitten, weil ich gerne mal an einem Zeltlager teilgenommen hätte wie andere Freunde von mir. Mein Vater hat sich auch zeitlebens die Frage gestellt, ob er den Mut wie die Mitglieder der Weißen Rose gehabt hätte, um dagegen anzukämpfen. Diese Unwissenheit hat ihn wirklich fertig gemacht.

Kalendermädchen
Sebastian Fitzek meldet sich mit dem Thriller „Das Kalendermädchen“ zurück (Droemer Knaur, 2024). © Droemer | Verlag

Könnte es vielleicht sein, dass sich die Unsicherheitserfahrung Ihrer Eltern auf Sie übertragen hat und Sie deshalb zum Thrillerautoren wurden?

Fitzek: Ein Theologe würde dem wahrscheinlich zustimmen, denn es heißt ja, dass wir nicht wirklich als Kinder auf die Welt kommen, sondern als Erblast die Traumata unserer Vorfahren in uns tragen. Deshalb ist ja die Taufe da – um uns von den Sünden reinzuwaschen, die nicht wir begangen haben, sondern unsere Eltern vor uns. Sie nimmt die Traumata, die sie erlebt haben, von uns, damit wir mit einer reinen blütenweißen Seele ins Leben starten können. Wobei es tatsächlich in der Hirnforschung Untersuchungen gibt, inwiefern sich frühe Traumata der Eltern auf die Kinder übertragen.

Aber bei Ihnen hat die Taufe offensichtlich nicht gewirkt. 

Fitzek: Doch, ich habe ja eine reine Seele (lacht).